Sourcing - Eine Strategie-Frage

Sourcing muss strategisch angegangen werden. Outsourcing ist nicht unbedingt die beste Lösung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/10

     

Ein strategischer Einsatz des Sourcing im Rahmen einer Geschäftsstrategie kommt der Wahl einer Unternehmensphilosophie gleich. Auf welche Weise ein Unternehmen Leistungen von externen oder internen Dienstleistern bezieht, geht weit über die Zuständigkeit von Verwaltungseinheiten hinaus. Da sich hier Differenzierungsmöglichkeiten im Wettbewerb bieten, wird strategisches Sourcing heute neu definiert. Mit Entscheidungsspielräumen zur Erzielung von Kosteneinsparungen, zur Vermeidung von Investitionsaufwendungen, zur Verbesserung der Dienstgüte, zur flexiblen Reaktion auf Veränderungen in den Bedürfnissen des Unternehmens und letztlich auch zur Verbesserung der Qualität ist Sourcing heute komplexer denn je.


Ein Sourcing-Framework – was ist das?

Besonderes Augenmerk gilt daher den gesamten Rahmenbedingungen, welche den Prozess der Leistungsbeziehung mit dem Provider vor, während und nach der Sourcing-Transaktion begleiten. Wenn es um die Definition ihres Sourcing-Frameworks geht – also die Rahmenbedingungen für die Beziehungen mit den verschiedenen Sourcing-Providern, dann geben die meisten nur ungern zu, dass es keinen genauen Plan gibt, der auf die Unternehmensziele abgestimmt ist und den Führungskräften flexible Optionen bietet.
Damit ein Unternehmen die von ihm angestrebten Ziele erreicht, müssen jedoch Rahmenbedingungen zur Entwicklung einer wirklich strategischen Funktion festgelegt werden. Im einzelnen geht es dabei um die Entwicklung einer Sourcing-Strategie, dem Abwägen verschiedener Betriebsmodelle zur optimalen Nutzung von Dienstanbietern und schliesslich der effektiven Verwaltung eines Katalogs an Sourcing-Beziehungen.
Die meisten Grossunternehmen definieren ihre mit dem strategischen Sourcing betrauten Einheiten weitgehend entsprechend den Zuständigkeiten der Funktionen in ihrer Organisationsstruktur. Einige teilen die Verantwortungs­bereiche in geografische Regionen auf, andere unterscheiden zwischen direkten und indirekten Produkten und Dienstleistungen.
Allgemein wird die Aufstellung eines Sourcing-Frameworks als ein Prozess zur Untersuchung des internen und externen Geschäftsumfelds beschrieben, basierend auf Branchen-, Lieferanten-, Anforderungs- und Wettbewerbsanalysen sowie einer Prognose von Angebot und Nachfrage.
Die wesentlichen Aufgaben in strategischen Sourcing-Bereichen fallen meist in die folgenden Kategorien:


• Beurteilung der Kunden­bedürfnisse


• Ausgabenanalyse


• Strategieentwicklung


• Lieferantenauswahl


• Vertrags-Management


• Lieferanten-Management


• Informations-Management


• Bewertung und Neudefinition von Strategien


• Vermögensverwaltung
Für die mit dem Sourcing betrauten Führungskräfte in den Unternehmen stellt sich nicht die Frage, ob Sourcing notwendig ist oder wie die vergebenen Leistungen verwaltet werden sollen. Für sie geht es vielmehr um die effektivste Sourcing-Lösung, die Festlegung eines angemessenen Umfangs für die Sourcing-Initiativen, globale oder regionale Einheitlichkeit und die garantierte Verwirklichung der von der Sourcing-Beziehung erwarteten Ergebnisse. Das Angebot an Alternativen, aus denen CIOs und Bereichsleiter wählen können, ist breit gefächert. Es umfasst unter anderem:


• Insourcing/Outsourcing


• Internes/externes Vertragsverhältnis


• Offshoring/Nearshoring


• Business Process Outsourcing


• IT-Outsourcing


• Shared Service Center


• Allianzen


• Partnerschaften


• Equity Ventures


Umsetzung langfristiger Strategien

Die wirtschaftlichen und politischen Ungewissheiten auf der Welt und in vielen Unternehmen sind immens. Es stellt sich also die Frage: Wie können die für das strategische Sourcing Verantwortlichen die kurzfristigen Erfordernisse mit einem nachhaltigen Modell für die Zukunft verbinden?
Die verwendeten Ansätze sollten die Effektivität im Hinblick auf Faktoren wie Kosten, Qualität, Flexibilität und Risiko untersuchen und so gestaltet werden, dass eine professionelle Beurteilung möglich wird, ob und wie eventuelle Sourcing-Initiativen dem Unternehmen nutzen könnten. Bei der Analyse sollte auch der Umfang der jeweiligen Transaktion festgelegt werden. Hier geht es z. B. um die Entscheidung, mehrere Geschäftsfunktionen im Rahmen einer einzigen Sourcing-Initiative zu bündeln oder mit «Punktlösungen» zu arbeiten, um Risiken und Gelegenheiten Rechnung zu tragen. Eine gut durchdachte Sourcing-Strategie muss Antworten auf die folgenden grundlegenden Fragen geben können, die alle
mit den Zielen des jeweiligen Unternehmens in Verbindung stehen:


• Wo stehen wir heute? Wie effektiv und wirtschaftlich können wir derzeit arbeiten?


• Wo könnten wir sein? Wo bieten sich Gelegenheiten, über den Rahmen des derzeit Möglichen hinauszugehen?


• Wie können wir dorthin gelangen? Nach welchem Plan müssen wir vorgehen, um vorwärts zu kommen?
Die Entwicklung eines Sourcing-Frameworks und dessen Umsetzung im täglichen Geschäftsleben wird durch Faktoren wie beispielsweise Führungskräfte-Fluktuation, Marktzwänge und kurzfristige Aktionärserwartungen erschwert. Dem Unternehmen stehen jedoch Optionen offen, um die Strategien zur korrekten Umsetzung von Sourcing-Transaktionen zu entwickeln und umzusetzen:


• Verknüpfung der Unternehmensbedürfnisse mit den Sourcing-Alternativen – Durchführung einer gründlichen Anforderungen- und Ausgabenanalyse, um Alternativen bereitstellen zu können.


• Entwicklung und Verbreitung von kurz-, mittel- und langfristigen Sourcing-Strategien einschliesslich aller Kriterien und der Begründung für die Aufnahme jedes einzelnen Elements – darin enthalten eine Formulierung der Strategie, die angestrebten Ergebnisse, taktische Alternativen, Ausstiegsstrategien, interne Genehmigungsanforderungen sowie eine Risiko-(SWOT)-Analyse.


• Interne Abstimmung der Strategie – zur Berücksichtigung der Wünsche der internen Entscheidungsträger.


• Festlegung von Sparzielen, um diese auf der Grundlage der in der Strategie dargelegten strategischen Eingriffsoptionen zu definieren.


• Entwicklung eines Sourcing-Plans – das Strategiedokument und die Sparziele zur Entwicklung eines detaillierten taktischen Plans nutzen, wie das Sourcing für jedes der aufgeführten Bedürfnisse des Unternehmens abläuft, von wem Leistungen wann bezogen werden und inwieweit Unterstützung erforderlich ist.


• Nutzen von Markterfahrung zur Validierung der Vorteile der Strategie – hierbei liegt der Schwerpunkt auf Bereichen wie der Bestands­festigkeit des Dienstleistermarktes, globalen Ressourcenaspekten und den Auswirkungen von Wirtschafts-trends.


Der Autor

Bernd Schaefer ist Partner und Area Managing Director beim Sourcing-Berater TPI Germany.




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