Editorial

US-Reisende: Notebooks an der Grenze abgeben!


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/14

     

Stellen Sie sich vor, Sie reisen geschäftlich in die USA. Alle nötigen Unterlagen haben Sie auf Ihrem Notebook gespeichert, ebenso Ihre vertraulichen E-Mails. Ein Handy haben Sie ebenfalls mit dabei. Der Flug verläuft problemlos. Doch bei der Einreise werden Sie aus heiterem Himmel aufgefordert, Ihr Notebook und das Handy abzugeben. Der Zollbeamte will von Ihnen auch Passwörter haben, um sämtliche Daten kopieren und anschauen zu können. Den Rechner, so wird Ihnen gesagt, erhalten Sie später zurück. In einigen Stunden, Tagen oder Wochen.



Eine unmögliche Geschichte? Mitnichten. Die USA stehen offen dazu: Ihre Grenzbeamten haben das Recht, Notebooks und andere elektronische Geräte mit Speicher und auch beliebige Dokumente ohne jeden Anlass zu beschlagnahmen und für eine «vernünftige» Zeit zu behalten, um die darin enthaltenen Informationen «zu studieren und zu analysieren». Dies sei eine wichtige Massnahme im Kampf gegen Terro-
rismus, Drogenschmuggel, Kinderpornographie, Urheberrechts-
und Markenverstösse und andere illegale Aktivitäten. Wehe dem, der auf seinem iPod raubkopierte Songs oder einst eine illegale Website benutzt hat. Denn auch nach gelöschten Daten im Cache des Browsers wird gefahndet.




Was bisher ohne nähere Regelung praktiziert wurde, ist seit diesem Juli in zwei verwaltungsinternen Richtlinien schwarz auf weiss dokumentiert. Alles darf angeschaut werden, auch verschlossene Briefe oder an sich geschützte Unterlagen vom Anwalt. Ohne Durchsuchungsbefehl und ohne Verdacht. Zwar wird versichert, Kopien der gefundenen Informationen würden vernichtet, wenn kein Verdacht auf eine unzulässige Handlung besteht. Doch auch davon gibt es Ausnahmen, etwa bei Angaben von geheimdienstlichem Interesse. Alles zulässig, befand ein US-Berufungsgericht kürzlich. Einen Anspruch auf Datenschutz gibt es beim Grenzübertritt nicht. Wer sein Passwort verrät oder beim Zugang zu seinen Daten assistiert, um sich Ärger zu ersparen, riskiert sogar, sein Recht auf Aussageverweigerung zu verlieren, wenn belastendes Material gefunden wird. Auch das gab es schon.



Die US-Praxis mag legal sein. Beängstigend und eine Persönlichkeitsverletzung ist sie allemal und unverhältnismässig aus hiesiger Sicht noch dazu. Immerhin geht die Praxis auch in den USA inzwischen manchen zu weit, wie eine Anhörung im US-Kongress im Juni zeigte. Ein demokratischer Senator will nun erreichen, dass Durchsuchungen von Notebooks und dergleichen wenigstens nur noch in Verdachtsfällen erlaubt sind. Doch bis es soweit ist – falls die Vorlage überhaupt durchkommt – werden USA-Reisende sich selbst und Dritte, über die sie Daten auf ihren Computern haben, vor Eingriffen der US-Behörden schützen müssen. Das verlangt auch das Schweizer Recht. Gewisse Unternehmen haben damit begonnen, für Auslandsreisen nur noch besondere, gesäuberte Notebooks einzusetzen; auf Daten und Mails wird via Internet zugegriffen.

Andere glauben, ihre Daten am besten auf unauffällig mitgeführten Memorysticks zu schützen. Propagiert wird auch die sichere Datenverschlüsselung. Sie ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, da sie das Misstrauen der US-Behörden schüren und zu Verzögerungen und weiteren Unannehmlichkeiten führen kann. Denn mit einer Beschlagnahmung verschaffen sich die US-Behörden nicht nur Zugang zu den privaten Daten der Reisenden, sondern nehmen diesen auch ihre Arbeitsinstrumente weg: Ein Geschäftsreisender ist ohne sein Notebook oft aufgeschmissen. Den Schaden aufgrund einer Beschlagnahmung wird er wohl selbst tragen müssen – und seine Daten vorher hoffentlich gesichert haben.




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