Gratis-Informationen sind schlechte Ratgeber

Früher – vor dem Internet – früher, da war das Archiv, die unverzichtbare Basis jeder Wissensarbeit. Regale vollgestopft mit Akten und Bibliotheken bildeten das Fundament von Geschäftsanalysen,

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/01

     

Früher – vor dem Internet – früher, da war das Archiv, die unverzichtbare Basis jeder Wissensarbeit. Regale vollgestopft mit Akten und Bibliotheken bildeten das Fundament von Geschäftsanalysen, Wissenschaft und Journalismus. Heute sammelt kaum mehr jemand selber Nachrichten. Es ist ja alles im Netz. Wenn ich etwas wissen will, zücke ich mein iPhone und schon poppt die Antwort auf den Bildschirm.



Informationen für alle

Diese allgegenwärtige Verfügbarkeit jedwelcher Informationen hat unsere Gesellschaft grundlegend verändert. Die archivierten Erkenntnisse sind nicht mehr nur einem kleinen Kreis zugänglich, der Kraft seiner Ausbildung oder Stellung Zugang zu den Wissenstresoren hat. Jeder kann über Google suchen und finden. Viele Webaktivisten sehen denn auch das Internet als Nukleus für die Demokratisierung der ganzen Welt. Nun wissen wir allerdings schon länger, dass in der Realität der schönen neuen Wissensdemokratie aussen vor bleibt, wer keinen schnellen Internet-Zugang hat. Und auch bei denen, die drin sind, lassen sich nach 15 Jahren WWW-Wirklichkeit die gleichen sozialen Unterschiede erkennen wie ehedem. Kinder aus sogenannt bildungsferneren Familien gamen bevorzugt. Die Gymi-Schüler aber lernen, wie sie auch versteckte Quellen finden.


Trotz dieser offensichtlichen digitalen Gräben bleibt aber unbestreitbar, dass heute mehr Menschen Zugang zu unvergleichbar mehr Informationen haben als je zuvor. Alles auf gutem Weg also?


Zensur und PR-Maschinerie

Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Es ist ebenso wahrscheinlich, dass der weitgehend freie Zugang zu Information schon bald nur noch als Zwischenspiel der Geschichte gelten wird. Denn das Internet eignet sich auch bestens, um Menschen gezielt von Informationen auszuschliessen. Das zeigt etwa der aktuelle Zwist zwischen Google und China. Und auch bei uns wird das Finden von Informationen mit dem Hinweis auf Terrorismus, Drogen- oder Pornografiebekämpfung teils massiv eingeschränkt. Es liegt in der Natur solcher Massnahmen (und vor allem in der Natur derjenigen, die sie erlassen), dass sie über die Zeit mehr und nicht weniger werden.


Aber das gezielte Filtern ist sowieso nur das kleinere Übel. Viel schlimmer ist das Potential von grossen Organisationen, missliebige Informationen im Internet entweder auf Plattformen wie Wikipedia direkt schönzufärben oder sie mit einem Wust von Gefälligkeitsmeldungen aus den relevanten Trefferpositionen zu schwemmen. Dies fällt umso leichter, als durch die Gratis-Mentalität immer weniger Medien über die Mittel verfügen, unabhängig zu recherchieren. Platz für undeklarierte PR-Inhalte kann heute selbst in renommierten Publikationen direkt gebucht oder als «objektive» Berichterstattung verpackt an den überarbeiteten Redaktoren vorbei geschleust werden.



Wer bezahlt, bestimmt den Inhalt

Sie finden, das sei ja vielleicht schon wahr und bedauernswert, aber was dies um Gottes Willen mit Unternehmensinformatik zu tun habe? Information Lifecycle Management beginnt mit der Qualität der Informationen, auf deren Grundlage Sie notabene Ihre Geschäftsentscheidungen treffen. Wenn wir nicht bereit sind, für eine unabhängige Berichterstattung zu bezahlen, dann mutiert die grosse Internet-Freiheit zum verlängerten PR-Arm derer, welche die Info-Plattformen mit Werbung bezahlen. Dann untermauern Studien von Industrie-finanzierten Hochschulkompetenzzentren immer kritikloser die Verkaufsargumente der Geldgeber. Genau so wie vor kurzem Rating-Agenturen, die ohne mit der Wimper zu zucken AAA-Bedenkenloszertifikate auf Ramschpapiere geklebt haben. Wer zahlt, befiehlt.


Daniel Meierhans




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