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Editorial

Keine Smartphone-Revolution beim Suchgiganten


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/01

     

Irgendwie bekommt man langsam Schwierigkeiten, bei Google das Kerngeschäft zu identifizieren. Ist das Unternehmen nun der vielzitierte «Search-Primus»? Vielleicht eher ein Cloud-Computing-Anbieter? Etwa gar ein Software-Hersteller? Die oft befürchtete Weltmacht in Form des Grossen Bruders, der über jeden alles weiss? Oder am Ende doch bloss ein Werbevermarkter?


Geld macht Google auf jeden Fall in allererster und wohl praktisch einziger Linie mit dem Verkauf von Online-Werbung. Daran ändert auch der neueste Streich des Hauses kaum etwas, wenn man die ernüchternden Verkaufszahlen des Nexus One betrachtet.


Wie unsere Zusammenfassung der aktuellsten Nachrichten in Sachen Google-Smartphone auf Seite 11 zeigt, verkaufte Google in der ersten Woche nach Verkaufsstart nur einen Bruchteil so viele Einheiten wie Apple weiland beim ersten iPhone – und dies bei einem eigentlich grösseren Markt, denn das iPhone gab es anfänglich ja überhaupt nur in den USA, während das Google-Gerät auch für Kunden in Grossbritannien und in Teilen Asiens zu haben ist.


Ob der Absatz bald signifikant anzieht, ist zumindest zweifelhaft. Die ersten Testberichte sprechen zwar von guter Prozessorleistung, brillantem Bildschirm und so weiter, aber neben Empfangsproblemen wird auch der Mangel an echter Innovation vermerkt. Neue Android-Version hin oder her, das Nexus One bringt keine Revolution. Weder im Grossen – etwas derart Neuartiges wie das iPhone kann es offenbar nicht alle paar Jahre geben – noch im Kleinen: Das Betriebssystem Android gibt es mittlerweile «schon länger», und Version 2.1 bringt keine weltverändernden Neuerungen.


Insgesamt bedeutet dies wenig Kaufanreiz in einem Markt, der von Modellen ohnehin schon förmlich überquillt – trotz nachträglicher Preissenkung um satte 100 Dollar beziehungsweise rund 26 Prozent. Das Nexus One macht insgesamt halt einfach zu sehr einen Me-too-Eindruck und verbreitet statt Glamour eher Biederkeit.


Ob daran die Wahl des Hardware-Herstellers schuld ist? HTC hat ja lange Jahre fast sämtliche Windows-Mobile-Geräte produziert, also Equipment für eine Klientel, die eher Wert auf geschäftsmässige Zuverlässigkeit als sensationelle Neuerungen legt. Von HTC stammten auch die ersten Android-Phones überhaupt. Punkto Anmutung unterscheidet sich das Nexus One nicht wirklich vom G1 oder G2. Man könnte fast auf die Idee kommen, dass einfach das Google-Betriebssystem auf einer beliebigen Smartphone-Hardware neueren Datums implementiert wurde, ohne die Hardware und Software wirklich total aufeinander abzustimmen – was ja anerkanntermassen das grosse Plus des iPhone ist.


Sei’s drum: Es gibt jetzt ein Google-Telefon, und es wird kaum das letzte Modell sein. Für Google dürfte die eigene Smartphone-Linie vor allem ein weiteres Bauelement in der Strategie bedeuten, den Online-Werbemarkt nicht nur auf dem Desktop, sondern auch auf dem Mobiltelefon in Beschlag zu nehmen. Zwar wurde auch schon geäussert, Google schneide sich in dieser Hinsicht ins eigene Fleisch, weil ein Smartphone mit Google-Label andere Hersteller von der Nutzung der Android-Plattform abhalten könnte. Dieses Argument erscheint jedoch wenig stichhaltig, denn Konkurrenz soll ja bekanntlich den Markt beleben. Ganz abgesehen davon: Jedes zusätzliche Android-Modell hebt den Markanteil der Plattform potentiell an und damit auch Googles Möglichkeiten, Werbung mit spezifischen Apps und In-App-Advertising zu vermarkten.

Urs Binder

(ubi)


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