Bei Variosystems kehrt Transparenz ein
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/12
Variosystems unterhält weltweit verschiedene Fertigungsstätten, neben dem Stammsitz in der Schweiz in den USA, in Sri Lanka und in China. Erklärtes Ziel von CIO André Bättig war die Einführung eines ERP-Systems, das die notwendige Transparenz für eine werksübergreifende Kapazitäts- und Produktionsplanung einschliesslich eines zentralen Einkaufs herstellen kann.
Wesentliche Kriterien für die neue Lösung waren Skalierbarkeit und Mehrsprachigkeit, sie musste mandantenfähig sein und neben dem Waren- auch den Wertefluss abbilden. Zur Evaluation der geeigneten Lösung stellte André Bättig die Weiterentwicklung des bisherigen ERP-Systems dem SAP-System gegenüber. «Der Vorteil dabei war, dass entweder das Unternehmen die Erfahrung mit dem bisherigen System hatte oder ich die SAP-Erfahrung mitbrachte», erklärt der Variosystems-CIO. «Ein uns unbekanntes System wollten wir aus Zeit- und Kostengründen vermeiden.»
Die Entscheidung fiel nach einer eingehenden Analyse für das SAP-System. Eine wichtige Rolle spielten dabei auch Referenzen, die André Bättig über das weiterentwickelte bisherige ERP-System einholte: «Insgesamt haben die Referenzgespräche und Besuche unseren Eindruck bestätigt.»
Um den richtigen SAP-Partner zu finden, startete André Bättig mit der Suche auf der SAP-Homepage nach Systemhäusern mit entsprechenden Branchenkenntnissen und Projekterfahrung. Acht Anbieter kamen so in die Vorselektion, die das Team um den CIO anhand einer Präferenzmatrix und Nutzwertanalyse bewertete. Subjektive Einflüsse schloss André Bättig aus, indem er verschiedene Personen im Unternehmen an der Bewertung beteiligte und aus dem Rücklauf eine gewichtete Präferenzmatrix erstellte. «Wir konnten so eine weitgehend objektive Nutzwertanalyse erstellen», erklärt der CIO.
Drei Systemhäuser kamen auf die Shortlist und wurden eingeladen, anhand eines konkreten Geschäftsfalls ihren Lösungsvorschlag zu präsentieren. Dazu übermittelte Variosystems Arbeitspläne und Stücklisten für eine komplexe Baugruppe und lud die Systemhäuser zu je einer ganztägigen Lösungspräsentation ein. An diesen drei Tagen war die gesamte Geschäftsleitung anwesend. «Die Präsentationen waren sehr spannend», erinnert sich André Bättig. «Alle hatten ja das gleiche Problem zu lösen, aber die Vorgehensweise war vollkommen unterschiedlich.» Schliesslich entschied sich das Variosystems-Management für Resource. «Da hat einfach alles gestimmt», sagt André Bättig, «das Projektteam und die Fach- und Sozialkompetenz. Oder kurz gesagt: Die Leute kannten sich aus und die Chemie stimmte.»
Schon in der Evaluationsphase hatte der CIO intensive Gespräche mit den Fachabteilungen geführt, um deren Anforderungen zu verstehen. In dem er die Betroffenen zu Beteiligten machte, holte er die für eine erfolgreiche Umsetzung des Projektes wichtigen Key User an Bord. «Gute Key User sind extrem wichtig», sagt André Bättig. «Dank ihrer Hilfe konnten wir in der Vorbereitungs- und Umsetzungsphase das SAP-System so richtig ausreizen und feintunen.»
Heute arbeiten 160 User an vier internationalen Standorten mit der SAP-Lösung. Sie werden von der Schweiz aus von nur zwei Personen betreut. Wesentliche Verbesserungen ergaben sich im Lagerbereich. Durch den Einsatz mobiler Datenerfassungsgeräte werden Waren jetzt korrekt erfasst und eingelagert. Die Fehlerquote hat sich fast auf null reduziert. Bei der Kommissionierung der Fertigungsaufträge optimiert das System den Weg, so dass die Mitarbeiter auf einem Weg alle benötigten Waren sammeln können.
Noch wichtiger für Variosystems ist aber, dass jetzt eine vorausschauende Kapazitätsplanung über alle Werke möglich ist. «Wir können sogar sofort sehen, in welchem Werk die Fertigung eines Auftrages am kostengünstigsten wäre, weil unser System alle Parameter einschliesslich der Transportkosten kennt», sagt André Bättig.
Anfangs basierten derartige Entscheidungen vor allem auf der Erfahrung der Disponenten. Mittels der Informationen aus dem SAP-System plant die Disposition jetzt werksübergreifend: Es ist zu jedem Zeitpunkt klar, was wo am Lager vorhanden ist, welche Fertigungsaufträge freigegeben werden können, welche nicht. «Das war vor der SAP-Einführung viel schwieriger», bestätigt André Bättig. «Es gab eine Reihe von Insellösungen auf Excel-Basis. Die waren zwar leistungsfähig, kosteten aber viel Zeit.»
Heute plant die Disposition 15 Tage voraus. Wurde früher noch jeder einzelne Fertigungsauftrag einzeln kommissioniert und dann eine Palette voll Material nach Sri Lanka geschickt, wird heute der vollständige Materialbedarf für alle Aufträge zusammengefasst. Es gibt nur noch eine Rüstliste und die jetzt ausgehende Lieferung an das Werk in Sri Lanka beispielsweise dient dort quasi als mobiles Lager für die Fertigung.
In Sri Lanka findet dann die Vereinzelung der Lieferung auf die Fertigungsaufträge statt. Das Werk in Sri Lanka hat ebenfalls Zugriff auf die Fertigungsaufträge und deren Stücklisten im SAP-System. Über das System gibt das Stammhaus in der Schweiz auch die Prioritäten für die Reihenfolge in der Fertigung vor. Die Arbeitspläne sind jetzt für alle Beteiligten sehr transparent. Dadurch kann das Werk heute auch Feedback geben, ob die Arbeitspläne realistisch sind oder angepasst werden müssen. So findet eine fortwährende Optimierung statt, die sich auch in der (Nach-)Kalkulation auswirkt. Die korrekten Kosten für einen Fertigungsauftrag sind nun immer bekannt, und zwar schon bei Abschluss des Auftrages. «Diese schnelle Kommunikation und Optimierung über das SAP-System war früher undenkbar», sagt André Bättig. «Es hat länger gedauert und die Daten waren weniger aussagekräftig.»
Diese Transparenz bringt auch dem Verkauf für die Angebotskalkulation ganz neue Möglichkeiten. Da jetzt die Kostenstruktur sehr genau bekannt ist und mit dem Abschluss eines Auftrages auch dessen Nachkalkulation abgeschlossen ist, hat die Vertriebsabteilung eine sehr sichere Grundlage für die Kalkulation. «Wir haben hier die Optimierung schon ziemlich weit vorangetrieben», freut sich der CIO.
Das Variosystems-Management schätzt vor allem die Verdichtung der Betriebsdaten auf den verschiedenen Ebenen des Führungscockpits. Hier werden alle Kennzahlen in Echtzeit angezeigt. Mit einer bisher nicht gekannten Schnelligkeit kann das Management verschiedene Sichten anzeigen lassen und sich bei Informationsbedarf bis auf den Einzelbeleg ‚durchklicken‘.
Fragt man André Bättig, welche Tipps er einem Anwender in einer ähnlichen Situation wie Variosystems geben würde, so kommt spontan die Antwort: «Standards einhalten und keine neuen Prozesse erfinden. Stattdessen die Standards lieber ausreizen.» Und: «Die Einführung in zwei Phasen durchziehen. In Phase 1, was wirklich zum ‚going live‘ benötigt wird, und in Phase 2, was später erst benötigt wird.» Dazu braucht es die Bereitschaft, wirklich die besten Leute in das Projekt zu geben und ihnen die nötigen Freiräume zu schaffen. «Es ist wirklich viel Arbeit», sinniert André Bättig, «aber mit den richtigen Leuten und dem richtigen SAP-Partner macht das sogar Spass.»
Variosystems AG
Variosystems gehört zu den grössten Elektronik-Dienstleistern (EMS) in privatem Besitz weltweit. Das Unternehmen bietet Komplettlösungen von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Gerätebau. Mit weltweit über 515 Mitarbeitern in modernst eingerichteten Produktionsstätten realisiert Variosystems gesamtheitliche Supply Chain Lösungen, ungeachtet der Grösse unddes Umfangs eines Projektes.