Dead Letter?
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/12
«Dead letter» betitelte der «Economist» einen Artikel in seiner Ausgabe vom 29. Oktober 2009 und adressierte darin die sinkenden Volumen der physischen Briefsendungen, illustriert mit dem drastischen Beispiel der US-Post, die im 2009 bis September 14 Prozent weniger Briefe als im Vorjahr spedierte - das entspricht 28 Milliarden Einzelbriefen.
Verschärft durch die Wirtschaftskrise registrieren die meisten Postunternehmungen dieses Jahr einen deutlich höheren Rückgang der Brief-Volumen als in den vergangenen Jahren. Erleidet der Brief das gleiche Schicksal wie der Telex, das Telegramm und bald auch der Fax? Und wie soll die Post auf die Bedrohung eines ihrer Kerngeschäfte reagieren?
Pflicht ist, mindestens im Gleichschritt mit den schrumpfenden Erträgen und Margen die Kosten zu reduzieren und mit anderen, neuen Geschäften die Lücke zu (über-)kompensieren. Kür wäre, den evidenten Paradigmenwechsel auch im Kerngeschäft selbst unter Nutzung der neuen Technologien konsequent mitzugehen und neues Wachstum zu generieren.
Wandel erfolgreich bewältigen
Gelingt das der Post im Kommunikationsmarkt der Zukunft? Tiefgreifende, technologiegetriebene Wandel in Industrien und Branchen sind immer gewaltige Herausforderungen für die alteingesessenen Marktleader. Einige ihrer über Jahrzehnte aufgebauten und perfektionierten Erfolgsfaktoren werden unter den neuen Rahmenbedingungen wertlos. Das geforderte radikale Umdenken fällt rational und emotional nicht leicht.
Auch die Post wird diesen Wandel erleben und ich bin überzeugt, dass sie ihn erfolgreich bewältigen wird. Denn nicht nur für die physische, sondern auch für die virtuelle Kommunikationswelt bringt die Post einzigartige Voraussetzungen mit: Materielles Vermögen wie beispielsweise die nationalen Adressdaten oder das flächendeckende Zugangsnetz und ideelles Vermögen wie Vertrauenswürdigkeit, Neutralität und Sicherheit.
Noch stecken manche E-Lösungen nach den Regeln der physischen Welt in den Kinderschuhen: Identität und Identifikation, Signatur und Rechtsverbindlichkeit, Datensicherheit und Datenschutz, Hybridlösungen, Dokumentenmanagement, Permission Marketing etc. Die Post kann für Bürger und Konsumenten, für Privat- und Geschäftskunden Brücken bauen zwischen der physischen und virtuellen Kommunikationswelt. Und sie will und wird bei der sicheren Entwicklung dieser Angebote eine wichtige Rolle spielen.
Sie hat auch die Zeit dazu, weil der physische Brief - wenn überhaupt - nicht so rasch sterben wird, wie es einige Auguren prophezeien. Ich werde jedenfalls meine Weihnachtswünsche nicht elektronisch senden.