Präsenz ist ganz zentral
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/12
Zu Hause arbeiten und dennoch dieselben Voraussetzungen haben wie im Büro: Studien zum Thema Arbeitsplatz sagen voraus, dass Unternehmen zunehmend auf Heimarbeitsplätze setzen. Immer mehr Mitarbeiter nutzen ein Home Office oder arbeiten unterwegs. Der Zugang zu allen Formen der Kommunikation zu jeder Zeit und von jedem Ort aus wird dabei entscheidend für den Unternehmenserfolg. Diese Bedürfnisse werden durch Unified-Communication- und Collaboration-Lösungen abgedeckt. Was vor zwei Jahren noch Hype war, wird zum Trend – und der scheint ungebrochen.
Zudem drängt die Xing-, Facebook-, Youtube-Generation auf den Arbeitsmarkt und erwartet einen modernen Arbeitsplatz, der ihre Anforderungen auch in Hinsicht auf innovative Technologien erfüllt. Diese Menschen wollen geeignete und zuverlässige Kommunikationstechnologien nutzen. Oftmals müssen dabei in einem Unternehmen mehrere Lösungen kombiniert werden, um die unterschiedlichen Rollen mit den verschiedenartigsten Anforderungen an die Kommunikation zufriedenstellen zu können. Dies macht die Wahl der richtigen Lösung nicht immer leicht und bedingt zu Beginn eine ganzheitliche Betrachtung der Geschäftsprozesse, der Menschen in ihren Rollen und ihrem Kommunikationsverhalten. Erst danach macht es überhaupt Sinn, über die einzusetzenden Technologien zu debattieren.
Neben der Integration aller Kommunikationsarten in eine Plattform bildet vor allem die Präsenzfunktion das starke Merkmal von UCC-Lösungen. Mit den Informationen über seine aktuelle Präsenz wird der Mensch transparent in seinem Tun und Handeln.
Sehen wir heute in der Präsenzinformation, dass eine Person an- oder abwesend, in einem Meeting oder am Telefonieren ist, so werden morgen bereits zusätzliche Informationen zur Verfügung stehen, zum Beispiel welche Fachgebiete die Person betreut. Sucht man also in Zukunft einen Mitarbeitenden, der Know-how im Obligationenrecht hat, konsultiert man einfach die Kontaktliste, sortiert nach Fachgebiet, und schon werden die passenden Kollegen angezeigt.
Oder man könnte sich vorstellen, dass bei einem Call-Center die unsichtbaren Warteschlangen und die Ansage «Im Moment sind alle Agenten besetzt …» durch eine visuelle Darstellung entschärft werden, indem die Präsenzinformation der Agenten auf einem Anrufportal angezeigt wird. Der Anrufer kann dann selbst entscheiden, ob sein Anliegen wichtig ist und er sich in die Warteschlange einreihen will, oder ob er lieber später bei weniger Andrang nochmals anrufen sollte.
Der Mensch bekommt damit mehr Power – im positiven wie im negativen Sinn. Zum einen ist die bessere Erreichbarkeit sicher ein Vorteil und steigert die Effizienz. Immer erreichbar sein zu müssen, kann dem Menschen aber auch zu viel Druck auferlegen. In diesem Dilemma braucht der Mensch klare Leitlinien. Mit einem E-Mail-Knigge, dass am Sonntag keine E-Mails verschickt werden dürfen, ist es sicher noch nicht getan. Vielmehr werden Anforderungen von verschiedenen Benutzerprofilen zu berücksichtigen sein.
Zuerst gilt es, die Geschäftsprozesse auf die notwendigen Kommunikationsbedürfnisse hin zu analysieren. Danach werden die Menschen ermittelt, die innerhalb dieses Geschäftsprozesses ihren Beitrag leisten, ihre Rollen definiert und die passenden Kommunikationskanäle festgelegt. Auf diese Weise sollten die beteiligten Mitarbeiter in maximal sieben Profilen gruppiert werden.
Dahinter verbirgt sich auch das Arbeitsmodell beziehungsweise die Frage, ob eine Person einen fixen Arbeitsplatz hat, oder ob sie auch zu Hause oder unterwegs die Geschäftskommunikation braucht. Beispielsweise benötigt ein Benutzer mit dem Profil «Mobile Worker» eine UCC-Lösung, die am Arbeitsplatz, unterwegs beim Kunden sowie im Home Office verfügbar ist.
In der modernen Welt, wo die Grenzen zwischen Privat und Geschäft immer fliessender werden, braucht der Benutzer zusätzliche Funktionen, die es ihm erlauben, sich aus dem Arbeitsprozess auszuklinken, ohne dass er ständig von geschäftlichen Anrufen, E-Mails und so weiter gestört wird. Hat er beispielsweise seinen Status auf «Privat» gesetzt, kommen keine geschäftlichen Anrufe, E-Mails oder Kurznachrichten mehr auf seine Endgeräte. Ist er in den Ferien, übernimmt sein Stellvertreter die Geschäftskommunikation.
Mit diesem «Power-Shift» rückt der Mensch automatisch in den Mittelpunkt. Ein UCC-Projekt lässt sich nicht mehr nach dem altgedienten Schema einer Infrastrukturbeschaffung durchführen. Denn die Bedürfnisse sind oft vielschichtig und nicht unbedingt auf den ers-ten Blick erkennbar. Ein Tischtelefonapparat, der an einem physikalischen Port hängt, muss nicht zwingend durch einen neuen mit vielleicht etwas schönerem Farbdisplay ersetzt werden. Bei den Personen, die an einem PC-Arbeitsplatz arbeiten, kann die Funktion «Telefonieren» gleich als Applikation integriert werden. Oder der Telefax kann durch E-Mail ersetzt werden. Diese einfachen Beispiele zeigen auf, dass so ein Projekt nicht mehr rein aus der IT- oder der Telecom-Abteilung getrieben werden kann. Ein UCC-Projekt braucht hohe Management-Attention und ein disziplinenübergreifendes Team, das die Möglichkeiten der Technologie kennt und die verschiedenen Bedürfnisse einbringt. Und dann beginnt die Kunst, diese Bedürfnisse in Anforderungen an einen Lieferanten zu übersetzen.
Ein Beispiel aus der Praxis: «Ich möchte ungestört arbeiten» wird herkömmlich mit dem Leistungsmerkmal «Ruhe vor dem Telefon» ausgeschrieben. In der UCC-Welt wird diese Anforderung durch die Präsenzfunktion abgedeckt, indem man seinen Status auf «Nicht stören» stellen kann. Dieses Umdenken hat vor allem in der Consulting-Branche noch nicht überall stattgefunden. Die Pflichtenhefte sind oft noch überfüllt mit Leistungsmerkmalen aus der guten alten Telefonie. Ein «Rückruf bei besetzt» wird nicht mehr die Liste der Leis-tungsmerkmale im Anforderungskatalog anführen, sondern bald durch «Benachrichtigung bei Statusänderung» ersetzt.
Durchsetzen wird sich UCC aber nur, wenn es dem Business einen echten Nutzen bringt. Im Rollout sind deshalb geeignete Messmethoden und Einführungsprogramme erforderlich. Vor allem der Power-Shift bedingt eine aktive Begleitung der Benutzer beim Ändern ihres Kommunikationsverhaltens. Damit die Präsenzinformation eine Wirkung für eine bessere Erreichbarkeit erzielt, ist beispielsweise das Pflegen der eigenen Agenda Pflicht. Und dass Arbeitskollegen, Partner und sogar Kunden wissen, ob ich anwesend, beschäftigt oder irgendwo in einer Besprechung bin, braucht erstmals ein wenig Gewöhnungszeit.
Allerdings haben die bisher umgesetzten Projekte gezeigt, dass sich die UCC-Benutzer nur selten die Vergangenheit zurückwünschen. Denn diese neue Kultur wird von den Kommunikationspartnern als offener und kundenorientierter beurteilt – und dieses Feedback schätzen doch alle Menschen.