Vertragsresistenz in der Informatik
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/10
Ein Vertrag bildet die Grundlage eines IT-Projekts. Im Rahmen der Erstellung des Vertrages definieren die Parteien die Ziele und überlegen sich das Projekt und dessen Organisation im Voraus. Zum Vertrag gehören denn auch nicht nur dessen Gegenstand (zum Beispiel Hardware-Lieferung, Software-Lizenz) und der Preis, sondern auch die personelle Projektorganisation sowie eine Übersicht der zu erreichenden Projektfortschritte, den sogenannten Milestones des Projekts.
Bei Projektbeginn scheint den Parteien oftmals völlig klar zu sein, was das Ziel des Projekts ist und wer was wann zu tun hat. Regelmässig ist dies dann im Laufe des Projektes aber nicht mehr so. Gute schriftliche Verträge dienen den Parteien in einer solchen Situation zur Orientierung. Wenn eine Frage schwarz auf weiss geregelt ist, wird es darüber auch keine Diskussionen geben. Damit wirkt ein schriftlicher Vertrag streitpräventiv und schont die Nerven sowie das Portemonnaie der Projektbeteiligten.
Haben die Parteien im Rahmen eines schriftlichen Vertrages sogenannte Milestones vereinbart, ist es jederzeit möglich, den Fortschritt des Projekts und dessen Kostenfolgen zu kontrollieren. Zudem wird ein seriöses IT-Projekt sowohl zum Schutz des Auftragnehmers, wie auch des Auftraggebers, vor der Übergabe auf die Funktionsfähigkeit überprüft. Dies ist nur möglich, wenn zu Beginn des Projekts die Funktionen definiert wurden. Auch das geschieht am besten im Rahmen eines schriftlichen Vertrages respektive in dessen Anhang. Damit dient der schriftliche Vertrag der Projektkontrolle während des Projekts und nach dessen Abschluss.
Auch wenn ein Aufragnehmer seine Arbeit detailliert protokolliert, reicht dies oftmals nicht, eine Forderung gegen den Kunden auf dem Betreibungs- oder Gerichtsweg durchzusetzen. Die Protokolle belegen zwar, dass etwas gearbeitet wurde, für den Richter ist damit jedoch nicht klar, ob diese Leistung vom Kunden auch wirklich bestellt wurde. Nur eine lückenlose Kette von schriftlichem Auftrag respektive Vertrag und detaillierter Protokollierung der Arbeiten erbringt den notwendigen Beweis zur Durchsetzung von Forderungen aus IT-Projekten.
Inhaltlich können die Vertragsparteien gemäss dem obligationenrechtlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit grundsätzlich vereinbaren, was sie wollen. Das Recht schränkt die Vertragsfreiheit insofern ein, als der Vertragsinhalt nicht widerrechtlich, objektiv unmöglich und nicht unsittlich sein darf. Dass ein Vertragsinhalt rechtlich ungültig ist, ist in der Praxis aber äusserst selten.
Je nach Wichtigkeit und Budget eines IT-Projekts sollte für die Gestaltung des Projektvertrages ein im IT-Recht spezialisierter Rechtsanwalt beigezogen werden. Eine gute Grundlage bilden auch Musterverträge. Im Bereich IT haben sich insbesondere die Musterverträge von Swico bewährt, dem Schweizerischen Wirtschaftsverband der Anbieter von Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik. Auf keinen Fall dürfen diese aber einfach so übernommen werden, sondern müssen dem konkreten Projekt angepasst werden.
Die in der Informatik gebräuchlichen Vertragstypen können allesamt formlos, also insbesondere auch mündlich, und somit auch über das Internet abgeschlossen werden; und zwar ohne qualifizierte digitale Signatur. Trotzdem empfiehlt es sich, Verträge schriftlich abzuschliessen, damit jedem Vertragspartner auch später noch klar ist, was vereinbart wurde. Zudem ist die Vereinbarung so einfach beweisbar.
Wenn ein Unternehmen sich mit individuellen Verträgen schwertut und beispielsweise Ver-träge lieber mittels Auftragsbestätigungen abschliesst, empfiehlt es sich, mindestens allge-meine Geschäftsbedingungen (AGB) zur Anwendung zu bringen. Diese dienen vorab der Rationalisierung. Sie bilden gleichzeitig aber auch Checklisten. Man muss sich nicht immer von neuem überlegen, was man vertraglich regeln soll. Und schliesslich setzt sich oft derjenige mit seinen Vertragsbedingungen durch, der diese in AGB gefasst hat, da sich die Vertragspartner eher nicht getrauen, Änderungen der AGB zu verlangen. Ausserordentlich wichtig ist bei AGB, dass diese vom Vertragspartner zur Kenntnis genommen werden können, damit sie auch gültig sind, und dass sie dem Vertragspartner rechtzeitig präsentiert werden. Am besten werden AGB der Offerte beigelegt, spätestens jedoch der Auftragsbestätigung. AGB müssen klar formuliert sein und dürfen für den Vertragspartner keine ungewöhnlichen Pflichten enthalten. Auch dürfen sie von der gesetzlichen Regelung nicht erheblich abweichen und die Rechte und Pflichten zwischen den Parteien müssen ausgeglichen sein.
Gerichtliche Auseinandersetzungen sind in jedem Fall kostspielig. Besonders teuer wird es aber, wenn an einem anderen Ort als dem eigenen Sitz prozessiert werden muss, insbesondere wenn der Prozess in einem anderen Sprachgebiet oder gar im Ausland geführt wird. In diesem Fall zieht der eigene Rechtsanwalt in der Regel am Gerichtsort einen sogenannten Korrespondenzanwalt zu, der den Prozess gemäss Instruktion vor Ort führt. Ausserdem kommt dazu, dass man in einem solchen Fall wohl nicht darum herumkommt, auch selber als Kläger oder Beklagter an den fremden Gerichtsort zu reisen. Daher ist es sehr wichtig, immer darauf bedacht zu sein, in Verträgen den Gerichtsstand am Ort des eigenen Sitzes zu wählen. In geschäftlichen Verträgen kann der Gerichtsstand auch im internationalen Verhältnis in der Regel frei bestimmt werden. In Konsumentenverträgen ist dies jedoch in der Regel nicht möglich. Der Konsument kann immer an seinem eigenen Wohnsitz klagen und kann auch verlangen, dass er dort beklagt wird. Aus Sicht eines Unternehmens ist es jedoch auch im Verhältnis zum Konsumenten ratsam, den Gerichtsstand am Ort des eigenen Sitzes zu wählen.
Da ein Gericht das eigene Recht am besten kennt, sollte mit dem Gerichtsstand auch gleich das Recht des Gerichtsortes als auf den Vertrag anwendbares Recht vereinbart werden. Will man in internationalen Verträgen mit kaufrechtlichen Elementen das sogenannte Wiener Kaufrecht nicht zur Anwendung kommen lassen, muss dieses bei der Vereinbarung von schweizerischem Recht explizit ausgeschlossen werden.
Rechtliche Probleme rechtzeitig erkennen und wenn nötig fachliche Beratung beiziehen, spart auch in der Informatik Nerven, Zeit und Geld. In einer neuen Serie «Informatikrecht für die Praxis» führt Rechtsanwalt Ueli Grüter in 13 Folgen kurz und verständlich durch die rechtlichen Grundlagen in der Informatik und zeigt die rechtlichen Stolpersteine. Mit der letzten Folge erscheint die Serie dann auch als E-Book. Zudem steht Rechtsanwalt Ueli Grüter den Leserinnen und Lesern des Swiss IT Magazine für kurze Fragen zu Informatik und Recht auch unter informatikrecht@gsplaw.ch und 043 430 32 70 unentgeltlich zur Verfügung. Fragen von allgemeinem Interesse werden in anonymisierter Form publiziert.
In unserem Unternehmen setzen wir SAP als zentrale ERP-Software ein. Wir haben ein eigenes Team, das die SAP-Module betreut. Wenn es jedoch um Ergänzungen ausserhalb des SAP-Standards geht, werden solche Programmierungen an verschiedene externe Firmen übertragen. Diese Programme sind grundsätzlich eigenständige Programme, die über eine Schnittstelle mit dem SAP-System kommunizieren. Für uns stellt sich die Frage, was unternommen werden muss, damit die Rechte dieser Software-Entwicklungen an unsere Firma übergehen. Welche Rechte greifen, wenn keine diesbezüglichen Abmachungen bezüglich dem Recht an Software spezifiziert wurden?
Wenn Sie extern Software entwickeln lassen und diesbezüglich mit Ihren Auftragnehmern nichts vereinbaren, erhalten Sie nach der sogenannten Zweckübertragungstheorie lediglich ein Nutzungsrecht an der nämlichen Software, und dies möglicherweise nur während der Geschäftsbeziehung mit dem Softwareentwickler. Es wäre darum ausserordentlich wichtig, dass Sie mit Ihren Auftragnehmern einen Vertrag abschliessen, in dem explizit geregelt wird, dass alle Rechte an der Software an Ihr Unternehmen übergehen. Es kann natürlich sein, dass der Softwareentwickler dies nicht will. Da kommt es dann auf die Marktmacht an.