«Wir decken alle Kernkompetenzen intern ab»
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/10
Urs Luginbühl, CIO bei Swiss TXT über die Organisation der IT, multimediale Dienste und aktuelle Probleme im Zusammenhang mit dem Wachstum des Unternehmens.
Swiss IT Magazine: Herr Luginbühl, Sie haben schon im Vorfeld dieses Gesprächs betont, Ihr Unternehmen sei ein Bisschen speziell, was die IT betrifft. Wie ist dies zu verstehen?
Swiss TXT ist einerseits IT-Dienstleister, auf der anderen Seite benötigen wir selbst natürlich auch IT, um diese Services zu erbringen. Das Besondere bei uns ist, dass das Geschäftsfeld der IT-Dienstleistungen aus dem ursprünglichen Kernbusiness gewachsen ist: Wir bewirtschaften seit 25 Jahren als -Verleger, Inhaltsaggregator, Vermarkter und technischer Betreiber den Teletext der SRG-Fernsehprogramme und konnten uns so -Kom-petenzen in ganz unterschiedlichen Aktivitätsbereichen erarbeiten. Dieses Kernbusiness pflegen wir nach wie vor, treiben aber auch neuere Technologien wie Online und Mobile voran.
Wie hat sich die IT in diesem Kontext entwickelt?
Bis vor vier Jahren waren wir eine konventionell organisierte Firma mit Abteilungen für Marketing, Verkauf, unterstützende Prozesse wie Back Office und eben IT. Dann gab es Überlegungen, ob es den Teletext überhaupt noch braucht und ob die Firma mit Swissinfo zusammengelegt werden soll. Das ist aber nicht geschehen. Stattdessen haben wir eine neue Strategie entwickelt und Swiss TXT als Multimedia-Kompetenzzentrum der SRG aufgestellt, und zwar sowohl für das Marketing als auch für das Engineering der Multimedia-Dienste. Aus der ehemaligen IT-Abteilung wurde so der heutige Bereich Multimedia Solutions, also eine eigenständige Sparte mit eigenem Marketing und Verkauf, das parallel zur Marketing-Abteilung des Gesamtunternehmens existiert. Das könnte man als Doppelspurigkeit sehen – aber unser Geschäft bei Multimedia Solutions ist im Wesentlichen ein IT-Business. Wir müssen uns somit anders verkaufen als zum Beispiel die Sparte Crossmedia Communication mit dem Teletext.
Erbringt Multimedia Solutions heute nur noch die IT-Dienstleistungen für die externen Kunden?
Nein, wir tragen gewissermassen mehrere Hüte: Multimedia Solutions sorgt nach wie vor für die ganz normale interne IT und deckt Bereiche wie Office und Exchange, aber auch Business-Systeme von der Zeit- und Leistungserfassung bis zu SAP im Finanz- und HR-Umfeld ab.
Als zweites und zentrales Element erledigt Multimedia Solutions natürlich alle IT-Aktivitäten, die wir benötigen, um unsere externen Kunden mit Dienstleistungen wie Playout-Services und Entwicklung von Web- und Mobilanwendungen zu versorgen.
Drittens haben wir den Auftrag, die anderen Geschäftsfelder von Swiss TXT – Content Providing und Crossmedia Communication – bestmöglich zu unterstützen. Wir sprechen hier von Themen wie Content Aggregation, Syndication über Software wie Advertising-Tools und Ähnlichem. Auch in diesen Bereichen suchen wir immer nach neuen Möglichkeiten und Synergien. Die Entwicklung von Anwendungen für Mobilgeräte ist zum Beispiel eng mit dem Geschäftsbereich Crossmedia Communication verknüpft.
Wie ist Ihre Sparte organisiert?
Als ich vor fünfeinhalb Jahren in die Firma eingetreten bin, waren wir rund zehn Leute. Die Aufgaben waren ähnlich breit angelegt wie heute. Wir haben Eigenentwicklungen gemacht und waren für den Betrieb von rund hundert Servern zuständig – und das war damals schon anspruchsvoll, denn Teletext ist ja auf hochverfügbare Systeme angewiesen. Kein Schweizer würde es verstehen, wenn auf seinem Fernseher plötzlich keine Teletext-Seiten mehr erscheinen würden.
Heute sind wir 28 Mitarbeitende, und bis Ende Jahr soll der Bestand auf 30 aufgestockt werden. Rund die Hälfte der Belegschaft sind als Entwickler und Projektleiter tätig und wickeln Kundenprojekte in den Bereichen Mobile, Web und Playout ab. Vor allem der Playout-Bereich wurde in letzter Zeit stark ausgebaut und beschäftigt nun über 10 Personen. Es geht darum, Video- und Audioinhalte, die unsere Kunden liefern, ab den Servern in unserem Rechenzentrum ins weltweite Web zu streamen. Dazu haben wir ein Multimedia Playout Center (MPC) aufgebaut.
Was hat man sich darunter vorzustellen?
Die Webserver der Kunden stehen bei uns im Rechenzentrum. Wir bieten unter anderem das Servermanagement als Dienstleistung an – allerdings nur bis zum Betriebssystem hin, um die Applikationen kümmern sich die Kunden selbst. Die Anbindung der Kundenserver ans Internet erfolgt über eine Shared-Infrastruktur mit Multi-Homing zu zwei Internet-Serviceprovidern mit jeweils zwei redundant konfigurierten Leitungen.
Für die Speicherung und Archivierung der Inhalte haben wir zudem eine hierarchische Storage-Infrastruktur aufgebaut, inklusive Anbindung an die Caching-Server eines CDN-Providers (Content Delivery Network) – wir arbeiten hier mit dem bekannten Anbieter Akamai zusammen. Der Kunde kann so im Detail bestimmen, welche Inhalte wo abgelegt werden. Davon hängt auch die Antwortzeit ab, mit der die Inhalte zum Web-Nutzer gelangen. Wir haben hier einen Weg gefunden, um auch dann vernünftige Antwortzeiten zu garantieren, wenn die Inhalte aus dem kostengüns-tigen Nearline-Storage abgerufen werden. Das ist ein Mehrwert, den das MPC den Kunden bietet.
In welchem Stadium steht dieses Projekt?
Das Multimedia Playout Center ist fertig aufgebaut. Die Inhalte des Schweizer Fernsehens SF und der DRS- und RSI-Radiostationen werden bereits produktiv über das MPC an die Web-Nutzer ausgeliefert. Die Radiosender TSR und RSR werden demnächst folgen, und wir nehmen natürlich auch gerne weitere Kunden ausserhalb der SRG auf.
Zurück zur Organisation der IT: Erledigen Sie alle Aufgaben selbst, oder nutzen Sie auch Outsourcing?
Es ist unsere Grundhaltung, alle Kernkompetenzen, mit denen wir den Kunden Added Value bieten, mit internen Kräften abzudecken. Ein Beispiel ist das Load Balancing für die Playout-Dienste: Es ist überhaupt kein Thema, dieses sehr spezifische Know-how extern zu beziehen. Wir müssen hier hohe Kundenanforderungen erfüllen, und es muss immer reibungslos funktionieren. Dazu brauchen wir zwingend internes Know-how.
Alles, was wir nicht mit grossem Volumen betreiben oder was nicht zu den Kernkompetenzen gehört, kaufen wir dagegen extern ein – wir arbeiten mit einem strategischen Partner zusammen, dem wir vertrauen. Auch bei den allgemeinen IT-Systemen setzen wir auf Outsourcing. Exchange zum Beispiel betreiben wir zusammen mit der SRG, und Ähnliches gilt für die Business-Systeme wie SAP. Wir wollen schliesslich keine SAP-Experten werden.
Es gibt auch Themen, deren Gewichtung sich mit der Zeit ändert. Wir waren zum Beispiel lange der Meinung, dass wir keine iPhone-Anwendungen entwickeln sollten, weil dies unserer Philosophie widerspricht, möglichst geräteunabhängig zu arbeiten und hohe Reichweiten zu erzielen. Erst mit der Zeit haben wir erkannt, dass das ein sehr gefragter Markt ist, den man mit internen Ressourcen abdecken sollte.
Swiss ITXT bietet ziemlich spezifische Dienstleistungen in personell weniger gängigen Bereichen der IT. Haben Sie Mühe, dafür gute Fachleute zu finden?
Es ist extrem schwierig, gute Leute mit Spezial-kenntnissen in Themen wie Video und Audio zu finden. Es gibt nicht viele Entwickler, die sich hier auskennen. Wir suchen deshalb ausbildungswillige Leute und bauen das Know-how selber auf. Dabei verfolgen wir eine klare Strategie: Wir ziehen zunächst einen kompetenten Partner bei, der unsere Entwickler schult und auf ein gutes Grundniveau bringt. Von dort aus können sie dann selbständig weitermachen und in die Tiefe gehen. Das war zum Beispiel mit Silverlight so, wo wir zuerst Spezialisten von Microsoft und von unserem Partner Aseantic im Haus hatten. Auch für die Storage-Plattform und die Load-Balancer haben wir uns die Grundlagen von den Lieferanten geholt – das kommt auch bei den Anbietern immer sehr gut an.
Sie haben iPhone und Silverlight erwähnt. Gibt es andere aktuelle Gebiete oder Projekte?
Technologisch sind wir zumindest im Back-end stark auf Microsoft ausgerichtet. Im Moment arbeiten wir gerade an einem .NET- und Silverlight-Projekt mit einigen hundert Tagen Entwicklungsarbeit – eine Datenbank, in der Sportredaktoren die Resultate erfassen, die darauf über die verschiedenen Vektoren wie Web und Mobile ausgeliefert werden. Das ist wohl eines der grössten Silverlight-Projekte, die es im Moment überhaupt gibt.
Auf Mobilgeräten sind browserbasierte Lösungen mit Touch-Bedienung ein heisses Thema. Da muss man halt grosszügiger gestalten und weniger Elemente in die Oberfläche packen. Sobald tiefere Funktionalität benötigt wird, kommt man aber auch im Mobile-Sektor nicht um native Applikationen herum.
Welchen Problemen begegnen Sie als CIO?
Im Moment wälzen wir ein Problem besonders stark: Wenn man so schnell wächst, hat man kaum Zeit, neben dem Tagesgeschäft die Prozesse richtig weiterzuentwickeln. Wir positionieren uns ja als Highend-Anbieter – das funktioniert natürlich nur, wenn auch beim Operating der Systeme alles sauber organisiert ist. Eigentlich wollten wir dieses Jahr personell konsolidieren – nun haben wir aber doch wieder sechs zusätzliche Mitarbeiter angestellt. Jetzt gehen wir das Prozessmanagement aber aktiv an.
Setzen Sie dabei auf Management-Software?
Wir arbeiten nur in einzelnen Bereichen wie Monitoring und Ticketing mit Softwareunterstützung. Für die Definition der Prozesse verfolgen wir einen anderen Ansatz: Wir arbeiten mit einem externen Coach zusammen, der die zuständigen Mitarbeiter bei der Entwicklung der Prozesse unterstützt. Wir nehmen also nicht einfach einen Berater, der uns etwas aufmalt, dass wir dann bloss noch umsetzen. Unsere Leute sollen die Prozesse selbst erarbeiten – ganz nach dem Motto «Wie man sich bettet, so liegt man.»
Was beschäftigt Sie als CIO sonst noch?
Letztlich ist das Hauptthema immer, möglichst viel Nutzen zu schaffen, zu möglichst tiefen Kosten – egal ob für die interne IT, für die Kunden unserer anderen Geschäftsfelder oder für die Multimedia-Solutions-Kunden. So beschäftige ich mich oft mit der Frage, wo wir noch Potential haben, einen Mehrwert für unsere Kunden zu generieren. Gerade das ist es, was den Job und unser Business interessant macht – das kontrollierte Wachsen an den Herausforderungen.