Editorial

Apple lässt seine Jünger weiter warten


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/10

     

Bei Apple scheint in der Zeit, als sich Oberguru Steve Jobs krankheitshalber zurückgezogen hatte, alles auf Sparflamme gelaufen zu sein. Der Konzern mit dem Apfel im Logo stellt seine Anhänger auf eine harte Geduldsprobe.

Gespannt warteten die Apple-Jünger auf das iPhone der zweiten Generation. Bei dessen Vorstellung dann die Ernüchterung: Das neue Apple-Smartphone brachte unter dem Namen iPhone 3G S wenig Neues. Ein bisschen 3-Megapixel-Kamera, ein bisschen Freissprecheinrichtung, ein bisschen mehr Akkulaufzeit, ein bisschen Copy-und-Paste und ein bisschen mehr Geschwindigkeit liessen wirklich Bahnbrechendes vermissen.


Mitte September zeigte sich dasselbe Bild. Wieder hofften die Anhänger auf weitere revolutionäre Produkte. Vorgestellt werden sollten diese von Steve Jobs himself, der sich erstmals nach seiner Lebertransplantation wieder den Apple-Fans präsentierte. Die Hoffnungen der Apple-Community wurden aber auch hier schwer enttäuscht. Weder zeigte man ein Update von Apple TV noch wurde ein Tablet Mac vorgestellt.

Die grossen Ankündigungen bleiben aus. Bis jetzt. Denn nun macht sich das Gerücht breit, dass Apple im nächsten Jahr ein Netbook-ähnliches Tablet veröffentlichen will. Brancheninsidern zufolge kommt das erste Mini-Notebook von Apple Anfang 2010. Das Gerät soll über einem 10,7-Zoll-Monitor verfügen und mit dem iPhone-OS ausgerüstet sein. Eine konventionelle Tastatur werde man aber vergeblich suchen. Ganz im üblichen Apple-Stil soll das Netbook via Touchscreen bedient werden.

Apple hat sich mit diesem Schritt viel Zeit gelassen. Bislang scheint der Netbook-Trend am Unternehmen vorbeigegangen zu sein, während alle Welt auf diesen Zug aufsprang. Sogar Software-Gigant Microsoft hat sein jüngstes Betriebssystem Windows 7 so gestaltet, dass es weniger Ressourcen verbraucht als sein Vorgänger Vista und somit auch problemlos auf den Mini-Notebooks läuft. Und auch Mobiltelefon-Hersteller Nokia hat den Trend erkannt und wirft spätestens im vierten Quartal 2009 ein Netbook auf den Markt. Das Booklet 3G soll übrigens, wie von Microsoft angestrebt, beim Betriebssystem auf Windows 7 setzen.

Dass Apple den anderen Herstellern hinterher hinkt, ist man sich spätestens seit der Lancierung des iPhone nicht mehr gewohnt. Vielmehr ist unser Weltbild, zumindest in IT-Bereich, davon geprägt, dass die restlichen Hersteller versuchen, die Produkte des Konzerns aus Cupertino zu imitieren. Bislang setzte Apple die Trends, und alle anderen folgten blind. Die Messlatte für sämtliche neuen Apple-Produkte ist dementsprechend hoch.

Doch wer weiss — vielleicht hat Apple auch gar keinen Trend verpasst, sondern war weitsichtiger und klüger als die meisten anderen Hersteller. Denn Gerüchte darüber, dass sich selbst die Netbook-Hersteller den Zusammenbruch dieses Marktes wünschen, weil es einfach nicht rentiert, halten sich hartnäckig. Wir werden sehen, ob Apple für einmal zu spät kommt, oder ob das Unternehmen vorausschauend gehandelt hat. Denn bei einem Zusammenbruch des Netbook-Marktes könnte Apple das Gerät alternativ als Erweiterung des iPhone- und iPod-Touch-Portfolios positionieren. (abr)


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