Vorhang auf für Microsofts neues Office 2010
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/09
Neben Windows ist Office das am weitesten verbreitete Produkt aus dem Hause Microsoft. Viele Firmen, wenn nicht sogar die meisten, setzen auf die Applikationen, die da heissen Word, Excel oder Outlook, um nur einige der umfangreichen Bürosoftware-Suite zu nennen. Kein Wunder also, wird jeder neuen Version sehr viel Interesse beigewogen. Und genau so eine steht in den Startlöchern: Im nächsten Frühling wird Microsoft Office 2010, den Nachfolger von Office 2007, auf den Markt bringen.
Swiss IT Magazine konnte sich die erste offizielle Testversion von Office 2010 Professional, die nur für einen eingeschränkten Benutzerkreis zugänglich ist, ergattern. Die «Technical Preview», die in einer 32-Bit- und einer 64-Bit-Version erhältlich ist, beinhaltet die Programme Word 2010, Excel 2010, Outlook 2010, PowerPoint 2010, OneNote 2010, Access 2010, Publisher 2010, wobei wir den Fokus auf die fünf erstgenannten gelegt haben.
Wir haben Office 2010 auf einem Rechner mit dem Release Candidate von Windows 7 installiert und wollten damit neben dem Test der Bürosoftware auch gleich herausfinden, wie sich die beiden grossen, neuen Microsoft-Produkte ergänzen oder eben nicht. Mehr dazu gegen Ende des Tests.
Die Installation der Technical Preview verläuft normal und einfach. Rund 550 MB gross ist die Installationsdatei, die gesamte Bürosoftware-Suite benötigt am Ende nur unwesentlich mehr Speicherplatz auf der Festplatte, nämlich 705 MB. Einmal installiert, fällt sofort auf: Die neue Menüführung aus Office 2007 wurde beibehalten und sogar weiter verbreitet. Ausserdem wurde die Optik etwas aufgefrischt. Die sogenannten «Ribbons» findet man ab sofort in jedem Programm, also beispielsweise auch in Outlook, wo man bisher noch ohne auskommen musste oder durfte. Die eine Hälfte, denen die neue Benutzerführung gefällt, wird das freuen, die andere Hälfte wird sich nun wohl oder übel langsam von der alten trennen müssen. Ansonsten sieht man auf den ersten Blick keine grösseren, optischen Veränderungen. Nur, dass die runden Office-Buttons oben in der Menüliste verschwunden sind und durch kleine Rechtecke ersetzt worden sind.
Ein Klick auf diese neu gestalteten Buttons führt in einen neuen «Backstage»-Bereich, der für alle Programme von Office 2010 eingeführt wurde. Alles, was nicht direkt für die Bearbeitung eines Dokumentes gebraucht wird, hat Microsoft hier zusammengefasst. Hier findet man alle Dokumenteninformationen, kann jegliche Einstellungen ändern, drucken, Optionen für die Zusammenarbeit festlegen, die zuletzt geöffneten Dokumente anschauen und vieles mehr. Damit schafft Microsoft mehr Übersicht und beschleunigt die Navigation, weil beispielsweise für Einstellungsanpassungen deutlich weniger neue Fenster und Menüs geöffnet werden müssen.
Das wohl am meisten genutzte Programm der Office-Suite ist Word. Hier hat sich nur wenig getan. Es gibt neue Fonts, Styles etc., aber sonst nichts Grosses. Erwähnenswert ist, dass das Textverarbeitungsprogramm, jedoch alle anderen Produkte von Office 2010 auch, mit einer einfachen Bildbearbeitungsfunktion namens «Picture Tools» ausgestattet wurde. In die Dokumente oder Mails integrierte Bilder lassen sich ab sofort in Bezug auf Farbe oder Helligkeit korrigieren, komprimieren, zuschneiden, mit visuellen Effekten verändern oder mit Rahmen versehen, um nur einige Features dieses integrierten «Mini-Photoshop» zu nennen. Das spart viel Zeit beim Hin- und Herwechseln zwischen einem Bildbearbeitungsprogramm und Word oder PowerPoint. Natürlich ersetzt es ein Programm wie Photoshop nicht. Was man damit aber ganz schnell und einfach anstellen kann, überzeugte im Test und ist ein grosser Mehrwert für Office. A propos Bilder: Mit Word 2010 wie auch Excel, Outlook und PowerPoint lassen sich ab sofort auch einfach Screenshots einfügen. Wer unter «Einfügen» auf den Menüpunkt «Screenshot» klickt, erhält eine Übersicht über alle offenen Fenster und kann auswählen, wovon er nun einen Screenshot in das Dokument einfügen will.
Weiter hat Microsoft Word und die anderen Office-Programme mit einer Preview-Funktion beim Einfügen ausgestattet, «Paste View». Ab sofort wird als Vorschau angezeigt, wie Dokumente aussehen würden, wenn man die Zwischenablage (Buchstaben, Bilder etc.) an der bestimmten Stelle einfügt. Neu ist ausserdem, dass man mit Office 2010 ab sofort ohne Add-on direkt PDFs aus den Dokumenten erstellen kann. Aber nicht nur PDFs: Auch der Export in XML- oder ODF-Dateien ist via Backstage-Bereich mit wenigen Klicks möglich. Ausserdem kann man diese Dateien dann auch direkt an ein neues E-Mail anhängen lassen. Das funktionierte im Test allerdings nicht, daran wird Microsoft aber bestimmt noch arbeiten.
Auch punkto Sicherheit hat Microsoft in Office 2010 vorgesorgt: Öffnet man Word-Dateien, die man aus Mails oder aus dem Internet heruntergeladen hat, so warnt einen das Programm und gewährt nur einen «Protected View». Die Datei lässt sich erst bearbeiten, wenn man dem ausdrücklich zustimmt. Dasselbe gilt auch hier für alle anderen Teile der Office-Suite.
Im Gegensatz zu Word hat Microsoft seiner Kommunikations- und Terminplanungssoftware Outlook eine ganze Reihe exklusiver Neuerungen spendiert. Eine wurde bereits angesprochen, Outlook 2010 kommt neu mit dem Ribbon-Interface. Darin enthalten ist eine der interessantesten neuen Funktionen. Sie heisst «Quick Steps». Damit lassen sich nur mit einem Klick verschiedene, sehr häufig genutzte Funktionen ausführen. Man könnte das ganze auch «Kurzbefehle» nennen. Die einzelnen Steps kann man selber festlegen, ausserdem gibt es ein paar Vorschläge. Am besten erklärt man das mit einem Beispiel: Schickt man regelmässig eine E-Mail an sein gesamtes Team, so kann man das neu mit einem Klick tun. Anstelle eine neue E-Mail zu öffnen, die Adresse(n) einzufügen genügt es, nur den Kurzbefehl anzuklicken und man kann losschreiben. Man kann im Kurzbefehl nicht nur die Adressen des Teams hinterlegen, sondern auch gleich Titel und Texte, falls die jeweils identisch oder ähnlich sind. Weiter kann man beispielsweise auch direkte Antwort- oder Weiterleiten-Nachrichten für Termine oder E-Mails hinterlegen. Die «Quick Steps» sind wirklich einfach einzurichten und erleichtern die Arbeit. Leitet man beispielsweise oft E-Mails zum selben Thema an dieselbe Person weiter, so erleichtert einem das die Arbeit enorm. Einfach die E-Mail markieren, den Button drücken und senden.
Eine weitere praktische Innovation in Outlook 2010 ist eine neue Ansichtsmethode. Im sogenannten «Conversation Modus» sammelt Outlook alle Nachrichten, die zu einem bestimmten Thema versandt wurden oder eingegangen sind und zeigt sie gemeinsam untereinander an. So kann man schnell schauen, was man mit wem wann diskutiert hat. Dabei sammelt Outlook E-Mails aus allen Ordnern, also auch aus den Gesendeten oder Archiven. Interessant, wenn man sieht, wie lange Diskussionen eigentlich schon im Gange sind und wie viele E-Mails verschickt wurden.
Gerade in Fällen wie oben genannt, wo es lange E-Mail-Konversationen gibt, sammeln sich oft Nachrichten beziehungsweise Daten oder Texte an, die unnötig mehrmals vorhanden sind. Um dort mehr Ordnung zu schaffen, hat Microsoft in Outlook 2010 die neue Funktion «Clean Up» eingeführt. Damit ist es möglich, Nachrichten, die andernorts, meistens in neueren Versionen der E-Mails, noch zu 100 Prozent vorhanden sind, automatisch zu löschen. Das führt nicht nur zu mehr Übersicht, sondern im gleichen Atemzug auch zu einer besseren Speicherplatzausnutzung, was die Administratoren freut. Im Test funktionierte «Clean Up» beim Aufräumen von Konversationen gut. Ganze Ordner zu säubern, was auch möglich sein soll, war hingegen nicht möglich. Wir erhielten nur die Meldung, dass Outlook nichts löschen könne. Eventuell gab es wirklich nichts Doppeltes, was wir aber bezweifeln, denn im Conversation-Modus wurden ja Sachen gelöscht. Aber auch hier hat Microsoft ja noch Zeit zur Nachbesserung.
Neben diesen beiden Neuerungen in Outlook 2010 muss man, neben ganz vielen weiteren, noch die Unterstützung für mehrere Exchange-Ordner in einem Profil (bspw. privat und geschäftlich) und eine «Ignore-Funktion» für E-Mails oder ganze Konversationen erwähnen, die beide auch sehr praktisch sind.
Wie in Word gibt es im Tabellenkalkulationsprogramm Excel nur wenig Neues, das nicht auch in den anderen Office-Softwares erscheint. Zu nennen gibt es eigentlich nur eine Funktion, nämlich die «Sparklines». Ab sofort muss man für einfache Grafiken und Auswertungen keine separaten, grossen Diagramme mehr zeichnen lassen, sondern kann mittels der «Sparklines» diese schnell und einfach direkt in eine Excel-Zelle einfügen.
Auch nur eine einzige, grosse Neuerung gibt es in PowerPoint, das von Microsoft immer mehr zu einem Multimedia-Tool gemacht wird. Videos wurden bisher schon unterstützt. Neu kann man diese für Präsentationen aber auch direkt in PowerPoint zuschneiden. Daneben gibt es noch eine neue Broadcast-Funktion für das Streamen der Präsentationen direkt ins Internet. Natürlich sind auch die angesprochenen neuen Bildbearbeitungsfunktionen von Office 2010 mit dabei und sehr nützlich.
Mit Office 2010 will Microsoft eines seiner unbekanntesten Programme der Suite, OneNote, pushen. Es wird einerseits neu in allen Versionen der Bürosoftware (geplant sind fünf Editionen) enthalten sein, andererseits wurde es komplett überarbeitet und um einige neue Funktionen erweitert. Damit ist es nun ein gutes Notizwerkzeug, insbesondere auch, da es neu vollständig mit dem Internet Explorer und den anderen Office-Tools verknüpft ist.
Office 2010 lief im Test auf einem System mit Windows 7 RC und einem 2,4 GHz schnellen Intel-Core-2-Duo-Prozessor, das vorher problemlos lief. Während den verschiedenen Arbeiten mit der Bürosoftware kam es zu mehreren Komplettabstürzen des Systems samt den berüchtigten Bluescreens und Neustarts. Der Fehler, scheinbar wurde der Arbeitsspeicher überlastet, liegt also in Office 2010. Das beunruhigt aber nicht weiter, denn sowohl beim eingesetzten Betriebssystem wie auch Office handelt es sich um Testversionen, bei letzterem nicht einmal um eine Beta. Und als positiver Nebeneffekt der Probleme zeigt sich, dass die Wiederherstellungsfunktion von Office 2010 beziehungsweise Word 2010 funktioniert.
Es gibt aber auch positive Dinge in der Zusammenarbeit mit Windows 7 zu berichten: Erstens lief Office 2010 sehr schnell, neue Programme öffneten sich im Nu, praktisch ohne Verzögerung. Zweitens: Office 2010 nutzt die neuen «Jump Lists» von Windows 7. Das heisst, wenn ich Outlook in der Taskleiste integriert habe, so kann ich mit dem Mauszeiger nur auf das Symbol fahren und erhalte dann eine Auswahl an Möglichkeiten, um direkt in den einen oder anderen Programmteil einzusteigen. Im Fall von Outlook kann das beispielsweise der direkte Weg zur Inbox, zum Kalender oder zum Verfassen einer neuen E-Mail sein.
Microsoft wird in Office 2010 bis zum Marktstart im Frühling 2010 bestimmt noch einige neue Features packen. Es ist bekannt, dass unter anderem ein «Ballot-System» geplant ist, wie man es bereits für die Browser-Auswahl angekündigt hat. Kunden sollen damit selber entscheiden können, welches Dateiformat sie als Standard haben wollen. Zur Auswahl soll unter anderem auch das Open-Document-Format ODF stehen. Weiter warten natürlich alle gespannt auf eine erste Testversion der Office Web Applications, die mit Office 2010 eingeführt werden sollen (mehr dazu siehe Infobox links).
Mit Office 2010 will Microsoft auch erste, vollständig Browser-basierte Online-Lösungen seiner Produkte Excel, Word, PowerPoint und OneNote lancieren.
Noch sind leider keine Testversionen der Office Web Applications erhältlich, obwohl sie für diesen Sommer angekündigt wurden. Die Online-Versionen werden eng mit der Arbeitsplatz-Version verknüpft und ebenfalls mit dem Ribbon-UI ausgestattet sein und sollen das gemeinsame Arbeiten an Dokumenten deutlich vereinfachen.
Erhältlich sein werden die Office Web Applications unter anderem kostenlos via Windows Live. Weiter ist bekannt, dass Microsoft die Browser Chrome von Google sowie Opera nicht offiziell unterstützen wird. Nur die Internet-Explorer-Versionen 7 und 8, Firefox 3.5 sowie Safari 4 werden «Supported Browsers» der Office Web Applications sein.
Alles in allem ist unser erster Eindruck von Office 2010 ein guter. Es gibt einige neue nützliche Funktionen, insbesondere für Outlook. Nennenswert sind ausserdem die neuen Möglichkeiten zur Bildbearbeitung sowie «Backstage View», mit dem man alle Funktionen, die nichts mit der Dokumentenbearbeitung direkt zu tun haben, in den Hintergrund verschoben hat. Für eine endgültige Beurteilung ist es aber definitiv noch zu früh, vor allem da die Office Web Applications, und damit die wohl innovativste Neuerung von Office 2010, noch nicht getestet werden konnten.
· Bekannte und bewährte Office-Programme
· Durchgängig Ribbon-Interface/Backstage View
· Integrierte Bildbearbeitungsmöglichkeiten
+ Viele, neue Outlook-Funktionen
+ Bildbearbeitung in Word, PowerPoint & Co.
+ Geschwindigkeit
– Testversion sorgt (noch) für Systemabstürze
– Wenig Neues in Word/Excel
– Office Web Applications fehlen noch
Microsoft, www.microsoft.ch
Noch nicht bekannt