Nach der Entlassung: Flexibel sein und netzwerken
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/07
Es war ein äusserst aufschlussreiches Gespräch, welches ich neulich mit dem Leiter eines Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums (RAV) geführt habe. Gemäss seinen Erläuterungen ist die Zahl der hochqualifizierten Fach- und Führungskräfte, welche ihren Job verloren haben, seit Anfang April wieder sprunghaft angestiegen. Diese Aussagen decken sich auch mit meinen eigenen Beobachtungen. Waren es bis vor kurzem hauptsächlich noch die Low-Performer, welche Ende letzten Jahres als Erste entlassen wurden, so trifft es heute auch wieder die guten Mitarbeiter. Insbesondere Stabsfunktionen, aber auch Positionen im unteren und mittleren Management stehen heute wieder auf dem Prüfstand.
Sich von unliebsamen Strukturen und Mitarbeitern zu trennen, geht aktuell mit wesentlich weniger Getöse über die Bühne als in Zeiten, wo Firmen noch prallvolle Auftragsbücher vorweisen konnten. Dann der Bevölkerung und den Medien zu erklären, warum Stellen abgebaut werden sollen, ist nicht so einfach wie jetzt. Dass viele der jetzt entlassenen Fachkräfte in ein paar Jahren allerdings wieder händeringend gesucht werden, ist ein anderes Thema, worüber sich einige quartalsgetriebene Unternehmen im Zuge von Kosteneinsparungsmassnahmen keine Gedanken zu machen scheinen.
Was darum vor einem Jahr noch niemand für möglich gehalten hat, ist mittlerweile wieder Realität geworden: Wer momentan ohne Job dasteht, hat es wieder bedeutend schwerer, eine feste Anstellung zu finden. Denn nun sagt der Arbeitgeber wo’s langgeht. Und so gehören unanständig hohe Lohnforderungen genauso der Vergangenheit an wie die Mitfinanzierung einer Zusatzausbildung, mit der Unternehmen noch bis vor kurzem versuchten, potentielle Kandidaten zu ködern.
Zwar gibt es auch jetzt Lichtblicke: Nach wie vor hat es Firmen, welche händeringend nach neuen Mitarbeitern Ausschau halten. Doch sind auch diese Unternehmen wesentlich wählerischer geworden, wen sie einstellen. Einerseits können sie aus einer Vielzahl von Bewerbern die Besten herauspicken. Zudem wollen es sich auch diese Betriebe nicht leisten, die Position mit der falschen Person zu besetzen. Die Folge: Quereinsteiger, Dünnbrettbohrer und ewige Job-Hopper ohne Leistungsausweis haben zurzeit so gut wie keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Doch auch jene, die am Ende eingestellt werden, müssen sich auf einen langwierigen Bewerbungsprozess einstellen, der sich locker über ein paar Wochen, ja sogar Monate hinzieht.
Dass Firmen bei der Mitarbeiterauswahl wesentlich vorsichtiger geworden sind und im Zweifelsfall am Ende die Stelle schon mal gar nicht besetzen, deckt sich auch mit einer im Mai dieses Jahres in der IT-Zeitschrift «Computerworld» veröffentlichten Studie. Darin geben 43 Prozent von 173 befragten Schweizer IT-Betriebe an, dass sie momentan keine neuen Angestellten suchen und 13 Prozent der Befragten wollen sogar Arbeitsplätze abbauen.
Diese neuen Marktgegebenheiten erfordern gerade von Bewerbern, denen die Stelle gekündigt wurde, neue Strategien. Was also gilt es zu beachten, damit man im Falle eines Job-Verlustes schnell wieder in den Arbeitsprozess integriert werden kann? Dazu die folgenden Tips:
Gerade Führungskräfte versuchen nach meinen Erfahrungen häufig zu vertuschen, dass ihnen gekündigt wurde. Selbst Freunde und Bekannte werden nicht informiert, und wenn die Presse Wind von ihrem Abgang bekommt, wird schon mal mit dem Anwalt gedroht, damit auch ja nichts in die Öffentlichkeit gelangt. Die Gründe für ein solches Verhalten mögen einerseits darin zu suchen sein, dass viele glauben, sie hätten bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wenn ihr potentiell neuer Arbeitgeber glaubt, sie seien immer noch in Amt und Würden.
Oft sind die Gründe aber auch wesentlich vielschichtiger: Es geht um Themen wie Gesichtsverlust, Scham und Machtentzug. Viele Betroffene ziehen sich darum immer mehr zurück, wollen sie doch nicht mit unangenehmen Fragen konfrontiert werden. Doch eine solche Verhaltensweise ist völlig falsch. Studien belegen nämlich, dass Positionen für Fach- und Führungskräfte oft unter der Hand vergeben werden. Wer zu anderen auf Distanz geht, nabelt sich von all den informellen Informationen ab, die überall auf dem Latrinenweg herumschwirren. Offen kommunizieren, dass man auf Job-Suche ist, muss darum die Devise lauten.
Doch auch das fällt vielen nicht einfach: Gerade Führungskräfte, die es bis anhin gewohnt waren, dass die anderen auf sie zukommen, müssen zuerst wieder lernen, dass sie jetzt selber als Bittsteller dastehen. Sich gut zu verkaufen fängt nicht erst bei der professionell erstellten Bewerbungsmappe an, sondern beginnt bereits viel früher. Auch wenn manche Leute so ihre liebe Mühe haben, sich und ihre Fähigkeiten selber anzupreisen, so ist dies doch meist die erste und wichtigste Hürde auf dem Weg zur neuen Arbeitsstelle.
Ein weiterer Grund, warum es bei der Jobsuche harzt, liegt an der Unflexibilität der Suchenden selbst. So kommt es für viele Führungskräfte nicht in Frage, wieder in eine Fachfunktion in ihrem Bereich zurückzukehren. Das ist für sie unter ihrer Würde. Die Tatsache, dass gerade im Managementbereich ganze Führungsebenen ersatzlos ausradiert werden und sich damit auf dem Stellenmarkt eine grosse Zahl von Bewerbern um ein paar wenige Stellen streiten, scheinen viele schlicht zu verdrängen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die meisten auch jetzt wieder einen Chef-Posten ergattern möchten. Doch ein MBA allein reicht heute nicht mehr aus, wieder eine Anstellung als Führungskraft zu finden. Nebst einem guten Netzwerk und einem überdurchschnittlichen Leistungsausweis muss die Person nun auch nachweisbare Führungsqualitäten vorweisen können, welche sie womöglich schon einmal in Krisenzeiten unter Beweis gestellt hat.
Wer diese Qualifikationen nicht vorweisen kann, sollte sich sehr ernsthaft Alternativszenarien überlegen, da ansonsten womöglich eine lange Arbeitslosigkeit vorprogrammiert sein dürfte.
Flexibel gilt es auch in Bezug auf das eigene Gehalt zu sein. Findet man wieder eine neue Stelle, so kann man nicht automatisch davon ausgehen, dass man einen Lohnsprung macht.
Wer heute für eine adäquate Tätigkeit das gleiche Salär erhält, kann sich zurzeit sogar glücklich schätzen. Erfahrungen zeigen, dass sich viele Jobsuchenden am Anfang ihrer Bewerbungsphase der Illusion hingeben, dass dies auf sie nicht zutreffen würde. Je länger ihre Arbeitslosigkeit dann dauert, um so mehr begreifen sie, dass kein neuer Arbeitgeber auf ihre Lohnforderungen eingehen wird.
Diese Erkenntnis ist für viele zunächst einmal ein Schock. Nicht selten geraten sie dann in Panik und nehmen den erstbesten Job an, der ihnen angeboten wird. Doch vor solchen Schnellschüssen ist auch jetzt dringend abzuraten. Und meist wäre dies auch gar nicht notwendig, wenn der Bewerber schon von Anfang an sich und seine Fähigkeiten realistisch eingeschätzt hätte.
Es ist darum ratsam, sich gleich von Beginn der Stellensuche hinsichtlich des Salärs flexibel zu zeigen. Natürlich soll das neue Gehalt fair und marktgerecht sein. Doch nebst den monetären Aspekten sollten Bewerber sich gerade jetzt auch für ein Unternehmen entscheiden, welches ihnen ein stabiles und sicheres Umfeld bietet.
Laut neusten Statistiken werden in der Schweiz momentan jeden Tag 150 Menschen arbeitslos.
Das ist für die Betroffenen selbst oft ein herber Schlag, den viele gar als existenzbedrohend empfinden. Der Verlust des Arbeitsplatzes löst denn auch meist grosse Ängste aus. Treffen kann es jeden. Und es ist darum weiss Gott keine Schande, wenn man momentan im Zuge von Umstrukturierungsmassnahmen völlig unverschuldet plötzlich auf der Strasse landet.
Entscheidend aber ist, wie man damit umgeht: Wer sich und seine Fähigkeiten richtig einschätzt und mutig auf Bekannte und Kollegen zugeht, erhöht damit seine Chancen, bald wieder eine feste Anstellung zu haben. Und genau das ist es, worauf es am Ende ankommt.