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Heute die Fachkompetenz von morgen sicherstellen

Die Pionierzeit ist auch in der Informatik definitiv vorbei, die Schweizer Informatik geniesst Weltruf. Der vielfältige Einsatz von Software hat auch die Tätigkeiten der Informatiker/-innen völlig verändert: Statt nur Pannen zu beheben, entwickeln sie heute innovative Produkte, Prozesse und Dienstleistungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/07

     

Die Veränderungen beim Einsatz von Software haben auch Auswirkungen auf die Anforderungen an diese Fachleute. Der Anteil der Applikationsentwickler/-innen ist auf über 50 Prozent gestiegen, gefolgt von 27 Prozent Systemtechniker/-innen, 16 Prozent im Support und Operating und 7 Prozent in Leitung, Controlling und Revision (Quelle: SwissICT-Salärumfrage 2008). In der Applikationsentwicklung sind zunehmend Hochschulabsolvent/-innen am Werk, die Systemtechnik ist infolge der Integration aller Systeme weltweiter Filialen und Rund-um-die-Uhr-Betrieb virtualisierter Server entsprechend komplex geworden. Trotzdem ist in keinem Beruf mit gehobenen Anforderungen der Anteil der Berufsleute ohne eidg. Zeugnisse der Grund- und höheren Berufsbildung so hoch wie bei der Informatik. Auf über 200’000 Informatiker/-innen kommen knapp 30’000 mit einem schweizerischen Informatik-Zertifikat. Man setzte bisher auf Produktekurse und “Probieren”.




Informatik-Bildungssystem für die künftigen Anforderungen

Gestützt auf den Möglichkeiten des Berufsbildungsgesetzes ist ein Informatik-Bildungssystem entstanden, das die künftigen Bedürfnisse der Wirtschaft ideal abdecken kann. Jetzt sind die Verbände gefordert, das zu propagieren und laufend ajour zu halten, die Betriebe, es im Alltag umzusetzen und die künftigen und aktuellen Informatiker/-innen es zu nutzen.



Dieses Bildungskonzept hat sich bewährt. Jetzt geht es darum, die Bildung auf die mengenmässigen Bedürfnisse des Marktes auszurichten.



Für Einsteiger sieht das Informatik-Bildungskonzept verschiedene Möglichkeiten vor: eine vierjährige Lehre in einem Betrieb mit den Schwerpunkten Support, Systemtechnik und Applikationsentwicklung, eine vierjährige Informatikmittelschule (ein schulischer Weg zur Applikationsentwicklung), eine vierjährige Mediamatikerlehre, die das Feld zwischen Business und Informatik abdeckt, eine zweijährige Attestausbildung zum Informatikpraktiker und schliesslich der Weg über eine Privatschule mit ähnlicher Struktur wie bei der IMS.



Wichtig zu wissen: Praktisch jeder Betrieb mit einer qualitativ mindestens durchschnittlichen Informatik kann Lehrlinge einsetzen. Es braucht eine Person, die bereit ist, eine Nachwuchskraft rasch vom Einfachen zum Komplexen in die Arbeit einzuführen und diese bei der Arbeit konsequent zu führen. Ziel der Lehre ist ein Leistungsbeitrag von 60 Prozent einer Fachperson im 3. Lehrjahr und min. 80 Prozent im 4. Lehrjahr.



Noch über Jahrzehnte sehr begehrt werden Berufsumsteiger sein, die nach Erfahrung in einem anderen Beruf in die Informatik wechseln. Voraussetzung ist die Grundbildung in der Form eines 2-jährigen Lehrganges mit eidg. Fähigkeitszeugnis. Umsteigerlehrgänge werden heute an verschiedenen Orten und Instituten angeboten. Die Teilnehmer/-innen durchlaufen die gleiche Grundbildung in den Schwerpunkten Systemtechnik und Applikationsentwicklung wie die Lehrlinge und erreichen in zwei Jahren mit 80 Prozent Praxiseinsatz und berufsbegleitendem Schulbesuch den gleichen Status wie die Lehrlinge, sie schliessen auch mit dem eidg. Fähigkeitszeugnis ab. Der gleiche Weg ist für Maturanden offen, die das Studium nicht antreten wollen oder abbrechen.



Unter dem Titel «Der Erfahrung einen Wert verleihen» läuft ein Projekt des Bundesamtes für Berufsbildung, das Fachleuten mit mindestens 5-jähriger Praxis im betreffenden Beruf die Möglichkeit zur nachträglichen Zertifizierung mit eidg. Fähigkeitszeugnis verschafft. Die Interessenten belegen die erworbenen Kompetenzen in einem Dossier mit Schulungszertifikaten und weiteren Bestätigungen und Beschreibungen (sog. “Lupe”). Die Bestehensnormen richten sich nach den Kompetenzen des Lehrabschlusses, das Fähigkeitszeugnis erhält, wer diese lückenlos belegen kann. Bestehen Lücken, können diese über den Besuch einzelner Module nachträglich geschlossen werden.



Geht man davon aus, dass die Qualität eines Produktes oder Dienstleistung so gut ist, wie die Qualifikation der Mitarbeitenden, muss die Weiterbildung eindeutig mehr Gewicht bekommen. Es gehört zu den vornehmlichen Aufgaben jedes Betriebes für angemessene Anstrengungen für die Bildung der Mitarbeitenden zu sorgen, sei es bei der Grund- wie der Weiterbildung. Im Interesse der Firma und der Marktfähigkeit der Mitarbeitenden.



Aber auch Informatiker/-innen sollten sich den Anforderungen von morgen bewusst sein und sich darauf vorbereiten: Nach der Grundbildung (oder dem Gleichwertigkeitsverfahren) ist die höhere Berufsbildung dringend nötig. Auch hier gibt es ein vielfältiges Angebot:



• Die duale Weiterbildung mit der anschliessenden Berufsprüfung, dem eidg. Fachausweis in den Schwerpunkten Development und Services. Die Vorbereitung kann 300 bis 400 Lektionen umfassen. Grundsätzlich ist jede/-r zur Prüfung ohne Schulbesuch zugelassen. Ziel: Befähigung zur Übernahme komplexerer Aufgaben und Projekte (Leiter mehrerer Entwickler etc.).



• Die Berufsprüfung mit eidg. Diplom ist in den Schwerpunkten Business Solutions oder Service and Technology Solutions möglich. Auf dieser Stufe geht es um IT-Management-Kompetenzen mit Ziel eine Firma oder IT-Abteilung zu führen.



• Informatik-Studium an einer höheren Fachschule für Wirtschaftsinformatik oder an einer technischen Fachhochschule mit Systemtechnik oder Entwicklung in Embedded Systems oder Geschäftsapplikationen. Das Vollzeitstudium dauert drei Jahre, das berufsbegleitende rund viereinhalb Jahre.



• Oder das Studium an einer Fachhochschule (Voraussetzung Berufsmaturität). Auch hier bestehen Studienrichtungen in Wirtschaftsinformatik, Systemtechnik und technischer Entwicklung. Nach drei Jahren Vollzeitstudium erreicht man die Stufe Bachelor, was auch nach viereinhalb Jahren berufsbegleitenden Studiums (80 Prozent Arbeit, 20 Prozent Studium) möglich ist. Nach dem Bachelor folgt in weiteren eineinhalb Jahren der Master-Abschluss.



Das System ist sehr durchlässig. Es ist also auch möglich nach der Lehre mit Berufsmaturität und einem Vorbereitungsjahr (Mathematik und Naturwissenschaften) an die ETH zu gehen. Oder nach dem Fachausweis unter Anrechnung der erworbenen Kompetenzen an einer höheren Fachschule weiterzumachen oder von dieser an die Fachhochschule zu wechseln.



Es ist wichtig, dass man sich bewusst ist, dass der Konkurrent als Informatik-Lehrabgänger oder Quereinsteiger nicht nur ein weiterer Schweizer oder eine Schweizerin mit gleicher Ausbildung ist, sondern die vielen guten Informatiker/-innen auf der ganzen Welt mit bester Ausbildung.



Nach dem Abschluss (oder auch vor) ist life-long learning angesagt. So wie der Diplom-Treuhänder mal an einen Kurs über die neue Mehrwertsteuerabrechnung, Lohnausweiserstellung oder neuer Bilanzierungsregeln gehen muss, geht der Informatiker in Cisco-, Microsoft- oder Oracle-Lehrgänge. Das ist normal. Wichtig ist, dass zuerst mit den beschriebenen Bildungswegen das Konzept-, Methoden- und Systemwissen erworben wird und nicht alles nur auf Produktewissen basiert. Fachleute sind nämlich die Leute, die wissen, wieso etwas so ist und nicht nur im Google andere fragen, ob sie eine Lösung hätten….



Fazit und Massnahmen

• Betriebe und Verbände sind aufgerufen, ihre tolle Informatik auch bekannt zu machen - damit junge Leute im Berufsfindungsprozess und vor dem Studium überhaupt merken, was für Chancen in der Informatik bestehen.



• Firmen tun gut daran, erworbene Awards (“Best of”) und gute Aufträge ebenso zu publizieren, wie das zum Beispiel ABB tut, wenn sie ein Kraftwerkteil nach X liefern darf oder Swiss, wenn ein Flugzeug bestellt wurde.



• Firmen sind aber auch verantwortlich für den Aufbau des Nachwuchses. Also: 15 Prozent der Informatikbelegschaft in Form von Lehrstellen anbieten. Und die Lehrlinge zu produktiven und effizienten Mitarbeitern machen. Heute bilden wir in allen Systemen rund 2300 Nachwuchsinformatiker/-innen aus – das Ziel ist, diese Zahl zu verdreifachen.



• Alle Beteiligten müssen dafür sorgen, dass der Anteil der Absolventen der höheren Berufsbildung mindestens verdoppelt wird.



Alfred Breu, SwissICT-Fachgruppe Lehr- und Praktikumsbetriebe



Informationen über alle diese Bildungsangebote: www.swissict.ch








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