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Leider getrübte Goldgräberfreuden

Die restriktive API-Politik und das undurchsichtige Vertriebsmonopol von Apple schränken die Möglichkeitenfür die Entwickler von iPhone-Anwendungen stark ein.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/06

     

Der Hype um das iPhone hält an: 10 Millionen Stück dürfte Apple 2008 verkauft haben, bis zu 50 Millionen sollen es bis Ende 2009 sein. Während die Design-Ikone anfänglich nur Technik-Freaks zu Begeisterungsstürmen hinriss, erobert das iPhone jetzt allmählich auch die Firmenwelt: Bei den mobilen Geräteplattformen im Unternehmenseinsatz hat das Apple-Smartphone gemäss einer Studie des Münchner Softwareherstellers Ubitexx im Jahr 2008 auf Anhieb einen Anteil von 14 Prozent erreicht und ist damit der Senkrechtstarter des Jahres. In Grossunternehmen mit mehr als 500 Handhelds ist den Autoren zufolge gar schon jedes vierte Gerät ein iPhone. Entwickler kommen also künftig nicht mehr darum herum, sich mit den Möglichkeiten und Limitationen dieser Plattform zu beschäftigen.



Seit dem Release des iPhone OS 2.0 können auch Drittanbieter Software für die iPhone-Plattform entwickeln. Die erste Beta-Version des iPhone SDK (Software Development Kit) wurde im März 2008 veröffentlicht. Im Juli letzten Jahres hat der App Store mit 500 Applikationen seine Pforten geöffnet. Weniger als zwölf Monate später verzeichnete er bei einem Angebot von 35’000 verschiedenen Programmen schon eine Milliarde Downloads (Stand Ende April 2009). Die Applikationen werden in den Sprachen Objective-C, C oder C++ geschrieben. Da eine Vielzahl bekannter APIs wie beispielsweise Cocoa, Quartz oder OpenGL ES auf dem iPhone zur Verfügung stehen, finden sich sowohl Mac- wie auch Unix-Programmierer relativ schnell zurecht. Interessante Perspektiven für mobile Applikationen bietet die Plattform jedoch vor allem dank dem Multi-touch-Bildschirm, dem Accelerometer (Gravitationsmessung, «Schüttel-Funktion») und GPS (Global Positioning System). Multi-touch und Accelerometer kommen oft bei Spielen oder Multimedia-Anwendungen zum Einsatz, während GPS die Entwicklung von Diensten erlaubt, die den Standort des Anwenders miteinbeziehen.




SDK mit gravierenden Restriktionen

Für eine Entwicklerlizenz von 99 Dollar bietet das Integrated Development Environment Xcode des iPhone SDK eine moderne Entwicklungsumgebung. Die Möglichkeiten des Geräts sind heute sehr gut dokumentiert und im Internet gibt es eine grosse Community mit diversen Foren und Messageboards. Ein Grossteil der Funktionen lässt sich auf dem zum SDK gehörenden iPhone Simulator emulieren. Wer sich für Objective-C entscheidet, profitiert von einer einfach zu erlernenden, objektorientierten Programmiersprache. Allerdings stehen zur Unbill vieler Entwickler wichtige Teile des SDK wie der Zugriff auf das Adressbuch nur im komplexeren C zur Verfügung.



Sorgen bereitet Entwicklern jedoch vor allem die restriktive API-Politik des Herstellers, denn es können und dürfen explizit nur diejenigen Funktionen genutzt werden, die Apple zur Verfügung stellt. Jede Applikation läuft abgekapselt für sich in einer Sandbox – einer Art Gefängnis – abgeschottet vom restlichen Sys­tem, während gleichzeitig der Grundsatz «one app at a time» gilt. Hintergrundprozesse oder Multitasking sind somit nicht möglich. So klingelt beispielsweise Skype nur dann, wenn die Applikation als einzige im Vordergrund läuft. Während ein Benutzer also im Web surft, ist er über Skype nicht mehr erreichbar. Auch Applikationen, die zu einer bestimmten Zeit eine Aktion auslösen – beispielsweise ein Programm, welches das iPhone abends ab 10 Uhr stummschaltet – können so nicht realisiert werden. Weil der Zugriff auf das Dateisystem des iPhone aus der Sandbox heraus nicht möglich ist, kann eine Applikation nicht auf eine Datei zugreifen, die mit einem anderen Programm erstellt wurde. Auch das Verwenden der iPod-MP3-Bibliothek des Benutzers, etwa für ein Musik-Quiz oder als Hintergrundmusik für ein Spiel, ist nicht möglich.



Eine vor allem in der Geschäftswelt als störend empfundene Einschränkung ist der fehlende Zugriff auf die Kalenderdaten. Dieser wäre aber gerade für viele Business-Applikationen unabdingbar. Die Open-Source-Plattformen Android und Symbian bieten diese Funktionalität denn auch an. Ebenso verunmöglicht werden Bluetooth-Verbindungen zu anderen Geräten, weshalb keine Visitenkarten oder Daten mit anderen Benutzern in der Umgebung ausgetauscht werden können. Das iPhone verwendet Bluetooth in der jetzigen Version nur für die Kommunikation mit dem eigenen Headset. Vielen Entwicklern ist auch ein Dorn im Auge, dass Apple den Zugriff auf gewisse Telefonfunktionen beschränkt. Eine Applikation kann eine E-Mail oder einen Anruf initiieren, jedoch nicht auf die Call History zugreifen und auch keine SMS verschicken. So lässt sich beispielsweise keine Software entwickeln, die in einem Online-Telefonbuch nach den Namen zu den Nummern verpasster Anrufe sucht und diese anzeigt.



Undurchsichtiger Vertriebskanal

Für die Distribution der Applikationen stehen drei Wege offen: App Store, Enterprise Distribution oder Ad-Hoc-Distribution. Ausschliesslich für Firmen, die Software im eigenen Haus an mindestens 500 mit einem iPhone ausgerüstete Mitarbeitende verteilen möchten, ist die Enterprise Distribution gedacht. Unter der Ad-Hoc-Distribution kann Software unabhängig vom App Store an höchstens 100 Endgeräte verteilt werden. In der Regel machen Entwickler für Testing und Reviews von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die weitaus wichtigste Variante stellt jedoch die Distribution über den App Store von Apple dar. Der grosse Erfolg dieses Absatzkanals hat inzwischen auch Google, Microsoft und Nokia mobilisiert: Medienberichten zufolge sind für die Plattformen Windows Mobile und Symbian ähnliche Distributionskanäle in Planung, während Google für Android vor einigen Monaten seine Variante des App Store bereits lanciert hat.



Wer seine Applikation im App Store verkaufen möchte, muss diese einsenden. Apple prüft sie, gibt sie für den Verkauf frei oder lehnt sie ab. Vom Verkaufserlös erhält der Entwickler 70 Prozent, Apple behält 30 Prozent. Die Auswahl der Applikationen, die weit oben im App Store gut sichtbar platziert werden («featured»), trifft das Redaktionsteam von Apple in eigener Regie. Dasselbe gilt für die Apps in den verkaufsfördernden Kategorien «New and Noteworthy», «What‘s Hot» und «Staff Favourites». Der Vorteil des App Store besteht sicher darin, dass unabhängige Entwickler von einer weltweiten Distribution profitieren können und sich um nichts kümmern müssen. Apple betreibt die Downloadserver und erledigt die Abrechnung.



Der Prüfprozess von Apple gibt jedoch auch immer wieder Anlass zu Kritik. So ist im Einzelfall manchmal überhaupt nicht ersichtlich, was zur Zulassung oder Ablehnung einer Software führt. Es gibt Fälle, in denen Entwickler bis zu drei Monate auf eine Antwort warten. In dieser Zeit kann es natürlich passieren, dass die eigene Idee längst von jemand anderem realisiert wurde. Im Fall einer Ablehnung erhalten Entwickler zwar eine Nachricht mit Ticketnummer. Rückfragen dazu bleiben jedoch in der Regel unbeantwortet. Die Ablehnungsnachricht von Apple darf auch nicht publiziert oder mit anderen Entwicklern diskutiert werden, da sie – zum Unverständnis vieler – einer Geheimhaltungserklärung unterliegt. All das verleitet zur Annahme, dass Apple sein Distributionsmonopol im Einzelfall schon einmal zum Nachteil der Entwickler ausnützt und Software, die eigene Produkte konkurrenziert, aus scheinbar nichtigen Gründen zurückweist. Ein spezifischeres Problem stellt der Vertrieb von kryptografischer Software dar. Wenn eine Applikation etwa SSL-Verschlüsselung verwendet, darf sie die USA und damit den App Store nur mit dem Segen des U.S. Bureau of Industry and Security in Richtung Ausland verlassen. Die dafür benötigte Bewilligung ist aber nur mit einem hohen bürokratischen Aufwand zu beschaffen.




Hohe Volumina sind ein Muss

Momentan herrscht rund um iPhone-Applikationen veritable Goldgräberstimmung. So haben einige wenige unabhängige Entwickler mit pfiffigen Ideen sehr schnell sehr viel Geld im App Store verdient. Wer Erfolg hat, muss allerdings auch damit rechnen, sofort und mehrfach kopiert zu werden, weshalb das Glück meistens von kurzer Dauer ist. Auch das Preisdumping verschärft sich zusehends: Während 9.90 Dollar für aufwendige Games grosser Entwicklungsfirmen im App Store erstaunlicherweise als Obergrenze gelten, haben kleinere Utilities von unabhängigen Entwicklern nur eine Chance, wenn sie im Bereich unter 3 Dollar angesiedelt sind. Die meisten Applikationen kosten 0.99 Dollar oder sind kos­tenlos. Dies führt dazu, dass Benutzer bereits für einen Kaufpreis von einem Dollar Zusatzleis­tungen wie etwa kostenlose Updates erwarten. Wer im App Store Geld verdienen will, muss seine Applikationen auf vielen Kanälen bewerben und in kurzer Zeit hohe Volumina absetzen.



Für den Sommer 2009 hat Apple den Release des iPhone OS 3.0 angekündigt. Gemäss der Firma werden zwar viele neue Funktionalitäten für Entwickler im neuen SDK enthalten sein. Wichtige Teile jedoch fehlen nach wie vor: Weiterhin wird etwa kein Zugriff auf die Kalenderdaten angeboten und auch künftig ist es nicht möglich, Prozesse im Hintergrund oder ausserhalb der Sandbox laufen zu lassen. Nähere Details zu Kompatibilität, Einführung oder Upgradepfaden sind bis heute noch nicht bekannt.




Nützliche WebAdressen für Entwickler

http://developer.apple.com/iphone/



https://devforums.apple.com/community/iphone



http://www.iphonedevsdk.com



http://www.mobileorchard.com/



http://digitalmedia.oreilly.com/iphone/



http://www.apptism.com




In Kürze

· Entwickler von iPhone-Anwendungen können nur Funktionen nutzen, die Apple zur Verfügung stellt.



· Applikationen können nicht auf Dateien zugreifen, die in einem anderen Programm erstellt wurden.



· Der Prüfprozess von Apple für die Distribution der Anwendungen ist undurchschaubar.








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