Prozessverständnis ist Voraussetzung
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/06
Die Firma Uniqservice ist ein IT-Dienstleistungsunternehmen mit 12 Standorten in der Schweiz und rund 100 Mitarbeitenden. Uniqservice ist auf Service und Reparaturen von PCs, Servern, Druckern etc. spezialisiert. Das Unternehmen verfügt mittlerweile über Tausende von Service-Verträgen, hat über 30’000 Versicherungsfälle abgewickelt und Hunderttausende von Einsätzen getätigt. Dass eine Organisation dieser Grösse und Komplexität nicht ohne funktionierende ERP-Software aufrecht erhalten werden kann, versteht sich von selbst. Die bisher eingesetzte Lösung Winpeak konnte den reibungslosen Betrieb gepaart mit neuen technischen Anforderungen nicht mehr gewährleisten, weshalb die Evaluation einer neuen Lösung eingeleitet wurde.
«Das Problem bei Winpeak ist, dass die Software nicht mehr weiterentwickelt wird und den heutigen Anforderungen für den mobilen Einsatz nicht mehr genügt», sagt Philipp Zollinger, Bereichsleiter Repair & Logistik und Mitglied der Geschäftsleitung von Uniqservice. Das Risiko sei zu gross gewesen, weiterhin auf ein System wie dieses zu setzen. Zollinger ist zuständig für die Einführung der neuen Lösung SO des deutschen Software-Herstellers Godesys. So machte er sich denn bereits vor über einem Jahr auf der ERP-Messe Topsoft auf die Suche nach Anbietern, die die Anforderungen einer Service-Organisation, insbesondere die einfache Handhabung im Mobil-Bereich und die entsprechende Abbildung der Prozesse, erfüllen können.
Wie ging er dabei vor? «Ich sah mir sechs Anbieter näher an, darunter die bekannten wie Abacus, Opacc One, Navision, Nvinity und eben Godesys. Übrig blieben schliesslich in der Endphase noch drei Hersteller», sagt Zollinger. Abacus beispielsweise sei bei näherem Hinschauen gar nicht in Betracht gekommen, weil die Neuentwicklung des Mobil-Teils noch nicht abgeschlossen war, als Zollinger evaluierte. Des weiteren informierte er sich auch näher über die Microsoft-Lösung Navision und kam deshalb mit dem Zuger Systemintegrator RedIT in Kontakt. «Die haben versprochen, dass sie alles aus einer Hand liefern könnten, in Tat und Wahrheit handelte es sich aber um eine Kombination von zwei Navision-Anbietern, da der eine den für uns relevanten Mobil-Teil nicht im Portfolio hatte.» Dies sei besonders ärgerlich gewesen, weil die Anforderung, dass man nur mit einem Anbieter zu tun haben wolle, im Pflichtenheft gestanden habe. «Schliesslich waren bei Gesprächen immer zwei Anbieter anwesend und die einzelnen Teile hatten auch unterschiedliche Look-and-Feels.» Zusätzlich habe gegen Navision gesprochen, dass man alle Client-Server-Applikationen von Microsoft hätte anpassen müssen. «Die Abhängigkeit von Microsoft wäre für uns einfach zu gross gewesen», sagt er.
Entschieden hat sich Zollinger schliesslich wie erwähnt für den deutschen Hersteller Godesys. Was zeichnet den Anbieter gegenüber anderen aus? Godesys schnitt vor allem bei den für Uniqservice wichtigen Grundfunktionen sowie bei Spezialanforderungen bedeutend besser als die letzten zwei Anbieter ab, die sich ebenfalls in der Endrunde befanden. Bei den ERP-Funktionen (Adressen, Buchhaltung, Zweiwirtschaft, Reparaturen, Lagerbewirtschaftung, Planung etc.) erreichte der Hersteller eine 26 von 30 Punkten der Bewertungsskala, während es die anderen zwei nur auf 16 respektive 23 Punkte schafften. «Zwar hat Godesys kein Lohn-Modul, aber das ist für uns zweitrangig», sagt Zollinger. «Wichtig war für uns darüber hinaus, dass Godesys bei den Spezial-Bewertungen wie der Frage der Prozessabbildung, Eskalation, Artikelaustausch, mobile Anbindung oder etwa der Frage der Flexibilität, der Anbindung an Fremdsysteme oder der Schnittstellen bedeutend besser dasteht als die Konkurrenz.» Das System von Godesys bewertete Zollinger bei den Spezialanforderungen mit insgesamt 31 von 35 Punkten, während die Mitbewerber lediglich 15 respektive 17 Punkte erreichten.
Dennoch hat Zollinger von allen drei Anbietern die Systeme vor Ort angesehen und auch Besuche bei Referenzkunden gemacht. Entscheidend für die Evaluation war für Zollinger neben der Kostenfrage die Anforderung an das Service-Verständnis des Anbieters. «Die Aufgaben einer Service-Organisation müssen verstanden werden. Das heisst, ein funktionierender Mobil-Teil des Systems ist Voraussetzung ebenso wie die Frage der exakten Prozessabbildung», sagt er. Bei den Kosten sei Godesys im Mittelfeld gelegen, allerdings wären diese bei den anderen Anbietern nicht sicher transparent gewesen. Zollinger rechnet nun bei den Gesamtkosten, ohne die internen personellen Aufwände und ohne die Hardware-Beschaffung, dass Lizenz- und Initialisierungskosten in etwa zu gleichen Teilen 250’000 Franken betragen. Für die Amortisation des ERP-Systems rechnet er mit fünf, für die der Hardware (Smartphones) mit drei Jahren. Zum Thema Kostenberechnung siehe auch das Berechnungsbeispiel des Herstellers in der Tabelle.
«Für Godesys hat von Anfang an gesprochen, dass ich dem Vorstand Godelef Kühl auf der Topsoft ein paar Fragen stellte, die er mir aus dem Stegreif beantworten konnte. Bei Godesys versteht man das Service-Geschäft und somit unsere Anforderungen sehr gut», sagt Zollinger. «Das ERP-System muss schliesslich meine Anforderungen erfüllen und nicht umgekehrt.» Mit Godesys hätte man alle nötigen Funktionen erhalten, ausser der Stempeluhr und dem Lohnmodul. Vor dem Entscheid für Godesys, der im Juli 2008, also ca. ein halbes Jahr nach Beginn der Evaluationsphase, fiel, hat Zollinger noch vor Ort einen Workshop besucht, um ganz sicher zu gehen. Einen Schweizer Kunden des Herstellers, der ebenfalls das Mobil-Teil des Herstellers einsetzt, hatte er damals bereits besucht. Neben den technischen Anforderungen und dem Verständnis des Herstellers für die Prozesse seines Unternehmens spreche für Godesys, dass man vom Entwicklungsleiter und von Godesys-Chef Kühl betreut werde.
Zollinger befindet sich derzeit noch im Endspurt der Einführung des neuen Systems. Ende Juni soll das alte abgelöst werden. Welche Faktoren sind bei der Einführung besonders zu beachten, um eine reibungslose Ablösung zu ermöglichen? Wichtig ist laut Zollinger vor allem, dass man für die Evaluation und die Umsetzung genügend Zeit habe. Während der Projektphase sei dann entscheidend, dass genügend interne Ressourcen zur Verfügung stehen. So hat man zur Anpassung des Systems beispielsweise für zehn Grosskunden spezielle Prozesse auf den Smartphones hinterlegt. Die Service-Angestellten können auf den Mobiltelefonen mittels Push-Buttons einfache Meldungen an das System übermitteln. Dies sind in den meisten Fällen Statusmeldungen, die über den Fortschritt der Arbeit informieren. Arbeitsrapporte werden derzeit noch auf den ebenfalls im Einsatz stehenden Notebooks und Tablet-PCs hinterlegt. In einem zweiten Schritt ist geplant, diese ebenfalls auf den Smartphones erfassbar zu machen.
Eine häufige Fehlerursache in der Feinanpassung eines Sys-tems sei das unterschiedliche Verständnis zwischen Anbieter und Kunde. «Mit Godesys können wir sicherstellen, dass alle Prozesse dokumentiert sind und alle Prozesse auch hinterfragt werden, wenn dies nötig ist», sagt Zollinger. Godesys passe diese dann wann immer möglich auch an. So kann es zum Beispiel sein, dass ein bestimmter Kunde am Ende eines Auftrags eine SMS erhalten möchte, ein anderer aber nicht. «Unser Kunde gibt die Prozesse vor, nicht wir und auch nicht der Hersteller», fasst Zollinger eine der Kernanforderungen zusammen. «Wenn der ERP-Hersteller uns einen Standardprozess aufs Auge drücken will, weil er die Anforderungen nicht abbilden kann, kommt er nicht in Frage.»
· Die Firma Uniqservice löst ihr bestehendes ERP-System, das nicht mehr weiterentwickelt wird, durch Godesys ab.
· Projektleiter Philipp Zollinger gibt Einblicke in den Evaluationsprozess und die Entscheidungsfindung.
· Ausserdem sagt er, was er von einem ERP-Anbieter erwartet: Verständnis für seine Prozesse.