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Gut vorbereitet ist halb ausgelagert

Outsourcing-Projekte gehen häufig schief. Schuld sind oft schlecht ausgearbeitete Verträge. Der Ausbildungsverbund Login hat die Ausschreibung deshalb minutiös vorbereitet.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/04

     

Mit Outsourcing-Projekten versuchen Firmen, IT-Kosten zu sparen und den Betrieb ihrer Infrastruktur in fachkundige Hände zu übergeben. Man wolle sich auf das Kerngeschäft konzentrieren, ist eine vielgehörte Begründung für eine Auslagerung des IT-Betriebes. Doch viele Projekte scheitern. Je nach Studie ist von einer Quote von bis zu 30 Prozent die Rede. Laut «cio.de» wird gar nur jedes fünfte Outsourcing-Projekt sowohl vom Kunden als auch vom Dienstleister als gänzlich erfolgreich eingestuft. Die Gründe für tatsächliches oder gefühltes Scheitern sind vielfältig. Das Beratungsunternehmen Active Sourcing nennt fehlende Kostentransparenz, seitens des Anwenders zu eng definierte Anforderungen an die einzusetzende Technologie oder die Wahl eines nicht zum eigenen Unternehmen passenden Anbieters. In eine detaillierte Ausarbeitung der Verträge wird oft zu wenig Zeit investiert. Die Ausarbeitung der Verträge dürfe nicht hastig geschehen, schreibt auch Active-Sourcing-Geschäftsführer Stefan Regniet. Bei zu kurzfristigen Terminierungen würden IT-Dienstleister dazu tendieren, Risikozuschläge einzurechnen, weil sie sich davor fürchten, in der Eile wichtige Details übersehen zu haben.


Als Ausbildungsverbund von über 50 Verkehrsunternehmen bietet das SBB-Spin-Off Login 19 verschiedene Berufslehren an, betreut mehr als 1600 Lernende und beschäftigt über 200 Mitarbeitende an 9 Standorten in der ganzen Schweiz. Als Jürg Schollenberger seinen Posten als Leiter Informatik bei Login antrat, traf er schlecht überschaubare Zustände an, was die IT-Infrastruktur betraf: «Nur rund die Hälfte der Plattformen wurde mittels Teil-Outsourcing von SBB Informatik betreut. Der Rest wurde entweder nur teilweise oder gar nicht gemanaged und stammte von unterschiedlichen Lieferanten.» Login ist seit der Gründung im Jahr 2002 rasant gewachsen. Die IT-Infrastruktur konnte da nicht Schritt halten, und die Verantwortlichen nicht immer ideal auf die Bedürfnisse der Geschäftsbereiche eingehen. In der Folge kauften die Leiter der Business Units teilweise selber Hard- und Softwareprodukte ein. Schollenberger sollte nun eine durchgängige IT-Strategie ausarbeiten, die flexibel genug ist, um bei weiterem Wachstum mithalten zu können. «Dabei ist es sehr hilfreich, dass ich als IT-Verantwortlicher in der erweiterten Geschäftsleitung von Login vertreten und damit bei den Strategiediskussionen dabei bin», so Schollenberger. Schliesslich sei die Geschäftsstrategie der Stichwortgeber für die Ausarbeitung der IT-Strategie.



Nicht zu viele Vorgaben

Die Login-Geschäftsleitung entschied, dass sich die IT-Abteilung auf die Projektleitung und das Service-Management von IT-Dienstleistungen beschränken und den Betrieb der Infrastruktur auslagern soll. «Meiner Meinung nach muss ein KMU nicht selber Rechenzentren betreiben», sagt Schollenberger. Um sich aus der Abhängigkeit seitens der SBB zu lösen, entschied man sich deshalb für die Auslagerung der kompletten Infrastruktur an zwei externe Dienstleister. Als weitere Gründe für diesen Schritt bezeichnet Schollenberger einerseits finanzielle Interessen und andererseits die Sicherheit. «Insgesamt ist das IT-Budget selbstredend gewachsen, weil vorher ja nicht alle Clients gemanaged wurden.» Auf den einzelnen Client runtergerechnet wird es jedoch günstiger.


In die Vorbereitung des Ausschreibungsverfahrens investierten die Verantwortlichen von Login viel Zeit. «Zunächst ist es wichtig, anhand der IT-Strategie zu definieren, welche Leistungen ausgelagert werden und was man weiterhin selber manchen will», sagt Schollenberger. «Das wird oft unterschätzt.» Die Dienstleister seien zwar in der Lage, die Infrastruktur sicher und zuverlässig zu betreiben, die strategische Federführung dürfe ein Unternehmen aber nie aus den Händen geben. Dabei soll das Unternehmen zwar gewisse Rahmenbedingungen hinsichtlich des technischen Aufbaus der Plattform vorlegen, diese jedoch nicht zu tief definieren, damit der Provider bei der Erbringung der Leistung einen gewissen Spielraum hat, ohne dass die Kosten des Outsourcing unnötig in die Höhe getrieben werden. Die richtige Herangehensweise zur Definition des Leistungsauftrages für die Dienstleister führt für Jürg Schollenberger darum nicht über die technischen Aspekte, sondern über die Bedürfnisse der verschiedenen Geschäftseinheiten. «Der interne Aufwand ist dabei zwar gross, aber er zahlt sich am Ende aus», ist Schollenberger überzeugt. So investierte Login rund ein Dreivierteljahr und 2400 Mannstunden in die Definition der Service Levels und die Vorbereitung der Ausschreibung.


Richtige «Dosis» Service Levels

Da in der Vorbereitungsphase die Anforderungen der Business Units im Vordergrund standen, war es für die Verantwortlichen wichtig, möglichst wenige IT-Spezialisten miteinzubeziehen und statt dessen mit den Verantwortlichen der verschiedenen Geschäftsbereiche zu arbeiten. «Informatiker denken in Bits und Bytes und stellen sich immer gleich vor, wie die Lösung aussehen müsste», so Schollenberger. Der Kunde soll sich wo immer möglich auf die Definition des Soll-Zustandes der zu erbringenden Services beschränken und die Suche nach dem richtigen Weg überwiegend dem Dienstleister überlassen. «Trotz den detaillierten Vorgaben, gab es genügend Raum, um Vorschläge einzubringen», bestätigt Markus Peter, Geschäftsleitungsmitglied des IT-Dienstleisters Axept.


Nachdem zusammen mit den Anwendern die Service Levels definiert waren, wurde das Pflichtenheft erstellt. Dabei hielt sich Login an die «IT Infrastructure Library» (ITIL)-Standards. Neben der Definition der Service Levels beinhaltet das Pflichtenheft beispielsweise die Anforderungen an den Provider in bezug auf Reaktionszeiten und die Ausfallsicherheit sowie die Regelung der Verantwortlichkeiten. «Ein zentraler Punkt besteht darin, dass man die Services so beschreibt, dass sie messbar sind», sagt Schollenberger. Die Leistungen des Providers müssen überprüft und an die Business Units weiterverrechnet werden können. Das tönt einfach, ist in der Praxis aber nicht sehr leicht umzusetzen. Definiert man die Service Levels zu grob, sind die Leistungen zu wenig transparent, übertreibt man es, versinkt der Provider in einem Papierberg. «Dann wird es extrem kompliziert, weil sich jede kleine Änderung auf zahlreiche Services auswirkt», weiss Schollenberger aus eigener Erfahrung. Das kann zu kostspieligen Vertragsänderungen führen und verhindert zudem eine klare Budgetierung der Dienstleistungen.


Doch nicht nur die Verrechnung an die internen Kostenstellen wird durch eine klare Definition der Services erleichtert, sondern auch die Planung des Wachstums. Bei einer mengenbasierten Abrechnung können die Preise bei steigenden oder sinkenden Stückzahlen schon im voraus festgelegt werden, was nachträgliche Preisverhandlungen überflüssig macht. «Während des Ausschreibungsverfahrens mussten die Anbieter deshalb eine abgestufte Preistabelle ausfüllen», erklärt Schollenberger. So weiss Login schon jetzt, was eine bestimmte Dienstleistung kosten wird, wenn die Nutzung in Zukunft zu- oder abnimmt.


Jürg Schollenberger hält es für sinnvoll, bei der Ausschreibung möglichst viele Provider einzuladen. Man merke schnell, ob ein Anbieter der Aufgabe gewachsen ist. Die interessierten Dienstleister wurden schliesslich zu einem Briefing geladen. «Das war ziemlich ungewöhnlich», erinnert sich Diego Sieber von Axept, der die beiden Lose für Server und Clients für sich gewinnen konnte. «Üblicherweise müssen die Bieter nacheinander zu solchen Briefings antraben.» Jürg Schollenberger dagegen lud alle gleichzeitig ein, wodurch sich rund 50 Leute im Raum befanden. Wozu, so der IT-Verantwortliche, solle er alles zwanzig Mal erzählen, wenn es auch einfacher geht. «Zudem hat diese Methode den netten Nebeneffekt, dass die Anwesenheit der Konkurrenten den Druck auf die Provider erhöht.»



Interessierte Provider fordern

Um das Verfahren für alle Beteiligten so transparent und effizient wie möglich zu gestalten, nutzte Login die Online-Projektmanagement-Plattform «Projectplace». Dort wurden nicht nur sämtliche Unterlagen bereitgestellt, sondern in einem für alle zugänglichen Forum sämtliche Fragen, welche die Provider nachträglich stellten, beantwortet. So wurde gewährleistet, dass alle zu jedem Zeitpunkt den gleichen Wissensstand hatten.


Die serviceorientierte Methode der Ausschreibung war für die beteiligten Dienstleis-ter sehr aufwendig. So musste beispielsweise gleich zu Beginn ein Systemarchitekt beigezogen werden, um mögliche Lösungswege auszuarbeiten, wie sich die geforderten Services erbringen lassen. «Viele haben zunächst angefangen und im Laufe der Ausschreibung aufgegeben», so Schollenberger. Damit habe man schnell erkannt, welcher Anbieter das notwendige Personal und die gewünschte Flexibilität aufbringen kann und will. Vielen Providern sei zudem die serviceorientierte Herangehensweise schwergefallen, weil sie daran gewöhnt sind, technikgetriebene Ausschreibungen zu erfüllen. «Wir hatten sechs bis sieben Leute, die sich mit diesem Projekt beschäftigten», so Sieber. Login habe ein extremes Tempo vorgelegt. Die ganze Ausschreibung dauerte lediglich knappe vier Monate. Für Schollenberger macht es Sinn, die Anbieter mit einem engen Zeitplan herauszufordern. Man merke sofort, wenn man die Schraube zu eng angezogen habe und könne sie dann immer noch lockern. «Wie ein Anbieter mit dem Druck umgeht, sagt viel über seine Kompetenzen aus», ist er überzeugt. Als die Angebote der Dienstleister auf dem Tisch lagen, definierten die Verantwortlichen anhand eines Punktesystems die Wichtigkeit der diversen Kriterien wie beispielsweise Kosten oder Dienstleistungen. So blieben am Ende zwei Anwärter für das Printing-Los und vier für die Lose Client und Server übrig.


Entscheidend für eine gelungene Partnerschaft zwischen Dienstleister und Kunde sind aber nicht nur ein detaillierter Vertrag, sondern die sogenannt «weichen» Faktoren. «Es ist wie bei einer Ehe», so Schollenberger. «Die beiden Partner müssen zusammenpassen.» Um dies zu gewährleisten, lud Login die übriggebliebenen Anbieter erneut ein, um sich vorzustellen. Dabei waren aber nicht nur die Geschäftsleitung anwesend, sondern alle, die bei der Definition der Services mitgewirkt haben und später mit dem Dienstleister zusammenarbeiten müssen. Der Entscheid für die Server- und Client-Services fielen dabei klar zu Gunsten von Axept aus. «Der Dienstleister Axept passt zu Login, weil er wie wir ein mittelständischer Betrieb ist», meint Schollenberger. Als Kunde haben wir bei einem ebenbürtigen Partner ein viel grösseres Gewicht als wir es bei einer Swisscom oder T-Systems hätten. «Ich muss auch mal den Chef anrufen können, wenn es grosse Probleme geben sollte.» Zudem habe sich gezeigt, dass Axept deutlich flexibler auf neue Situationen reagieren könne als die grossen Anbieter im Rennen.


Jürg Schollenberger

Jürg Schollenberger ist 1965 geboren und machte zunächst eine Lehre als Betriebsdisponent bei SBB Informatik. Danach erfolgte eine Informatik-Grundausbildung bei den Winterthur Versicherungen und 1994 die Weiterbildung zum Informatik-Projektleiter mit eidgenössischem Fachausweis. Seit 2003 ist er diplomierter Informatiker und seit 2008 ITIL Service Manager. Schollenberger hatte verschiedene leitende Positionen unter anderem bei den SBB und der Unia inne. Von 1991 bis 2001 war er zudem selbständig erwerbend. Seit 2007 arbeitet er als Leiter Informatik und Telekommunikation bei Login.


juerg.schollenberger@login.org



Projekt In Kürze

· Anzahl Clients: 400 (davon 225 Laptops, 100 Thin Clients und 75 Power PCs)


· Anzahl Printer: 42 (23 MFP und 19 Arbeitsgruppendrucker


· Anzahl Server: ca. 20


· Anzahl Applikationen: 51


· Kosten je Client vor Outsourcing: 6600 (TCO1 Office Clients inkl. Personalkosten)


· Kosten je Client nach Outsourcing: 5200 (TCO1 Office Clients inkl. Personalkosten)


· Zeitaufwand nach Projektphasen: Vorstudie 300 Manntage, Realisierung 700 Manntage


· Kosten Projekt: 1,7 Mio. Franken


· Kosten total: 5,8 Mio. Franken (Server, Client, Netzwerk)


· Vertragslaufzeit: drei Jahre




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