Virtualisierungs-Kur für gesamte IT
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/04
Die Zürcher Fischer Group, bestehend aus den beiden Unternehmen Fischer Chemicals und Fischer Global Services, stand im Sommer 2008 vor einer grossen Herausforderung. Turnusgemäss nach drei Jahren untersuchte man die aktuelle IT-Infrastruktur und hielt nach Möglichkeiten zur Verbesserung Ausschau. Schnell war dem international tätigen KMU mit seinen rund 30 Mitarbeitern (siehe Kasten «Fischer Group») klar, dass um den stetig steigenden Anforderungen an die IT gerecht zu werden und das Wachstum des Unternehmens gewährleisten zu können, ein grösseres Projekt bevorsteht. Daniel Fischer, CEO des Familienunternehmens, wandte sich deshalb an seinen für die IT zuständigen Partner Infranova. Der IT-Dienstleis-ter aus Dietlikon betreut seit April 2008 die komplette IT der Fischer Group.
Im Hauptsitz in Zürich standen bei der Fischer Group vor Projektstart zwei grosse Server, die sich durch zwei Klimaanlagen gekühlt in einem ganz normalen Büroraum befanden. Daneben gab es noch einen SAP-Server. Die Mitarbeiter arbeiteten überall mit Fat Clients, also normalen Desktop-Computern. Updates für die eingesetzten Programme wie Microsoft Office, Abacus, SAP oder andere, branchenspezifische, wurden jeweils manuell an jedem einzelnen PC vorgenommen. Backups machte man jeden Morgen manuell mittels Tapes. Die Infrastruktur und die Anforderungen an die IT wuchsen stetig, es wurde immer komplexer. Nun kam im Sommer 2008 die angesprochene, turnusgemässe Erneuerung. Das Ziel war schnell definiert: Die IT sollte von einer sehr aufwendig gewordenen, wieder zu einer rein unterstützenden, zukunftsgerichteten Sache werden und das Unternehmen seinen Kernkompetenzen nachkommen lassen.
Zusammen mit Infranova wagte Fischer einen grossen Schritt: Man entschloss sich für eine komplett virtualisierte Lösung, sowohl auf Server- wie auch auf Desktop-Seite. Und im gleichen Atemzug führte man eine neue Net-app-Storage-Lösung und Office 2007 ein, sowie einen SAP-Release-Wechsel durch. «Wir wollten keine Salami-Taktik und haben gleich alles, was möglich und sinnvoll ist, auf einmal realisiert», begründet Fischer das gewagte Vorgehen. Mit einer guten und frühzeitigen Planung sei das kein Problem gewesen.
Finanziell war das Mega-Projekt für die Fischer Group kein Wagnis, hat man doch bereits in den Vorjahren Rückstellungen für das grosse IT-Projekt getätigt. Insgesamt investiert und rechnet das Unternehmen pro Jahr und Mitarbeiter mit rund 10’000 Franken für die IT, damit sei auch die aktuelle Umstellung gröss-tenteils gedeckt worden. Laut Infranova hat das Gesamtprojekt, das auf fünf Jahre ausgelegt ist, alles in allem deutlich unter 500’000 Franken gekostet. Es sollte aber nicht nur Kos-ten verursachen, sondern auch welche sparen. Valentin Studer, CEO von Infranova, hat es ausgerechnet: «Wir sparen mit dieser neuen IT-Lösung Energie im Bereich von 50 Prozent, was wiederum rund 11’500 kWh und dem CO2-Ausstoss von drei Vierpersonenhaushalten pro Jahr entspricht.» Ob dem tatsächlich so ist, wird Daniel Fischer bald wissen. «Wir warten gespannt auf die nächste Stromrechnung und werden sie dann genau mit der aus dem Vorjahr vergleichen», verspricht er.
Betrachten wir nun die technische Umsetzung des Projekts etwas genauer. Auf Server-Seite war der erste Schritt der Fischer Group, die bestehenden Server, die nur sehr schlecht ausgelastet waren, zu ersetzen. Sie «stehen» nun virtualisiert mit Xenserver und betreut von Infranova im Rechenzentrum der Colozüri.ch AG, wo sich der IT-Dienstleister eingemietet hat. Zur Virtual-Server-Plattform gehören unter anderem ein Exchange-, Print- und Active-Directory-Server. Ausserdem konnte man auch den SAP-Server virtualisieren und im selben Atemzug virtualisiert im Rechenzentrum unterbringen. Alle virtuellen Server sind insgesamt auf zwei physische Host-Server verteilt und garantierten so die Ausfallsicherheit, die es vorher nicht gab. Verzögerungen bei der Arbeit sollte es praktisch nicht mehr geben.
Mit der Server-Virtualisierung einhergehend hat man auch gleich die gesamten Desktops der Firma virtualisiert und ins RZ verschoben. Die Applikationen werden den Mitarbeitern nun seit Oktober mittels Xen-app direkt von zwei virtuellen Terminal-Servern aus dem Rechenzentrum bereitgestellt. Am Arbeitsplatz stehen nur noch Thin Clients vom Typ Fujitsu Siemens Futro S450. Die Thin Clients sind jeweils mit 512 MB RAM und 256 MB Compact-Flash-Speicher ausgestattet. Auf den Geräten läuft eLux, ein Betriebssystem auf Linux-Basis, das speziell für solche serverbasierten Umgebungen entwickelt wurde. Auch die Büros in Costa Rica, an einem der Auslandssitze der Fischer Group, arbeiten mit Thin Clients und virtuellen Desktops aus dem Rechenzentrum in der Schweiz.
Der Einsatz von Thin Clients und der Desktop-Virtualisierung ermöglicht laut Infranova eine deutlich einfachere Wartung. Die manuellen Installationen und grosse Arbeiten vor Ort fallen weg. Ein Beispiel: Office 2007, das man direkt mit dem Virtualisierungsprojekt neu einführte, wurde bereits auf die neue Art «ins-talliert» beziehungsweise zur Verfügung gestellt. Das ging deutlich schneller als eine Vor-Ort-Installation.
Neben dem Minderaufwand für den IT-Dienstleister schätzt CEO Daniel Fischer an der Desktop-Virtualisierung die deutlich gesteigerte Flexibilität: «Ich kann nun von zu Hause oder einfach von überall her auf meinen Desktop zugreifen und habe überall genau die gleiche Arbeitsumgebung, auch unterwegs.» Das ermöglicht noch ganz andere Dinge. So haben zum Beispiel die Mitarbeiter, die viel unterwegs sind, neu nicht mehr persönliche Notebooks, sondern einige von der Firma zur Verfügung gestellte Pool-Laptops, die alle genau gleich konfiguriert sind. Jeder lädt sich dort seinen Büro-Desktop herunter. Wenn er fertig ist, loggt er sich aus, das Laptop ist wieder im Urzustand, und alle Daten sind gesichert im Rechenzentrum.
Sowohl für die Desktop- wie die Server-Virtualisierung kommt bei der Fischer Group nun also eine Citrix-Lösung zum Einsatz. Das ist eigentlich offensichtlich, wenn man bedenkt, dass Infranova ein Channel-Partner von Citrix ist. «Natürlich wurden VMware und Microsoft als mögliche Virtualisierungsalternativen auch genauer betrachtet», teilt Valentin Studer mit. Aber das hervorragende Zusammenspiel von Citrix Xenapp sowie Xenserver habe schliesslich den Ausschlag dafür gegeben.
Mit dem Stichwort Desktop-Virtualisierung fällt in den meis-ten Fällen direkt auch das Wort «Performance-Probleme». Davon kann auch Daniel Fischer ein Liedchen singen: «Die Internetleitung ist und bleibt bei einer solchen Lösung natürlich der Flaschenhals», meint er. Tatsächlich habe auch die Fischer Group punkto Leistung in den Anfängen ein paar Probleme gehabt. Konkret mussten sowohl die Mitarbeiter in der Schweiz wie in Costa Rica in den ersten Tagen ab und zu läs-tige Wartezeiten in Kauf nehmen. Das Problem wurde aber schnell erkannt und vom Internet Service Provider (ISP) der Fischer Group, Colt, schliesslich behoben. Nun laufe alles in Echtzeit. Sofern es natürlich keine Probleme physischer Natur gebe, wie beispielsweise ein Leitungsunterbruch, der kürzlich für einen längeren Ausfall gesorgt habe. Und kein Internet heisst für das Unternehmen heute: Die Verfügbarkeit der gesamten IT-Infrastruktur ist stark eingeschränkt.
Grosse IT-Projekte sind nicht nur für die direkt dafür Verantwortlichen happig. Auch für alle anderen Mitarbeiter des Unternehmens stellen sie markante Veränderungen dar. Deshalb nahm Fischer seine Angestellten von Anfang an mit an Bord, «weil man mit einer komplett neuen IT den Mitarbeitern nie einen Gefallen macht ...». Es galt zu erklären, weshalb es einige Möglichkeiten nun nicht mehr gibt und wo die Vorteile der neuen Lösung liegen, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht sieht.
Trotz aller Kommunikation im Vorfeld habe es beim Start letzten Oktober trotzdem einige Kommentare und Probleme gegeben, allerdings nichts Gravierendes. Die grösste Umstellung sei, neben Office 2007 natürlich, der Umstieg auf die Thin Clients gewesen. Sie funktionieren nicht mehr wie normale Desktop-Rechner, haben beispielsweise kein DVD- und Disketten-Laufwerk mehr. Dafür hat man natürlich ein paar Rechner vor Ort behalten, wo man seine Daten von und auf solche Medien speichern kann. Ein weiteres Problem stellten die USB-Sticks dar. Nicht jeder lief von Anfang an auf den Thin Clients. Zusammen mit Infranova hat man das Problem aber gelöst. Eingeschränkt sind die Mitarbeiter derzeit nirgends mehr, ausser beim Surfen im Internet. Dessen Geschwindigkeit wurde vorerst auf 64 KB/s beschränkt und ein Flash-Blocker in den Browser integriert, um die Internetleitung für alle anderen Services möglichst frei zu halten. Die Beschränkung soll später, nach einer Analyse des Traffic, aufgehoben werden.
Auch für Infranova stellten die Mitarbeiter der Fischer Group die grösste Hürde da. «Bekanntlich bringen die individuellen Einstellungen für jeden Benutzer immer die grössten Aufwände mit sich», weiss Valentin Studer. Und das war dieses Mal doppelt so herausfordernd, denn das vorliegende Projekt sei ein Pilot gewesen, da man vom Start weg auf neue Produkte wie Xenserver, Xenapp sowie Windows 2008 Server gesetzt habe. Die Veredelung und die Implementation des Zusammenspiels der einzelnen Produkte von Citrix, Netapp, Fujitsu Siemens und Astaro in eine ganzheitliche Lösung zu bringen, sei nicht einfach gewesen.
Apropos Probleme und Herausforderungen: Wie sieht es eigentlich betreffend Daten und deren Schutz aus? Angst, weil Anwendungen und Daten aktuell ausschliesslich auf den zentralen Servern vorgehalten und nicht lokal auf den Endgeräten abgespeichert werden, haben die Mitarbeiter nicht. Auch die Firmenleitung macht sich wenig Sorgen darum, im Gegenteil: «Wir fühlen uns mit dieser Lösung sogar sehr wohl», sagt Daniel Fischer. Unterwegs im Internet sind die Daten zwischen Endgerät und Server zusätzlich mit einer VPN-Technologie von Astaro verschlüsselt. Alles in allem also eine wie von Daniel Fischer gewünschte, ausfallsichere und flexible IT-Lösung.
Zur Fischer Group gehört die Fischer Chemicals AG, Handels- und Dienstleistungsunternehmen für aktive Pharmazeutische Inhaltstoffe (API), Arzneiformen/Zulassungsdossiers, chemische Zwischenprodukte und Nahrungsmittelbestandteile. Am Hauptsitz in Zürich und in den Niederlassungen in Polen (Warschau), China (Xiamen), Indien (Mumbai) und Costa Rica beschäftigt das Unternehmen rund 40 Mitarbeiter. Die Schwestergesellschaft Fischer Global Services ist seit 1998 für die logistische Abwicklung des Handelsgeschäfts zuständig. Mittlerweile führt Fischer Global Services auch Logistik-Dienstleistungen
wie die Organisation von Transporten sowie deren Überwachung, das Erstellen aller nötigen Papiere für den Warenverkehr, die Zollabwicklung oder die Warenkommissionierung für eine Reihe von externen Kunden aus. Beide Unternehmen greifen für ihre vielfältigen Aufgaben auf dieselbe IT-Infrastruktur zurück.
· Auftraggeber: Fischer Group (Fischer Chemicals und Fischer Global Services)
· Involvierte Partner: Infranova, Citrix
· Projektziel: Eine durchgängig virtualisierte IT-Umgebung, die eine möglichst grosse Ausfallsicherheit sowie Flexibilität garantiert
· Gesamtprojektdauer: Juli 2008 bis Ende Oktober 2008
· Gesamtprojektkosten: Deutlich unter 500’000 Franken mit Investitionshorizont auf fünf Jahre
· Errechnete Einsparmöglichkeiten: Energieeinsparungen von bis zu 50 Prozent, was rund 11’500 kWh und dem CO2-Ausstoss von drei Vierpersonenhaushalten pro Jahr entspricht
· Die neue, aktuelle IT-Infrastruktur:
Server: 2x Fujitsu Siemens RX300 S4, 2x Fujitsu Siemens FSC RX220, 2x Netapp FAS 2020C Aktiv/Aktiv Cluster, Citrix Xenapp und Citrix Xenserver 5.0 Platinum Edition
Clients: Rund 35 Endgeräte im In- und Ausland (Notebooks und Fujitsu Siemens Futro S450 Thin Clients)
Bereitgestellte Anwendungen: Microsoft Office, SAP GUI, AS400-Emulationen, verschiedene Spezialapplikationen
Netze: Gigabit-Lan, Anbindung der externen Niederlassungen über Wan-Verbindungen mit 2 bis 4 Mbit/s bzw. via Internet
(mv)