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Wetterbesserung in Sicht

Infoweek klärt rechtzeitig auf und bringt im Cloud-Computing-Schwerpunkt als erstes einen Überblick über den Markt, die Voraussetzungen und den Stand der Dinge in der Schweiz.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/04

     

Bis Ende 2009 werden 76 Prozent aller US-Organisationen mindestens eine ihrer Geschäftsapplikationen übers Internet beziehen, hat das renommierte Marktforschungsunternehmen IDC kürzlich prophezeit. Die Wachstumsprognosen für den US-Markt in diesem Segment wurden von 36 auf 40,5 Prozent für 2009 erhöht, insbesondere weil die derzeitige Wirtschaftskrise als zusätzlicher Treiber gesehen wird. Obwohl in Europa und auch in der Schweiz die Euphorie für das Cloud-Computing-Paradigma noch nicht diese Dimensionen angenommen hat, wird die skizzierte Entwicklung auch bei uns eintreten, mit der üblichen Verspätung von zwei bis drei Jahren.


Der Betrieb von Geschäftsanwendungen ist eine komplexe und aufwendige Aufgabe geworden. Um zum Beispiel eine einfache CRM-Anwendung oder eine Collaboration-Plattform den eigenen Mitarbeitern bereitstellen zu können, werden in der Regel eine Vielzahl von zusätzlichen Softwarekomponenten benötigt. Sicherheitsaspekte wie das Backup der Daten oder der Schutz gegen unbefugten Zugriff müssen berücksichtigt bzw. die dafür nötige Infrastruktur betrieben werden. Wenn der Softwarehersteller einen neuen Release veröffentlicht, ist dieser zwar oft kostenlos, beim Kunden steht aber viel Aufwand an, um dieses Update einzuspielen und tatsächlich nutzen zu können. Um das eigentliche Kerngeschäft betreiben zu können, sind die Unternehmen also gezwungen, sehr viel Geld in die dafür benötigte Informatikinfrastruktur zu investieren. Oft ist es auch falsch, hier von Investitionen zu sprechen, denn ein beachtlicher Teil der meisten IT-Budgets versickert für Wartung und Betrieb. Und noch schlimmer, der Anteil dieser Kosten am Gesamtbudget steigt laufend.



Massiv tiefere Kosten prophezeit

Die Protagonisten des Cloud-Computing-Modells gehen nun davon aus, dass diese Wartungs- und Betriebskosten massiv gesenkt werden können, wenn die Serverinfrastruktur nicht von jedem Kunden einzeln und dezentral betrieben wird, sondern vom Cloud-Anbieter konzentriert und zentral für viele Kunden gleichzeitig vorgehalten wird. Die Skaleneffekte und die effizientere Nutzung der verfügbaren Leistung führen zu diesem Kostenvorteil. Als willkommener Nebeneffekt hat dadurch Cloud Computing auch das Potential, ökologischer zu sein als herkömmliche Inhouse-Installationen.


Voraussetzung für diese Effizienzsteigerung ist die sogenannte Multi-Tenant-Architektur, die auf allen Schichten zur Anwendung kommen soll. Dabei werden nicht für jeden Kunden separate und abgegrenzte Instanzen der benötigten Hard- und Softwarekomponenten bereitgestellt, sondern alle Kunden teilen sich die verschiedenen Komponenten nach Bedarf (siehe Grafik: Multi-Tenant-Architektur). Natürlich wird trotzdem gewährleistet, dass die eigenen Daten gegenüber den anderen Nutzern des Systems sauber getrennt sind.


Dadurch, dass alle Anwender in einer Multi-Tenant-Umgebung den- selben Code nutzen, kann ein Cloud-Anbieter mit viel weniger Aufwand regelmässig Updates für alle Kunden einspielen. Das bedeutet, dass die Nutzer einer Anwendung als Internet-Service viel früher von Innovationen profitieren können als die Kunden klassischer Inhouse-Lösungen. Kommt dazu, dass sie sich nicht um diese Updates zu kümmern brauchen; die neuen Funktionen sind einfach verfügbar.


Was passiert bei Ausfällen?

Weil bei einem Ausfall in einer Multi-Tenant-Umgebung alle Kunden gleichzeitig betroffen sind, wird der Cloud-Anbieter alles daran setzen, diese Ausfälle so selten wie möglich auftreten zu lassen und dafür sorgen, dass sie so schnell wie möglich behoben werden. Der Anbieter kann hierfür Massnahmen ergreifen, die für einen einzelnen Kunden in der Regel nicht finanzierbar sind. Das bedeutet, dass die Verfügbarkeit einer Multi-Tenant-Umgebung in der Cloud in der Regel höher ist als die eigene Inhouse-Lösung und vor allem bei einem allfälligen Ausfall viel schneller wieder in Betrieb ist.


Die technische Komplexität der Informatik-Infrastruktur verschwindet für den Nutzer in die Cloud. Diese Vision wurde schon einmal unter dem Begriff Application Service Providing, abgekürzt ASP, zu realisieren versucht. Das Scheitern der ASP-Idee ist einerseits auf die mangelnden Fähigkeiten der frühen Browser und der zu kleinen Bandbreiten für den Datenverkehr sowie andererseits auf die Single-Tenant-Architektur, die damals in der Regel zum Einsatz kam, zurückzuführen. Eine Firma wie Salesforce.com hätte nie 50’000 Firmenkunden mit mehr als einer Million Nutzern erfolgreich mit Software aus der Cloud beliefern können, wenn sie das im alten Single-Tenant-ASP-Modell versucht hätte.



Begriffs-Vielfalt

Der Begriff «Cloud Computing» ist noch jung. Erst seit Ende 2007 taucht er regelmässig auf, und seit Mitte 2008 steigt seine Einsatzhäufigkeit explosionsartig. Cloud Computing ist als eine Art übergeordneter Begriff zu verstehen, der alle verschiedenen Computer-Services, die, basierend auf einer Multi-Tenant-Architektur, via Internet angeboten werden, zusammenfasst. Software as a Service, Platform as a Service, Infrastructure as a Service, usw. sind somit alles Unterkategorien des Cloud Computing. Wobei gerade die letzten beiden Begriffe von Anbietern solcher Dienste öfters auch als Synonyme zu Cloud Computing verwendet werden.


Mit Software as a Service, abgekürzt Saas, sind einzelne Anwendungen gemeint, die in der Cloud betrieben werden und deren Daten in der Regel auch dort gespeichert werden. Üblicherweise werden sowohl die Applikation wie auch der Datenspeicher von demselben Anbieter bereitgestellt. Wenn die Anbieter entsprechende APIs zur Verfügung stellen, können aber auch Angebote verschiedener Hersteller kombiniert werden. Es ist zum Beispiel ohne weiteres möglich, die CRM-Basisdaten bei Salesforce.com zu speichern, zugehörige Files wie Offerten, Rechnungen usw. aber zum Beispiel beim Amazon-Speicherdienst S3 oder bei Box.net. Wobei solche Kombinationen für den Anwender nahtlos in die User-Umgebung integriert sind.



Diskussion um Anpassbarkeit

Diese Integrationsmöglichkeiten über verschiedene Anbieter hinweg gehören zu den weiteren Aspekten, die das Cloud Computing für viele Kunden und Anbieter so attraktiv machen. Dadurch, dass die Infrastruktur von Grund auf für den Betrieb im Internet entwickelt wurde, sind Kombinationen von Anwendungen bzw. Integrationen oder Mashups auf den verschiedensten Ebenen einfach realisierbar. Voraussetzung ist natürlich, dass die Cloud-Lösungen über entsprechende Schnittstellen, die Webservice-APIs, verfügen. Doch dies gehört heute eigentlich zum Standard, und ein Fehlen solcher Dienste sollte für die meisten potentiellen Kunden ein Grund sein, das Angebot nicht zu nutzen.


Oft wird erwähnt, dass solche Software-as-a-Service-Produkte nur für ganz wenige beschränkte Einsatzgebiete und nur für kleine Kunden sinnvoll seien, da diese nicht angepasst oder eben integriert werden können. Das ist ein Märchen, das von den klassischen Softwareanbietern am Leben erhalten wird. Gut gemachte Saas-Anwendungen lassen sich in der Regel sogar besser anpassen als klassische Software. Der Grund dafür liegt darin, dass der Saas-Entwickler von Beginn weg, aufgrund der architektonischen Anforderungen zur Realisierung der Multi-Tenancy, dafür sorgen muss, dass solche Anpassungen für einzelne Kunden möglich sind, ohne dass am Code etwas geändert werden muss. Die grossen und erfolgreichen Saas-Anbieter wie Salesforce.com oder Successfactors.com haben längst bewiesen, dass sie auch für äusserst komplexe Prozesse in Grossunternehmen eingesetzt werden können.


Diese Anpassungsfähigkeiten beschränken sich längst nicht mehr einfach nur auf das Einfügen von neuen Feldern und Tabellen. Viele Software-as-a-Service-Umgebungen haben sich in mächtige Entwicklungsumgebungen für die Programmierung und den Betrieb beliebiger Applikationen gewandelt. In diesem Falle sprechen wir von Platform as a Service, abgekürzt PaaS. Diese Plattformen bieten in der Regel ein Set an Grundfunktionen, wie User-Verwaltung, Workflows, GUI usw. an, die dann zusammen mit eigenem Code eingesetzt werden können, um individuelle Anwendungen in der Cloud zu betreiben. In der Schweiz gibt es derzeit noch keine Platform-as-a-Service-Anbieter in diesem Sinne. Zu den bereits existierenden Lösungen wie force.com von Salesforce Inc., der Google App Engine, longjump.com, dabbledb und Caspio gesellt sich seit neuestem aber auch Microsoft mit Azure. SAP hat vor kurzem Coghead gekauft, wobei noch nicht ganz klar ist, was die Walldorfer mit diesem PaaS-Anbieter vorhaben. Auf jeden Fall hat Caspio daraufhin gleich ein Übernahme-Programm für Coghead- Kunden angeboten, was ein sehr schönes Beispiel dafür ist, dass bei solchen Internet-Diensten sofort ein anderer Anbieter in die Bresche springt, wenn einer verschwindet. Ganz ähnhlich hat auch Evernote den Google-Notebook-Anbietern eine Schnittstelle für ihre Daten bereitgestellt, als Google bekanntgegeben hat, das eigene Notizenprogramm nicht mehr weiterzuentwickeln.


Grosse Anbieter steigen auf den Zug auf

Noch einen Schritt weiter als die erwähnten Plattform-Anbieter geht Amazon mit seiner Elastic Computing Cloud und anderen Services. Hier wird im Prinzip vor allem Rechenleistung, Speicherplatz und Bandbreite auf Abruf in einer hochskalierbaren und hochverfügbaren Multi-Tenant-Umgebung bereitgestellt. Diese Art von Dienstleistung wird auch Infrastructure as a Service genannt und ist auch als Teilbereich des Cloud Computing zu sehen. Mehr als 400’000 Entwickler sind bereits als Amazon-AWS-Entwickler registriert, wie Amazon kürzlich an der Saaskon in Stuttgart bekanntgegeben hat.


Derzeit sieht es also so aus, dass sich alles in die Cloud bewegt. Microsoft hat vor kurzem ihre Microsoft Online Services weltweit und an den X-Days Mitte März auch für die Schweiz lanciert. SAP dementiert heftig die Gerüchte, dass ihr Saas-Produkt «Business by Design» gescheitert sei. Man geht davon aus, dass SAP noch diesen Herbst eine neue Multi-Tenant-Version ihrer Lösung vorstellen wird. Google ist äusserst erfolgreich mit seinen Google Apps als Alternative zu den Microsoft-Office-Anwendungen unterwegs. Salesforce.com hat den ursprünglichen CRM-Platzhirsch Siebel schon längst in die hinteren Ränge verwiesen. Adobe lanciert ein Produkt nach dem anderen als Service im Internet. Die Swisscom wird mit Teamspace als Saas-Anbieter wieder aktiv. Dieser Zug fährt, und er ist derzeit kaum aufzuhalten.



Angebotslage in der Schweiz

Und in der Schweiz? Ein Blick auf die Ausstellerliste der Topsoft deutet eher darauf hin, dass Cloud Computing bei unseren Softwareherstellern bislang noch kein Thema ist. Abgesehen von Skip5, die von ehemaligen Winware-Leuten gegründet wurde, sind eher Branchenfremde dabei, hier neue Impulse zu geben. So sind die Mini-ERP-Lösungen für Kleinst- und Kleinbetriebe Easysys oder Yourbureau aus der Schweiz von typischen Webagenturen entwickelt worden. Dann gibt es noch ein paar wenige Anbieter von spezialisierten Lösungen wie die Content-Management-Systeme goLeon und DemantIT oder die Branchenanwendungen von Contria.


Von den bekannteren Namen wie Opacc, Abacus, Sage, Vertec usw. werden noch keine echten Multi-Tenant-Saas-Produkte angeboten. Und auch die kleineren Anbieter setzen auf Bewährtes. In unseren Entwicklungsstuben wird offenbar nach wie vor davon ausgegangen, dass die Kunden auch in Zukunft eigene Informatikinfrastruktur betreiben wollen. Eventuell liegt auch der ASP-Schock noch zu tief in den Knochen.


Bei den Hostern beschränken sich die Angebote auf Hosted Exchange, Sharepoint und Online-Backup-Lösungen. Ob das reichen wird, um mit Amazon und Microsoft mithalten zu können? Managed Services und Outsourcing sind zwar da und dort als sinnvolle Alternativen zu sehen, diese werden aber mittelfristig gegenüber Multi-tenant Cloud Computing preislich nicht konkurrenzfähig bleiben.


Es wird wohl nochmals eine Dekade benötigen, bis sich das neue Paradigma wirklich durchgesetzt hat, aber viele der Softwareanbieter, die vor 20 Jahren Software für Systeme von DEC, WANG, IBM usw. entwickelt und die aufkommenden PCs belächelt haben, existieren heute nicht mehr. Hoffen wir, dass es den derzeitigen Schweizer Softwarehäusern und Hostern nicht auch so ergehen wird, denn der Cloud-Computing-Markt ist ein globaler Markt. Auch Amerikaner und Inder können auf fünf Rappen auf- und ab-unden und mit Umlauten umgehen, sobald sie erfahren, dass sie hier Kunden finden.



In Kürze

· In den USA rechnet man für 2009 mit 40 Prozent Wachstum bei Cloud Computing.


· Die Schweiz wird dem Trend mit zwei bis drei Jahren Verspätung folgen.


· Durch Cloud Computing sind massive Kosteneinsparungen möglich.


· Immer mehr grosse Anbieter steigen auf den Zug auf.




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