Die Tücken der Steering Committees
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/02
Alle grösseren IT-Projekt haben Gremien, die den Fortschritt und die Risiken überwachen und steuern. Steering Committees, wie diese Gremien neudeutsch bezeichnet werden, gibt es nicht nur bei internen Projekten, sondern auch bei Vorhaben, an welchen externe Dienstleister mitwirken. Drei Dinge zeichnen diese Steering Committees aus: Sie wissen über die wesentlichen Entwicklungen, Probleme und Risiken des Projekts Bescheid, sie entscheiden über das weitere Vorgehen demokratisch und sie sind meist paritätisch besetzt. Jede Seite darf dieselbe Anzahl an meist namentlich festgelegten Personen in das Gremium entsenden. Es ist somit vergleichbar mit dem Verwaltungsrat einer Firma.
Wenn aber ein Projekt in Schieflage gerät, bergen solche Gremien ihre Tücken. Da wäre einmal die persönliche Verantwortlichkeit der Mitglieder wegen Vernachlässigung ihrer Pflichten, wenn sie zu spät handeln. In der Praxis ist das meist kein Thema, jedenfalls kein rechtliches. Von praktischer Relevanz ist aber eine andere, oft vertraglich festgehaltene Eigenschaft: Kommt es zu Problemen, entscheiden die Steering Committees über das weitere Vorgehen.
Diese mag vernünftig klingen, ist rechtlich aber problematisch. Denn im Gegensatz zum Verwaltungsrat einer Firma, in welchem alle Mitglieder dem Interesse der Firma verpflichtet sind, sind es die Mitglieder eines Steering Committee nicht. Zwar wird kaum einer das Scheitern des Projekts wünschen. Die Vertreter des Anbieters sind aber aufgrund ihres Arbeits- oder Mandatsverhältnisses zum Anbieter rechtlich verpflichtet, seine Interessen wahrzunehmen. Die Interessen des Kunden, die oft genug nicht identisch sind, müssen für sie zweitrangig sein.
Das hat durchaus seine Richtigkeit. Denn letztlich sind es die geschriebenen und ungeschriebenen vertraglichen Abmachungen und gesetzlichen Regeln, die für den Krisenfall bestimmen, wer wofür verantwortlich ist und über das weitere Vorgehen bestimmen kann. Über Rechte und Pflichten, die jede Vertragspartei hat, kann nur der Vertrag entscheiden, nicht aber ein gemeinsames Gremium. Im Steering Committee können Lösungsmöglichkeiten zwar diskutiert werden. Gibt es Knatsch, kann es vermitteln und Entscheide vorbereiten. Jede Seite sollte aber selbst darüber befinden, welche ihrer vertraglichen Rechte sie geltend machen will. Kommt es hierüber zum Streit, ist es letztlich am Richter zu entscheiden, wer Recht hat – was in der Schweiz aber fast nie nötig ist. Für eigentliche Mehrheitsentscheide wie in einem Verwaltungsrat hat es in einer Beziehung zwischen einem Kunden und Anbieter hingegen keinen Platz. Es würde das Konzept der Verbindlichkeit eines Vertrags ad absurdum führen. Ganz abgesehen davon wären Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber den in den Gremien einsitzenden Personen Tür und Tor geöffnet – ähnlich wie bei Verwaltungsräten.
Von erheblicher rechtlicher Relevanz sind Steering Committees im Streitfalle erfahrungsgemäss trotzdem. Selbst wenn sie keine verbindlichen Entscheide fällen, müssen sich die Parteien die Aussagen ihrer eigenen Vertreter in diesen Gremien grundsätzlich anrechnen lassen. Werden diese – wie üblich – schriftlich protokolliert und erhebt der Kunde keine Einwände, können sie allen Schriftlichkeitsvorbehalten zum Trotz sogar zu Vertragsänderungen zu seinen Ungunsten führen. In der Praxis kommt das häufiger vor, als man denkt. Stimmt der Kunde in einem Steering Committee z.B. nach Verspätungen des Anbieters einem neuen Zeitplan widerwillig, aber vorbehaltlos zu, verzichtet er, meist ohne es zu realisieren, auf die Geltendmachung seiner An-sprüche aus der bisherigen Verspätung. Selbst einseitige Aussagen sollten in solchen Gremien somit nur mit Bedacht erfolgen.
David Rosenthal ist Publizist, Lehrbeauftragter und Konsulent für Informations- und Telekommunikationsrecht in der Kanzlei Homburger.