OpenOffice nähert sich langsam Microsoft Office an

Die dritte Version der offenen Büro-Suite OpenOffice.org liess lange auf sich warten. Doch hält die neue Version auch, was sie verspricht? InfoWeek hat getestet.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/01

     

Lange hat sich die Entwicklergruppe rund um OpenOffice.org für die dritte Version der offenen Büro-Suite Zeit gelassen. Entsprechend gross sind die Erwartungen an die neuste Ausgabe. Doch werden diese auch erfüllt? InfoWeek hat die Version 3.0 unter die Lupe genommen. Dabei spielt, wie bei so vielen Dingen, der erste Eindruck eine wichtige Rolle. Dank des neuen Start-Center werden die Anwender von OpenOffice.org 3.0 nicht mehr von einem leeren Dokument, sondern von einer modern gestalteten Startseite begrüsst, von der aus man alle Anwendungen mit einem Mausklick starten kann. Allgemein wurde für die dritte Version am Look von OpenOffice.org gearbeitet, so wirken beispielsweise die Icons nun frischer.


Wer Windows Office 2003 von Microsoft kennt, dem dürfte der Einsatz von OpenOffice.org 3.0 keine grossen Schwierigkeiten bereiten. Die dritte Version der offenen Büro-Suite ist vom Design her extrem an Microsofts Software-paket orientiert. OpenOffice.org 3.0 besteht aus den Features Writer (Microsoft: Word), Calc (Microsoft: Excel), Impress (Microsoft: PowerPoint), einer Funktion zur Erstellung von Datenbanken (Microsoft: Access) und Zeichnungen sowie einem Formel-Editor. Dabei profitiert der Anwender bei OpenOffic.org zudem neu von der Möglichkeit, dass er nur diejenigen Features installieren muss, die er will. Wer also nicht den gesamten Umfang von OpenOffice 3.0 benötigt, der kann ein selber zusammengestelltes Anwendungspaket installieren. Was zudem besonders die Mac-User freuen dürfte, ist, dass die dritte Version als natives Programm und somit ohne X11 auf der Mac-OS-X-Plattform läuft.


Ins Auge sticht beim Word-Konkurrenten Writer 3.0 vor allem die verbesserte Kommentarfunktion, die man unter dem Menü «Einfügen» «Notiz» findet. In der Vorgängerversion von OpenOffice.org signalisierte lediglich ein gelbes Kästchen, dass eine Textpassage mit einem Hinweis versehen wurde. Nun werden die Notizen wie in Microsoft Word permanent angezeigt. Allerdings können auch in der aktuellen Version Änderungen nicht verfolgt oder hervorgehoben werden, ebenso kann das Originaldokument nicht betrachtet werden.


Erfreuen dürften sich die Anwender daran, dass mit dem aktualisierten Writer von OpenOffice.org 3.0 mehrere Seiten gleichzeitig auf dem Bildschirm dargestellt werden. Auch haben die Entwickler an der Zoom-Funktion geschraubt. Zoomen ist dank dem Slider am unteren Rand des Fensters in der Statuszeile einfacher geworden. Auch hier scheinen sich die Entwickler am Konkurrenten Word orientiert zu haben.


Office-2007-Dokumente können dank dem neuen OOXML-Support geöffnet werden, darin vorgenommene Veränderungen können aber nicht im gleichen Format gespeichert werden. Die Unterstützung für .docx, .xlsx und .pptx beschränkt sich also auf read-only. Die geöffneten 2007-Dokumente können aber als ältere Versionen von Microsoft Office, im ODF- oder im OpenOffice-Format gespeichert und dann auch dauerhaft verändert werden.


Das Erstellen von Serienbriefen hat sich inunserem Test als einfach erwiesen. Mit Hilfe des Assistenten braucht es nur wenige Klicks bis zum fertigen Serienbrief. Die Adressen können zudem bequem aus der OpenOffice.org-Datenbank geholt werden.


Dank einer Extension von Sun ist in der aktuellen Version auch der PDF-Import möglich, ohne dass das Dokument zuerst ins Word-Format umgewandelt werden muss. Geöffnet werden die PDFs im Zeichnungsprogramm Draw, wo sie auch verändert und danach wieder gespeichert werden können, allerdings nicht als PDF, sondern im entsprechenden OpenOffice.org-Format. Die Funktion ist durchaus nützlich und erfüllt grösstenteils auch ihren Zweck. Der InfoWeek-Test hat aber gezeigt, dass die Darstellung eher mangelhaft ist. Gewisse Stilvorlagen wie Schriften werden nicht übernommen und die Anordnung der Buchstaben ist teilweise verschoben. Den Extension Manager findet man übrigens auf der Startseite oder in allen Features unter der Rubrik «Extras». Dort wird angezeigt, welche Erweiterungen aktuell zum Download bereitstehen. Die Installation ist einfach und schnell zu bewältigen.


Trotz den Neuerungen ist es aber weiterhin zu empfehlen, dass man sich, wenn man beide Office-Suiten verwendet, dabei vor allem auf grundlegende Formatierungen und Features beschränkt. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Konvertierung in die jeweils andere Suite richtig funktioniert. OpenOffice.org 3.0 kann beispielsweise nicht mit neuen oder erweiterten Office-2007-Features wie SmartArt oder Building Blocks umgehen.


Die in Writer gelobte Notizfunktion lässt in Calc 3.0 zu wünschen übrig. Einzig ein kleines rotes Viereck am oberen rechten Rand der Zelle zeigt an, dass jemand einen Kommentar abgegeben hat. Dafür haben die Entwickler der neuen Version einen Solver-Wizard spendiert, der die Anwender bei Berechnungen unterstützen soll. Er beschränkt sich allerdings auf lineare Gleichungen, der Solver in Microsofts Excel hingegen kann auch mit quadratischen Gleichungen umgehen.Die Spaltenzahl wurde für Calc 3.0 nach oben gedreht. Neu stehen in einer Tabelle bis zu 1024 Spalten zur Verfügung. Die Vorgängerversion bot lediglich Platz für 256 Spalten. Besonders die neue Sharing-Funktion sorgt in Calc 3.0 aber für Aufsehen. Mit einem Mausklick können Dateien mit anderen geteilt werden. Unter «Extras» findet man dazu die Rubrik «Dokument freigeben». Ein anderer Anwender kann in der Datei Änderungen vornehmen, welche der Urheber danach im Originaldokument übernehmen kann. Mehrere Anwender können also gleichzeitig auf ein Spreadsheet zugreifen. Während das Dokument freigegeben ist oder jemand daran gerade Änderungen vornimmt, stehen einige Funktionen nicht zur Verfügung. Diese werden grau dargestellt. Wird ein freigegebenes Dokument wieder gespeichert, so wird es neu geladen und alle anderen Benutzer erhalten die Meldung, dass das Tabellendokument mit Änderungen von einem anderen Anwender aktualisiert wurde. Bearbeiten zwei Benutzer das Dokument gleichzeitig und widersprechen sich, so wird dieser Konflikt angezeigt. Nun muss der eine Anwender entscheiden, ob seine oder die Änderungen des anderen übernommen werden sollen.


Die Entwickler haben das Zuschneiden von Bildern in Draw, und übrigens auch in Impress, aktualisiert. Es ist nun wie gewohnt durch das Ziehen von Anfassern möglich, die sich an den Ecken der Bilder befinden. Die weiteren Tools zur Bildbearbeitung findet man bequem in der unteren Statusleiste. Ansonsten scheint sich bei Draw 3.0 im Vergleich zur Vorgängerversion wenig getan zu haben.


Auch beim Präsentationsprogramm hat sich im Vergleich zu Impress 2.0 nur wenig verändert. Neu ist die Verwendung nativer Tabellen möglich. Tabellen sind somit nicht mehr nur als eingefügte Calc-Objekte verwendbar und können auch als Flash-Datei gespeichert werden. Dank der Sun Presenter Console Extension können mit Impress 3.0 neu mehrere Bildschirme unterstützt werden. Der Referent kann sich also sowohl die Folien anzeigen lassen, die das Publikum sieht, als auch die nächsten Folien seiner Präsentation. Die Verlinkung via Hyperlink auf ein anderes Dokument oder eine Webseite ist einfach, auch für wenig erprobte Anwender. Ebenso leicht gestaltet sich die generelle Erstellung von Präsentationen. Das Menü mit den Grundschritten für das Layout, Tabellen und Animationen findet man am rechten Rand.


Die Handhabung der Datenbankfunktion ist dank des Assistenten, der bei jedem Schritt zur Verfügung steht, relativ einfach. Anwender können hier Datenbanken anlegen sowie Tabellen, Formulare oder Berichte erstellen. Ebenso ist die Verbindung mit bestehenden, Programm-externen Datenbanken möglich. So können beispielsweise die in Outlook gespeicherten Kontakte mit einem simplen Mausklick in die Datenbank importiert werden.


Das Formel-Feature setzt sicher eine gewisse Gewandtheit in diesem Bereich voraus, aber auch hier hilft ein Assistent, wenn man nicht alleine damit zurechtkommt.


OpenOffice.org 3.0 bietet dank der Unterstützung für OOXML eine verbesserte Kompatibilität mit Microsoft Office. Ebenso sorgt der Support der Version 1.2 des Open Documents Format (ODF) für ein einfacheres Zusammenspiel. Was im Vergleich zu Microsofts Office-Paket allerdings auch in der dritten OpenOffice.org-Version fehlt, ist ein Personal Information Manager (PIM) mit E-Mail-Client sowie Kalender-, Aufgaben- und Kontaktfunktionen. Hier empfehlen die Entwickler den Einsatz von Mozilla Thunderbird.


OpenOffice.org 3.0 kann nicht mit der neusten Office Suite 2007 von Microsoft mithalten. Wer aber auf die nur dort vorhandenen Features verzichten kann, für den eignet sich die freie Version der Büro-Suite allemal.

(abr)


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