Sustainability: nachhaltig wirtschaften und arbeiten

Was bedeutet für uns Nachhaltigkeit? Mit dieser Frage müssen sich die Unternehmen befassen – unter anderem weil die Folgen des Klimawandels weltweit immer spürbarer werden und die Staaten zunehmend zu einem Gegenlenken zwingen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2022/01

     

Wenn Personen und Organisationen über das Thema Nachhaltigkeit sprechen, ist oft vom sogenannten Drei-Säulen-Modell die Rede. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass eine nachhaltige und auf Dauer stabile Entwicklung von Gesellschaften nur möglich ist, wenn die ökologischen, ökonomischen und sozialen (Entwicklungs-)Ziele gleichrangig behandelt und nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Diesen Denkansatz findet man auch in der 2015 verabschiedeten Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) sollen nicht nur allen Regierungen, sondern auch Gesellschaften und Unternehmen weltweit als Richtschnur für ihr künftiges Handeln dienen.

Divergierende Interessen

Eine solche Richtschnur ist nötig, weil die Praxis zeigt: Was unter einer «nachhaltigen Entwicklung» zu verstehen ist und wie dieses Ziel erreicht werden kann, ist im gesellschaftlichen Diskurs umstritten. So kritisieren zum Beispiel neo-liberale Denker seit Jahren immer wieder, in der Nachhaltigkeitsdebatte werde die ökonomische Dimension nicht ausreichend beachtet. Deshalb förderten die angedachten Lösungen keine nachhaltige Entwicklung im Sinne eines dauerhaften wirtschaftlichen Erfolgs, der den Wohlstand sichert. Zugleich kritisieren Umweltweltaktivisten, durch die Gleichgewichtung der drei Säulen im Drei-Säulen-Modell werde der Status-quo festgeschrieben. Sie fordern, dass in der Nachhaltigkeitsdebatte die ökologische (und soziale) Dimension stärker als die ökonomische betont wird – ansonsten sei der Klimawandel nicht aufzuhalten.


Aufgrund dieser kontroversen Sichtweisen werden die Begriffe Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung oft auch als «Gummibegriffe» bezeichnet, die jede Person und Organisation abhängig von ihren individuellen Interessen füllt. Deshalb sollten sich Unternehmen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen, zunächst fragen, was diese Begriffe für sie überhaupt bedeuten und hierüber firmenintern ein Commitment herbeiführen. Dabei muss den Entscheidern jedoch bewusst sein, dass ihre Organisation in ein Umfeld eingebettet ist, das konkrete Erwartungen an sie hat; ausserdem, dass die Erwartungen der verschiedenen Stakeholder wie Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Kapital- und Gesetzgeber sich nicht nur wandeln, sondern oft auch divergieren. Denn nur wenn ein Unternehmen die Erwartungen kennt, kann es entscheiden, auf welche sie reagieren wollen, können und müssen.

Aus welchen Motiven befassen wir uns mit dem Thema?

Entsprechend wichtig ist es zu klären, was das Unternehmen überhaupt dazu motiviert, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen. Tut man dies aus einer intrinsischen Motivation – zum Beispiel, weil man selbst davon überzeugt ist, dass ein nachhaltiges Wirtschaften und Arbeiten überlebensnotwendig ist? Oder ist das Gegenteil der Fall? Beschäftigt man sich mit ihm primär, weil man hierzu genötigt wird – zum Beispiel

- weil die für die Produktion benötigten Rohstoffe immer knapper und teurer werden oder


- weil einen der Gesetzgeber durch Vorgaben immer stärker dazu zwingt oder

- weil für die Kaufentscheidung der Kunden das Kriterium «Nachhaltigkeit» immer relevanter wird?

Die Quellen der eigenen Motivation zu kennen, ist wichtig, weil dies einen Einfluss darauf hat, wie konsequent das Unternehmen sein bisheriges Denken und Handeln hinterfragt und wie ganzheitlich im Sinne des Drei-Säulen-Modells die angedachten beziehungsweise praktizierten Lösungen sind.

So liess sich zum Beispiel in der Vergangenheit bei nicht wenigen Produktionsunternehmen konstatieren, dass sie sich mit dem Thema Nachhaltigkeit primär unter dem Effizienz-Gesichtspunkt befassten – also sich zum Beispiel fragten: Wie können wir das Gleiche wie bisher mit einem geringeren Ressourcenaufwand produzieren? Dies auch deshalb, weil hier meist am schnellsten und einfachsten Veränderungen möglich sind. Zudem kann man hierbei oft auch ökonomische Einsparungen erzielen.

Eher zögerlich befassten sich die Unternehmen jedoch mit den beiden anderen Hebeln für eine nachhaltigere Produktion:

- Konsistenz – zielt auf einen Wandel der Produktion ab, so dass nur noch Ressourcen und Technologien zum Einsatz kommen, die die Leistungen der Ökosysteme zwar nutzen, aber nicht belasten (z.B. Nutzung erneuerbarer statt fossiler Energie) sowie

- Suffizienz – zielt auf ein Umdenken bei der Produktion ab. Produziert werden soll nur noch, was und so viel wie wir Menschen wirklich für ein «gutes» Leben in Einklang mit der Natur brauchen (z.B. durch Sharing-Konzepte, Erhöhung der Lebensdauer der Produkte).

Diese Zögerlichkeit ist auch darin begründet, dass in den Bereichen «Konsistenz» und «Suffizienz» Lösungen oft schwierig zu finden und realisieren sind. Zudem sind hierfür meist hohe Investitionen nötig, sofern mit ihnen nicht sogar ein bewusstes Downsizing oder gar ein bewusster Verzicht auf potenzielle Umsätze und Erträge einhergeht.

Bei nicht wenigen Handelsunternehmen konnte man zudem konstatieren, dass sie sich mit dem Thema Nachhaltigkeit primär befassten, weil dieses sich bei ihren Zielkunden zu einem wichtigen Kaufargument entwickelte. Sie erhofften sich durch den Verkauf von Produkten, die umweltschonend produziert und/oder bei deren Herstellung auch Aspekte wie das Tierwohl und eine faire Bezahlung der Rohstofflieferanten beachtet werden, einen Wettbewerbsvorteil und sahen hierin nicht selten sogar eine Chance zum Erzielen höherer Preise und Gewinne.

Erhöhter Handlungsdruck

Künftig wird eine so eindimensionale Herangehensweise an das Thema Nachhaltigkeit meist nicht mehr genügen, um die Markterfordernisse zu erfüllen und die Existenz von Unternehmen nachhaltig zu sichern. Diese These ist nicht gewagt, wenn man sieht, in wie vielen Branchen das Thema Nachhaltigkeit heute bereits alle Anbieter zu einem fundamentalen Infragestellen ihres tradierten Selbstverständnisses und ihrer bisherigen Strategien sowie einer Neudefinition ihres Geschäftsfelds zwingt – so zum Beispiel in der Automobilindustrie und im Energiesektor. Dies auch, weil sich in der Nachhaltigkeitsdebatte ein Thema zum zentralen Treiber entwickelt hat, das noch vor wenigen Jahren im Bereich Umweltschutz eine eher marginale Rolle spielte: der Klimawandel.


Da die Folgen des Klimawandels weltweit immer spürbarer werden, muss man kein Prophet sein, um zu prognostizieren: In den kommenden Jahren wird der Klimawandel von einem wachsenden Teil der Bevölkerung, wenn nicht als Bedrohung des eigenen Lebens, so doch des Lebens ihrer Nachkommen gesehen werden. Hierdurch wird sich das Denken und Kaufverhalten der Kunden weiter verändern. Zudem wird die Politik immer stärker zu einem regulierenden Eingreifen gezwungen sein. Deshalb ist absehbar, dass die Wirtschaft mit immer schärferen Vorgaben im Bereich Umwelt- und Klimaschutz konfrontiert sein wird. Zudem werden immer mehr Leistungsträger der Unternehmen den Klimawandel als existenziell bedrohlich erfahren. Also werden sie ihre Arbeitgeber zunehmend mit der Frage konfrontieren, inwieweit dieser klima- und umweltschonend arbeitet und einen Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele leistet. Deshalb ist die These nicht gewagt: Künftig werden die Unternehmen sich ganzheitlicher im Sinne des Drei-Säulen-Modells mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen und die erforderlichen Transformationsprozesse durchlaufen müssen, wenn sie ihre Existenz nachhaltig sichern möchten.

In den Chef-Etagen fand ein Umdenken statt

Dieses Bewusstsein wächst auch in den Chef-Etagen der Unternehmen. Deshalb findet in ihnen eine wachsende Zahl entsprechender Projekte statt – auch weil ihr Management agieren und nicht nur auf Vorgaben von aussen reagieren möchte. In diesen Projekten dienen die von den Vereinten Nationen formulierten Sustainable Development Goals (SDGs) oft als Basis für eine Reflektion:

- Was bedeutet für uns ein nachhaltiges Wirtschaften und Arbeiten?


- Worin zeigt sich ein solches in unserer Alltagsarbeit, in all unseren Geschäftsbereichen und -prozessen?

- Welche Entwicklungsziele sind unsererseits damit verbunden – ökonomisch, ökologisch und sozial? Und:

- Welche Veränderungen sind hierfür in unserer Organisation auf der kulturellen, strukturellen und prozessualen Ebene nötig?

Aus den Ergebnissen werden dann Nachhaltigkeitskonzepte abgeleitet und hieraus wiederum Change- und Transformationsprojekte. Zudem werden in immer mehr Unternehmen bereichs- und funktionsübergreifende Projektgruppen zum Thema Nachhaltigkeit installiert, die im Dialog mit der Unternehmensleitung das Nachhaltigkeitskonzept weiterentwickeln, denn letztlich gilt: Wenn es um das Thema nachhaltige Entwicklung beziehungsweise nachhaltig wirtschaften und arbeiten sowie die damit verbundenen organisationalen und personalen Veränderungen geht, sind wir zurzeit alle noch Lernende beziehungsweise Suchende nach dem erfolgversprechenden Weg.

Davon unabhängig ist jedoch die Botschaft, dass wir beim Wirtschaften und Arbeiten die Weichen neu stellen müssen, auf der Top-Ebene der meisten Unternehmen angekommen… und damit ist zumindest der Grundstein für die erforderlichen Veränderungen gelegt.

Der Autor

Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER