Im Rahmen der Launch-Veranstaltung für Huaweis jüngste Smartphone-Serie Mate 40 hat der chinesische Technologiekonzern auch neue Online-Dienste vorgestellt, mit denen man die Services von Google und Microsoft direkt konkurrenziert. Dies, nachdem der chinesische Smartphone-Gigant durch die Sanktionen der USA hart getroffen und im Rennen um Platz 1 der Smartphone-Hersteller deutlich zurückgeworfen wurde.
Bei Petal Search handelt es sich um eine Suchmaschine, ähnlich wie Google oder Bing. Sie steht in 170 Ländern und Regionen zur Verfügung und unterstützt über 50 Sprachen. Des Weiteren hat
Huawei mit Petal Maps ein Gegenstück zu Google Maps vorgestellt. Die Kartenanwendung ist etwa in der Lage, die effizientesten Routen zu empfehlen, um verstopfte Strassen zu umgehen. Und mit Huawei Docs bringt das Unternehmen eine mobile Office-Suite analog zu Microsoft Office auf seine Geräte.
Das Huawei-Mobile-Ökosystem, gebündelt unter dem Namen Huawei Mobile Services (HMS) bekannt, wächst also kontinuierlich. Und die kommenden Geräte – womit nicht nur Smartphones gemeint sind – sollen demnächst mit dem hauseigenen Betriebssystem Hongmeng OS respektive im Westen Harmony OS laufen. «Swiss IT Magazine» hat sich anhand des Mate 40 Pro ein Bild gemacht, wie es um die Software steht und wie gut sich damit der (Berufs)-Alltag bereits meistern lässt.
Petal Search
Das aktuelle Flaggschiff von
Huawei, das Mate 40 Pro, nutzt aber noch eine freie Variante von Android 11 mit dem Huawei-Skin EMUI 11. Hierbei sticht zunächst der durch die USA respektive Ex-Präsident Trump erzwungene Verzicht auf die Google-Dienste ins Auge. Huawei versucht, dies mit der eigenen App Gallery so bequem wie möglich zu kompensieren. Da dort aber viele Apps noch nicht zu finden sind, wurde mit Petal Search ein zusätzliches Tool geschaffen, das auf den jeweiligen Firmen-Webseiten oder bei APKPure nach den entsprechenden APK-Files zur Installation von Apps sucht. Die Installation ist zwar nicht ganz so komfortabel wie über einen regulären App Store, aber auch für technisch weniger versierte Anwender machbar. Allerdings müssen viele Updates dennoch manuell aufgespielt werden.
Daneben funktioniert Petal Search auch als allgemeine Suchmaschine, die neben Nachrichten, Bildern und Videos auch Ergebnisse auf normale Suchanfragen liefert. Wie bei Google oder Bing kann man sie auch zum Einkaufen und Buchen von Flügen nutzen. In unserem Test wurden die Suchergebnisse von Microsoft Bing geliefert, obwohl andere Regionen eine unabhängige Indexierung direkt von Huawei bieten. Wer Bing kennt, der weiss also in etwa, wie Petal Search aussieht respektive wie leistungsfähig die Suche ist. In Zukunft dürfte aber wohl auch hierzulande mit einer von anderen Anbietern unabhängigen Suchindexierung zu rechnen sein.
Bei der Suche lassen sich die Resultate auf über 20 Kategorien einschränken, beispielsweise Apps, News, Videos, Bilder, Shopping oder Flüge. Die Suchresultate werden dabei in Form sogenannter Information Cards präsentiert, was nicht nur schön aussieht, sondern auch übersichtlich ist. Daneben lassen sich auch lokale Daten wie etwa Restaurants oder Sehenswürdigkeiten anzeigen, allerdings ohne die von Google bekannten User Reviews. Des Weiteren kann man auch ein Petal Search Widget direkt auf dem Startbildschirm platzieren, was dann etwa so aussieht wie Googles Home Screen Widget. Insgesamt eine gelungene und wichtige Alternative zu Googles Suchmaschine.
Petal Maps
Die Suche ist jedoch nicht der einzige wichtige Dienst, den Google anbietet und
Huawei fehlt, und die Chinesen versuchen mit Petal Maps ein weiteres grosses Paar Schuhe zu füllen. Huaweis Kartendienst arbeitet mit Daten von Tomtom, ist aber, was irgendwie ein Widerspruch ist, nur auf Huawei-Geräten nutzbar. Dafür deckt die App über 140 Länder ab und bietet Echtzeit-Updates für den öffentlichen Nahverkehr, zumindest in Grossstädten (ein Feature, das in der Schweiz leider noch nicht verfügbar ist), und Sprachbenachrichtigungen etwa in Englisch und Französisch, nicht aber in Deutsch. Petal Maps kommt mit allem, was man von einer Karten-App erwartet, einschliesslich einem Navigationsmodus, der es Fahrern erleichtern soll, ein bestimmtes Ziel so schnell wie möglich zu finden. Aber ist Petal Maps wirklich in der Lage, Google Maps zu ersetzen?
Eines vorneweg: Es ist ziemlich klar, dass Google Maps immer noch die ausgefeiltere App ist, und es ist nicht überraschend, dass Petal Maps noch einige Verbesserungen braucht, besonders was die Suchfunktion angeht. Mit dem jüngsten Update für Petal Maps hat das chinesische Unternehmen der App aber einige wichtige neue Funktionen hinzugefügt, ein Hinweis darauf, dass sich Huawei hier nicht einfach nur einen Schnellschuss erlaubt, sondern wirklich aktiv an der Weiterentwicklung der Maps-Alternative arbeitet. So liefert Petal Maps nun auch Informationen über Mautstellen, Fähren und andere besondere Stationen entlang der Route. Sinn und Zweck dieser Verbesserungen ist es, eine einfachere Routenplanung zu ermöglichen, vor allem, weil es Nutzern einen besseren Überblick im Voraus verschafft.
Zusätzlich kann Petal Maps die Route direkt auf dem Sperrbildschirm anzeigen, was bedeutet, dass Nutzer einfach den Bildschirm einschalten können, um Informationen über den richtigen Weg zu erhalten. Das macht insgesamt Sinn, denn das Telefon gesperrt zu halten und bei Bedarf zu entsperren, schont den Akku. Petal Maps bietet zudem auch die Möglichkeit, die vorherige Navigationssitzung fortzusetzen, was besonders praktisch ist, wenn die App unerwartet geschlossen wird. Petal Maps bietet also im Grunde alle wichtigen Features, wie etwa eine effiziente Routenplanung und Informationen zu Lokalen, zum Beispiel die Öffnungszeiten von Restaurants, und kann so im Alltag gut als Google-Alternative verwendet werden. Natürlich kann Huawei aber nicht auf die enorme Datenmenge an User Reviews oder, und das ist ein echter Nachteil, auch Echtzeit-Staumeldungen zurückgreifen, die durch die hohe Verbreitung von Google Maps möglich ist. Und im Test fand die App auch nicht für jede Suchanfrage den richtigen Ort in der Schweiz. Wer aber von A nach B kommen will und nicht ins tiefste Hinterland reist, dürfte keine Probleme mit Petal Maps haben. Schade ist hingegen, dass die App nur auf Huawei-Geräten läuft (es besteht zwar die Möglichkeit, die App als .APK-File herunterzuladen, doch zum Laufen brachten wir diese im Test auf einem Nokia-Gerät nicht). Hat man als Nutzer die Wahl, so ist aktuell Google Maps noch zu bevorzugen. Doch das Argument, auf den Kauf eines Huawei-Smartphones zu verzichten, weil man sein Gerät auch für die Navigation, etwa beim Autofahren oder im ÖV, verwenden will, ist mit Petal Maps weitgehend aus dem Weg geräumt.
Petal Maps erinnert im Design und Funktionsumfang stark an Google Maps. Zwar kommt die App noch nicht ganz an Googles Kartendienst heran, lässt sich aber im Alltag ohne Probleme nutzen. (Quelle: Huawei)
Huawei Docs
Schliesslich startet
Huawei mit Docs einen Frontalangriff auf Microsofts Office Suite. Die App kann auch ganz normal aus dem Play Store heruntergeladen werden und funktioniert auf sämtlichen Android-Geräten. Sie unterstützt eine Vielzahl von Formaten. In Sachen Text etwa: .DOC, .DOCX, .TXT, .RTF. Bei Spreadsheets: .XLS, .XLSX, .CSV, .XLT und mehr. Für Präsentationen: .PPT, .PPTX oder .PPS. Und auch PDF sowie LOG, C, Java, XML und HTML werden unterstützt.
Ein Feature, auf das Huawei besonderen Wert zu legen scheint, ist die Möglichkeit, Dateien direkt aus der Cloud anzuzeigen und zu bearbeiten, womit die App sich auch als Alternative zu Googles Angeboten eignet. So können lokale Dokumente hochgeladen und Cloud-Dateien direkt aus Docs erstellt werden. Alle neuen Dokumente und Änderungen werden so via Huaweis Cloud Service Hicloud synchronisiert. Das funktioniert tadellos, einziger Vorbehalt hierbei ist, dass man eben Huaweis Cloud-Dienst verwenden muss, was nicht alle Nutzer glücklich machen dürfte. Funktional gibt es daran aber nichts auszusetzen, und es ist verständlich, dass Huawei seinen eigenen Cloud Service pushen will.
Der Name Docs ist allerdings etwas trügerisch, besteht die App doch eigentlich aus drei verschiedenen Programmen: Docs deckt dabei das Erstellen, Anzeigen und Bearbeiten von Textdokumenten ab. Positiv fällt hierbei auf, dass Huawei der noch jungen App eine grosse Feature-Fülle verpasst hat. So bietet sie etwa Möglichkeiten wie das Einfügen von Bildern und Tabellen, das Hinzufügen von Kommentaren, das Verfolgen von Änderungen, das Suchen und Ersetzen von Inhalten sowie das Ändern der Formatierung und des Layouts von Elementen. Dateien können zudem verschlüsselt und entschlüsselt werden.
Das zweite Programm im Programm ist die Tabellenkalkulation, die seit dem neusten Update mit an Bord ist: Damit lassen sich Spreadsheets erstellen, anzeigen und bearbeiten. Huawei spricht von mehr als 300 Funktionen, rund 30 Diagrammstilen und mehreren Formeleditoren. Auf den ersten Blick sieht das ganze sehr ähnlich wie Excel oder aber auch Google Sheets aus. Das sollte aber nicht als Kritik betrachtet werden: Man gewöhnt sich schnell ans User Interface und findet auch alles, was man aus Excel kennt, insofern man kein Poweruser ist.
Und auch in Sachen Präsentationen, der dritten Hauptfunktionalität von Huawei Docs, fühlt man sich schnell heimisch, wenn man man Powerpoint kennt. So gibt es eine Vielzahl von Objekt- und Folienübergangsanimationen und es lassen sich auch Bilder, Audio und Videos einfügen. Mit der Tintenfunktion können Nutzer im Präsentationsmodus zudem direkt auf Folien zeichnen und ebenfalls mit an Bord ist ein Touch-basierter Laser Pointer. Das Ganze ist, geschuldet dem Fokus auf mobile Geräte, etwas limitierter als bei der Konkurrenz – man könnte aber auch sagen: Huawei hat sich hier auf die wichtigsten Features konzentriert. Wer Präsentationen im klassischen Powerpoint-Stil erstellen will, der kann das mit Huawei Docs auf jeden Fall tun.
Was Huawei ebenfalls hoch anzurechnen ist, ist die Möglichkeit, PDFs direkt in Docs anzuzeigen und zu kommentieren. Ausserdem lassen sich alle von Docs unterstützten Datei-Formate ins PDF-Format überführen.
Tabellen aus Excel oder Google Sheets lassen sich problemlos in Huawei Docs öffnen. Zu kovertierungsproblemen kommt es dabei nur selten, und diese können leicht geflickt werden. (Quelle: Huawei)
Kompatibilität
Die Tatsache, dass Docs so viele Dateiformate unterstützt, führt unweigerlich zur Frage, wie es mit der Kompatibilität zwischen verschiedenen Office-Programmen aussieht. Um die Konvertierung respektive die Nutzung von Microsoft-Dateiformaten in Docs zu testen, haben wir jeweils mit Word, Excel und Powerpoint sowie Google Docs Dateien erstellt und diese in
Huawei Docs geöffnet. Bei Word-Dateien, sprich .DOC- und .DOCX-Files, gab es dabei überhaupt keine Probleme. Die Dokumente sehen in der Huawei-Anwendung exakt gleich aus, Schrift, Textgrösse und Formatierungen wurden 1:1 übernommen, und das auch in umgekehrter Richtung.
Bei Spreadsheets aus Excel kam es vereinzelt zu Formatierungsfehlern, wobei es sich aber in erster Linie um einfache Fehler handelte, die mit wenigen Handgriffen gefixt waren. Sogar etwas komplexere Files mit Berechnungen und Formeln liessen sich meist ohne Probleme übertragen. Und: Wenn es zu Fehlern kommt, werden diese von Docs hervorgehoben, so dass Nutzer sofort sehen, wenn etwas schiefgelaufen ist.
Powerpoint- und auch Google-Präsentationen in Huawei Docs zu übertragen ist hingegen wenig empfehlenswert. Hier waren die Resultate des Öfteren fast gänzlich unbrauchbar. Allerdings handelt es sich dabei auch um etwas, das im Alltag nicht zu oft vorkommen dürfte. Wer beginnt schon mit der Erstellung einer Präsentation in Microsoft Powerpoint, um dann am Handy mit Huawei Docs weiterzumachen? Trotzdem wäre es schön zu sehen, wenn sich hier in Zukunft etwas tun würde. Auch insgesamt wirkt der Präsentations-Teil von Huawei Docs am wenigsten ausgereift, besonders was die User Experience angeht. Denn auf einem Handy-Bildschirm eine professionell wirkende Präsentation zu erstellen, ist nicht ganz einfach – umso wichtiger also ist das Interface. Zwar fehlt es nicht an Funktionen und Features (gefühlt gibt es etwa 100 verschiedene Tabellen-Varianten oder Übergangsanimationen), doch diese sind teils hinter mehreren Menüs versteckt oder teilweise Kontext-abhängig gar nicht verfügbar.
Abschliessend lässt sich sagen: Der Funktionsumfang von Docs ist beeindruckend und deckt alle wichtigen Bedürfnisse ab. Für Text, Spreedsheets und PDFs kann man die App ohne Einschränkung empfehlen – auch insbesondere, weil die Interoperabilität zwischen Microsofts respektive Googles Formaten und Docs sehr gut funktioniert. In Sachen Präsentationen hat die Konkurrenz aber sicherlich noch die Nase vorne, auch wenn Huawei auch hier bereits einen soliden Grundstein gelegt hat.
Huawei Mobile Services
Huawei hatte nun fast eineinhalb Jahre Zeit, um seine Alternative zu den Google Mobile Services zu entwickeln. Und in den letzten Monaten hat sich in dieser Hinsicht so einiges getan. Die
Huawei App Gallery ist besser bestückt als je zuvor, was aber wiederum nicht bedeutet, dass man jede einzelne App findet, die auch im Play Store zu finden ist – nicht einmal annähernd. Die Anzahl der Apps in der App-Galerie ist zwar stetig gewachsen, und das ist gut zu sehen, aber es gibt immer noch viel Raum für Verbesserungen. Glücklicherweise können Nutzer unter Android aber auch alternative App Stores verwenden, was mit Petal Search ja auch von Huawei selbst befürwortet wird.
Fazit
An der App-Front haben sich die Dinge im Vergleich zu vor einem Jahr stark verbessert. Zwar muss man immer noch mindestens zwei verschiedene App Stores verwenden (vielleicht sogar drei), und obwohl die Petal-Suche gut darin ist, mitzuteilen, was sich wo befindet, führt dies trotzdem zu Mehraufwand, den man auf einem Android-Gerät mit Google-Diensten nicht betreiben muss. Zudem funktionieren einige Apps einfach überhaupt nicht. Die Anzahl dieser Apps ist aber deutlich zurückgegangen, und für diejenigen, die nicht richtig funktionieren, gibt es in der Regel Alternativen. Mit Docs hat
Huawei zudem eine App geschaffen, die eindeutig mit den mobilen Versionen der direkten Konkurrenz von Microsoft und Google mithalten kann. Einziger Wehrmutstropfen ist der Zwang, Huaweis Cloud Service verwenden zu müssen.
Positiv+ Docs: Hohe Kompatibilität mit Microsoft Office, Google Docs, Adobe PDF
+ Docs & Maps: Gratis
+ Petal Search: Apps von alternativen App Stores verfügbar
Negativ- HMS: Teils noch fehlende Apps / App-Unterstützung
- Maps: Nur für HMS-Geräte verfügbar
- Search: Im Grunde genommen Bing-Suchresultate
- Kompatibilitäsprobleme bei Präsentations-Tool
Hersteller/Anbieter
HuaweiPreiskostenlos mit Huawei-Geräten
WertungFunktionalität 5 von 6 Sternen
Bedienung 4,5 von 6 Sternen
Preis?/?Leistung 6 von 6 Sternen
Gesamt 5 von 6 Sternen
(swe)