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Grenzen der Selbstkenntnis
Quelle: Atfinity

Grenzen der Selbstkenntnis

Mittels Kundendaten und neuesten Erkenntnissen der psychologischen Forschung erstellt Atfinity Kundenprofile für Banken und Versicherungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2017/04

     

Mit Insur-/Fintech und Machine Learning verfolgt das Start-up Atfinity einige der zurzeit heissesten Themen. "Damit kann man aber nicht wirklich Software verkaufen", so Thorben Bochenek, Mitgründer und CTO von Atfinity. Lieber redet er über Probleme und deren Lösung. Zum Beispiel für Privatbanken, die sich über die Risikofreudigkeit ihrer Kunden klar werden müssen. Dabei geht es um mehr als nur die Anforderungen des "Know-your-Customer", das die Banken seit der Finanzkrise zwingt, ihren Kunden alljährlich einen Fragebogen vorzulegen. "Was für ein Risiko kann ich einem Kunden zumuten, so dass er die Bank auch bei schlechter Portfolioentwicklung nicht verlässt?" Das ist eine mindestens ebenso interessante Frage. Atfinity löst beide Probleme und das sogar ohne den lästigen Fragebogen. Vielmehr reicht die Analyse der Kunden-E-Mails, um daraus ein aussagefähiges Risikoprofil zu erstellen. Interessanter Nebeneffekt: Ein solches Profil kann von der Eigeneinschätzung des Kunden durchaus abweichen.

Trump und Brexit

Die Software dahinter bezeichnet Atfinity als Client Intelligence Engine. Sie verwandelt personenbezogene Daten wie E-Mails oder Finanztransaktionen in aussagekräftige Persönlichkeitsprofile. Dem zu Grunde liegt das sogenannte OCEAN-­Modell, das die Persönlichkeit eines Menschen in fünf Dimensionen einteilt (Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Verträglichkeit, Neurotizismus). Damit lässt sich nicht nur das Ausmass an Risikobereitschaft abschätzen, sondern auch, ob ein Mensch eher emotionalen oder rationalen Argumenten zugänglich ist. Kombiniert man diese beiden Aspekte, kann sich ein Kundenberater nicht nur überlegen, was das richtige Produkt ist, sondern auch, auf welche Weise er einen Kunden davon überzeugen kann. Das zu Grunde liegende OCEAN-­Modell erregte zuletzt viel Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit dem Big-Data-Unternehmen Cambridge Analytica. Das Unternehmen soll sowohl die Pro-Brexit- als auch die Trump-Kampagne mit Informationen versorgt haben, um gezielt das Wählerverhalten zu beeinflussen. Von den Wellen dieser Ereignisse profitiert jetzt auch das Zürcher Start-up Atfinity.
Das Unternehmen fokussiert nicht nur auf Privatbanken, sondern auch auf Versicherungen. Das OCEAN-­Modell erlaubt nämlich auch, die Ehrlichkeit eines Menschen abzuschätzen. Sind die Versicherungskunden entsprechend klassifiziert, weiss das Unternehmen, bei welchen Schadenfällen man im Zweifelsfall genauer hinschauen sollte. Interessanterweise ist die Versicherungsbranche für die Ideen von Atfinity sogar empfänglicher als die Banken. "Essentiell machen wir ja Data Science, wenn auch mit völlig neuen Methoden und Techno­logien. Und Data Science ist auch das, was die Versicherungen schon lange tun. Der Grundgedanke ist ihnen also durchaus vertraut", so Bochenek.

Engine auf Abruf

Zurzeit steht die Client Intelligence Engine auf Abruf bereit. Ein Kunde zahlt pro ausgewertetem Indikator (Risikobereitschaft, Ehrlichkeit, etc.). Dass Auswertungen dann etwas länger gehen können, liegt auch daran, dass die Daten vertraulich sind. Zwar könnte man sie ohne Problem in Atfinitys Cloud hosten, die Finanz­industrie sieht das aber nicht gern. Genauso wenig dürfen sie ins Ausland oder zu ausländischen Unternehmen. "Wir deployen also bei Swisscom oder in der den Unternehmen eigenen Infrastruktur", so Bochenek. Momentan hat sein Start-up sechs Kunden, mit denen die Software gemeinsam weiterentwickelt wird. In vielerlei Hinsicht sieht Bochenek Atfinity noch am Anfang. "Wir können schon jetzt sehr viel, aber das ist nur die Spitze des Eis­berges." Die Zeit wird zeigen, ob er Recht hat.


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