Swiss IT Magazine: Herr Rey, warum haben Sie sich im vergangenen Jahr entschieden, Ihre Selbständigkeit aufzugeben und zu Deindeal zu wechseln?
Jonathan Rey: Deindeal war ein guter nächster Schritt für mich. Ich wollte nach der Gründung von diversen eigenen Start-ups in einem etablierteren und stabileren Start-up arbeiten. Zudem ist Deindeal ein stark wachsendes Unternehmen. Seit der Gründung vor fünf Jahren hat man jährlich ein zweistelliges Wachstum hingelegt.
Können Sie dieses Wachstum in Zahlen ausdrücken?Deindeal hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 83 Millionen Franken erzielt und gehört mittlerweile zu den zehn wichtigsten E-Commerce-Playern in der Schweiz. Wir haben im vergangenen Jahr über 560’000 Produkte verkauft, ohne Gutscheine oder Coupons mitzuzählen. Interessant ist ausserdem, dass wir 2014 erstmals mehr Traffic von mobilen Geräten hatten. Das Verhältnis im Vergleich zum Desktop lag bei 63 zu 37 Prozent.
Welchen Effekt hat dieses veränderte Nutzungsverhalten?Wir müssen nun zuerst an die mobilen User denken. Die Conversion-Rate von Desktop-Nutzern ist jedoch nach wie vor höher. Das heisst, wir müssen jetzt vor allem Wege finden, damit unsere Kunden sich in den Apps so wohl fühlen wie an den Desktops und mehr und mehr auch mobil bei uns Einkäufe tätigen.
Was unternehmen Sie da ganz konkret?Wir richten unter anderem unser User Interface noch stärker auf unsere mobilen Kunden aus. Wir fahren aktuell bereits mit zwei unterschiedlichen Layouts und zwei Teams. Eines fokussiert sich komplett auf die Entwicklung der Native Apps, das andere auf die Desktop-Varianten im Web und Mobile Web.
Wie setzt sich das IT-Team von Deindeal sonst noch zusammen?Grundsätzlich gibt es drei Teams. Zum einen das eigentliche IT-Team, das ich leite, und das sich um alles kümmert, mit dem der Nutzer in Berührung kommt. Das reicht von der Website über unsere Apps für iOS und Android bis zum Back-end, Front-end und der Quality Assurance. Wir sind aktuell 19 Personen, sechs arbeiten hier in der Schweiz, 13 in Bukarest. Mein Team arbeitet ganz eng mit dem fünfköpfigen Product-Team zusammen, das das Design sowie die Spezifikationen und die Feature-Roadmap für unsere Produkte erstellt. Zudem pflegen wir auch eine enge Zusammenarbeit mit dem sechsköpfigen IT-Operations-Team, das sich auf unsere In-House-Systeme wie unser ERP und Dinge wie Lager, Logistik oder Pricing fokussiert.
Wie würden Sie Ihre Rolle als Head of Technology beschreiben?Meine Aufgabe ist es, die bestmögliche Plattform für unsere Nutzer bereitzustellen. Ich beaufsichtige die Entwicklung und stelle sicher, dass wir als Team funktionieren, das gleiche Ziel verfolgen und auch gut mit den erwähnten anderen Teams zusammenarbeiten. Wir setzen auf Scrum, also eine agile Software-Entwicklung, und haben jeden zweiten Freitag Sprint-Planning-Meetings während denen wir für die kommenden zwei Wochen vorausplanen. Wir planen dabei gleichzeitig für das Web, Mobile Web, iOS und Android, damit wir neue Features möglichst zur selben Zeit für alle vier Plattformen veröffentlichen können. Zudem haben wir ein Front-end- und ein Back-end-Planning.
Mit welchen Projekten beschäftigen Sie sich aktuell?Momentan laufen einige Projekte. Das aktuellste und grösste ist sicher die Migration unserer kompletten Infrastruktur zum Hosting-Provider Rackspace. Ich persönlich beschäftige mich zurzeit zudem intensiv mit der Sicherheit unserer gesamten Plattform.
Sie wechseln also in die Cloud?Wir werden durchaus ein paar Cloud-Komponenten nutzen, speziell für Entwicklungs-Maschinen oder Staging-Server. Für den Rest setzen wir aber nach wie vor auf Standard-Hardware beziehungsweise Managed Server. Vielleicht werden wir in Zukunft, um Peaks abzudecken, auf Abruf Cloud-Server dazu nehmen, aber momentan benötigen wir das nicht.
Können Sie diese Pläne noch etwas ausführen?Klar. Bei guten Angeboten haben wir im Moment bis zu 3000 User gleichzeitig auf unserer Seite. Wenn wir jetzt noch aggressivere und bessere Angebote machen wollen, zum Beispiel eine hochwertige Luxusuhr für 1500 Franken, was locker bis zu 50’000 Concurrent User bedeuten würde, dann müssten wir Cloud-Komponenten dazu nehmen. In ein paar Wochen wird das möglich sein, wenn wir komplett migriert haben. Das eröffnet dem Unternehmen neue Chancen.
Warum sind Sie bezüglich der Cloud eher zurückhaltend? Wegen dem Datenschutz?Nein, Datenschutzaspekte sind ein anderes Thema. Um die Vorteile der Cloud richtig nutzen zu können, muss eine Applikation speziell dafür entwickelt und entworfen worden sein und unsere wurde das nicht. Sie würde also in der Cloud nicht besser arbeiten als jetzt.
Welche weiteren Projekte laufen aktuell?
Ein zweites grosses Projekt ist die Personalisierung unserer Plattform, also personalisierte Inhalte für unsere Nutzer. Wir arbeiten dazu mit dem Zürcher Unternehmen Boxalino zusammen, das diese Art von Technologie anbietet, und haben unsere Plattform mit APIs und Daten tief in ihre integriert. Ein weiteres Projekt, das mich aktuell beschäftigt, ist die Organisation meines und die Zusammenarbeit mit anderen Teams – auch mit dem BI-Team, das ich bis jetzt noch gar nicht erwähnt habe. Hier geht es um die Integration der Daten und die Datenanalyse.
Spüren Sie den Fachkräftemangel in der Schweizer IT-Branche?
Ja, sehr sogar. Wir haben einen grossen Mangel an Talenten. Wir arbeiten mit Ruby on Rails, einer etwas exotischen Technologie, auf die nicht viele Schweizer Unternehmen setzen. Das macht die Sache sicher nicht einfacher. Die letzte Stelle, die ich ausgeschrieben habe, war für einen Ruby-on-Rails-Entwickler mit zwei bis drei Jahren Erfahrung, also eigentlich nichts Aussergewöhnliches. Ich habe 20 Bewerbungen erhalten. Nur zwei davon waren aus der Schweiz und leider passte keiner davon zu uns.
Und was war mit den Bewerbern aus dem Ausland? Hat einer von Ihnen das Rennen gemacht?
Ein paar dieser Bewerber hätten tatsächlich gut zu uns gepasst. Aber jemanden aus dem Ausland, zum Beispiel aus Indien, in die Schweiz zu holen, ist sehr schwer, mal abgesehen von den grossen kulturellen Unterschieden und den Formalitäten für eine Arbeitsbewilligung. Das Recruiting ist aktuell eine grosse Herausforderung.
Haben Sie darum einen Teil der Entwicklung nach Rumänien ausgelagert?
Ganz genau, weil wir hier schlicht keine passenden Leute finden. Zudem profitieren wir natürlich auch von Kostenvorteilen, das möchte ich nicht verschweigen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Entwicklern in Bukarest?
Für uns sind sie integrierte Mitarbeiter, als wären sie hier vor Ort. Wir sind täglich in Kontakt, da wir jeden Tag mit dem kompletten Team ein 15-minütiges Stand-up-Meeting durchführen, während dem wir uns kurz über aktuelle Pläne und Ziele unterhalten. Für die Kommunikation nutzen wir Skype und wir haben einen grossen Screen in unserem Büro.
Ist ein Ausbau des Teams geplant, auch wenn der Arbeitsmarkt derzeit nicht viel her gibt?
Das Team ist in den vergangenen zwölf Monaten stark gewachsen. Nun möchte ich eigentlich vor allem auf Stabilität setzen und nicht mehr gross ausbauen. Vielleicht kommen im Laufe des Jahres ein, zwei neue Mitarbeitende dazu, mehr aber nicht.
Mit welchen Lösungen arbeiten Ihre Entwickler eigentlich?
Wir nutzen im Back-end wie bereits erwähnt das Framework Ruby on Rails. Was das Front-end betrifft, setzen wir auf jQuery und Mustache. Viele Front-end-Module schreiben wir in Javascript, zudem haben wir viel In-House-Code. Weiter arbeiten wir auch mit MongoDB und Redis.
Also kommen in erster Linie offene Technologien zum Einsatz?
Ja, alle diese Technologien sind offen, und das Betriebssystem auf unseren Servern ist Linux.
Und auf den Clients, läuft da auch Linux?
Es gibt in meinem Team einen Mix. Einige nutzen Macs, andere PCs und einige Linux. Wir schreiben nichts vor. Solange jemand mit seiner Maschine entwickeln kann, sind wir zufrieden. Wir setzen auch keine spezifische Entwicklungs-Software ein. Alles, was wir brauchen, ist ein Editor, wie Sublime oder RubyMine.
Nutzen Sie sonst noch spezielle Software?
Wir sind im KMU-Bereich einer der grössten Salesforce-Nutzer in der Schweiz. Und wir arbeiten mit der Atlassian Suite und Confluence sowie Google Docs.
Kommen wir noch zu einem anderen Thema. Welches ist in Ihren Augen die derzeit grösste Herausforderung im E-Commerce?
Um im E-Commerce erfolgreich zu sein, braucht es eine starke IT-Basis. Damit meine ich die ganze Wertschöpfungskette von der Logistik und Warenbewirtschaftung bis zum Preis- und Content-Management. Entweder man macht hier alles selber, so wie wir, und ist dadurch sehr flexibel, oder man kauft sich eine gute Lösung, die alle Bereiche abdeckt und profitiert von hoher Stabilität. Es wird jedoch nicht einfacher. Schauen Sie nur, welche E-Payment-Lösungen es am Markt aktuell gibt und welche demnächst noch kommen werden. Wir müssen solche Lösungen jeweils möglichst schnell integrieren, was nicht so einfach ist.
Und was ist für Deindeal die aktuell grösste Herausforderung?
Immer mehr Menschen kaufen wegen dem starken Franken im benachbarten Ausland ein. Das geht auch an Deindeal nicht spurlos vorbei.
Sind dementsprechend Projekte geplant?
Ja. Wir wollen eine komplett neue Check-out-Applikation entwickeln und mit mehr Payment-Providern, vor allem auch solchen mit mobilen Lösungen, zusammenarbeiten. Und wir wollen mit personalisierten Inhalten ein effizientes Cross- und Up-Selling-Konzept umsetzen.
Welche Projekte stehen in den nächsten Monaten sonst noch an?
Wir wollen die Sicherheit unserer Applikationen noch mehr erhöhen, und zwar von Grund auf. Geplant sind auch automatisierte Tests, und zwar für die ganze Plattform, um eine stabilere Plattform mit weniger Ausfällen zu erreichen. Ausserdem wollen wir unsere Suchfunktion verbessern und investieren wie erwähnt in personalisiertere Inhalte. In den vergangenen zwölf Monaten haben wir die Zahl der Produkte, die wir anbieten, stark erhöht. Dieses Wachstum wird weitergehen und setzt neue Lösungen voraus. Eine weitere grosse Herausforderung ist die User Experience, also das Nutzererlebnis auf Desktop, Tablet und Smartphone mit iOS oder Android und im mobilen Web zu vereinheitlichen, damit sich der Nutzer auf allen Plattformen zu Hause fühlt.
Eine App für Windows 10 ist nicht auf Ihrer Roadmap?
Nein, wir haben die Daten analysiert und aktuell ergibt es keinen Sinn, eine entsprechende Applikation zu entwickeln. Windows-Nutzer können aber unsere Web-Lösung nutzen, auch die mobile Webversion ist sehr gut und wurde erst kürzlich erneuert.
Ist dafür eine App für neue Geräte wie die Apple Watch in Planung?
Ich kann noch nicht zu viel verraten, aber ja, wir arbeiten an einer Applikation für die Apple Watch.
Von was für Investitionen beziehungsweise Zahlen sprechen wir da?
Wir beschäftigen aktuell zwei Entwickler, die sich nur um iOS kümmern. Hinzu kommt ein Mitarbeiter aus dem Design-Team, der etwa zu 50 Prozent auch nur für iOS arbeitet. Und wir haben ja nicht nur iOS, sondern auch noch Android, und auch da gibt es immer wieder neue Geräte und neue Releases.
Auf was für ein Budget können Sie insgesamt zurückgreifen?
Das IT-Budget inklusive Löhne, Software-Lizenzen, Hardware und Hosting ist siebenstellig. Wir müssen wie erwähnt viel in die IT investieren, um innovativ, konkurrenzfähig und up-to-date zu bleiben.