Milliarden von Franken haben Orange, Sunrise und Swisscom in den letzten Monaten in ihre Mobilfunknetze investiert, vor allem um dem rasant steigenden Bedarf an schnellem, mobilem Internet Herr zu werden. Mit Erfolg, wie der von «Swiss IT Magazine» nach 2008 und 2011 mittlerweile bereits zum dritten Mal durchgeführte Feldtest der mobilen Datennetze der drei grossen Anbieter zeigt.
Bis zu 50 Mbit/s mit 4G/LTE
Nach diversen Pilotversuchen in sieben Tourismusregionen sowie in den Städten Bern und Zürich hat Swisscom Ende November 2012 als erster Schweizer Provider den Startschuss für 4G/LTE gegeben. Ende Mai 2013 folgte Orange und Mitte Juni nahm auch Sunrise das Mobilfunknetz der neuesten Generation in Betrieb. Mittlerweile beträgt die Abdeckung bei allen Anbietern mindestens 50 Prozent, wobei der Ausbau vor allem in der Agglomeration, an stark frequentierten Orten und entlang der Hauptverkehrsachsen stark forciert wurde. Auf dem Land hingegen ist die vierte Mobilfunkgeneration meist noch nicht angekommen.
Aber: Die Hälfte der Schweizer Bevölkerung profitiert unterdessen von 4G/LTE. Wobei diese Zahl natürlich nur theoretischer Natur ist, denn es braucht dazu nämlich noch ein entsprechendes Smartphone oder Modem. Und wer Swisscom-Kunde ist, benötigt auch noch das richtige Abonnement. Die Data-Abos des Marktleaders bieten nämlich ein unlimitiertes Datenvolumen, dafür sind die Download-Raten eingeschränkt. Nur mit dem teuersten Abonnement surft man so schnell wie’s geht. Bei Orange und Sunrise ist das anders, hier kommen alle Kunden, egal mit welchem Abo sie unterwegs sind, in den vollen 4G/LTE-Genuss. Dafür gibt es ein maximales Datenvolumen, das pro Monat oder Tag genutzt werden kann. Das einzige wirkliche Abo ohne Einschränkungen findet man momentan darum doch bei Swisscom (Natel Data XL für 69 Franken pro Monat, siehe Tabelle auf Seite 49).
Doch wie schnell ist 4G/LTE? Die drei Provider versprechen aktuell alle Surfgeschwindigkeiten von bis zu 150 Mbit/s (Download) beziehungsweise 50 Mbit/s (Upload). Dabei handelt es sich allerdings um die theoretischen Maximalwerte, die so in unserem Test wenig überraschend nirgends erreicht wurden. Trotzdem können sich die Ergebnisse mit Spitzenwerten von knapp 50 Mbit/s (Download, erzielt im Swisscom-Netz in Winterthur und Rapperswil) beziehungsweise fast 25 Mbit/s (Upload, erzielt ebenfalls im Swisscom-Netz in Winterthur und Rapperswil) durchaus sehen lassen. Zum Vergleich: Das DSL-Abonnement Infinity von Swisscom bietet nur 20 Mbit/s Down- und 2 Mbit/s Upload für 69 Franken pro Monat. Der fixe Internetanschluss daheim ist also in einigen Fällen sogar langsamer oder teurer.
Ein grosser und ein kleiner Lichtblick auf dem Land
Investiert haben die drei grossen Anbieter aber nicht nur in 4G/LTE. Sie betonen immer wieder, dass sie auch daran arbeiten, die Netzabdeckung mit älteren Technologien wie 3G oder 2G zu steigern. So hat Orange Ende Mai 2012 zum Beispiel (endlich) EDGE eingeführt und man ist ohne 3G-Empfang nun nicht mehr ganz so langsam unterwegs.
Auch noch die letzten paar Prozent der Schweiz zumindest mit 3G zu erschliessen, ist aber anscheinend nicht so einfach, wie unser Feldtest zeigt. Dieser führte uns neben den Städten Zürich, Winterthur und Rapperswil nämlich erneut auch wieder in die beiden kleinen Gemeinden Thalheim an der Thur und Dägerlen im Zürcher Weinland. Und dort hat sich zwar etwas getan, aber nur wenig.
In Dägerlen surfen Orange-Kunden dank EDGE im Vergleich zu vor zwei Jahren nun fast doppelt so schnell. Allerdings kann man bei im Schnitt 60 Kbit/s (2011: 26) jedoch kaum von schnell sprechen. Überraschend ist derweil, dass der Empfang mit Sunrise schlechter geworden ist und sich die gemessene Download-Rate mit 48,4 Kbit/s mehr als halbiert hat (2011: 120,4). Bei Swisscom ist derweil alles beim Alten geblieben und man liegt mit 139,4 Kbit/s nach wie vor an der Spitze. Von 3G war an unserem Messtandort im zur Gemeinde Dägerlen gehörenden Dorf Berg derweil bei allen Anbietern weit und breit nichts zu sehen beziehungsweise zu spüren.
In Thalheim an der Thur gab es zwei Überraschungen. Zuerst die positive: Swisscom-Kunden profitieren in der 900-Seelen-Gemeinde neu von HSPA+ und sind damit fast zehn mal schneller mobil im Internet unterwegs. Gemessen wurden beim Herunterladen im Schnitt rund 10,5 Mbit/s (2011: 1,2). Der Upload stieg in den zwei Jahren derweil von 0,9 auf 2,4 Mbit/s. Negativ aufgefallen ist derweil Orange. Im Gegensatz zu den letzten beiden Messungen war dieses Mal keine 3G-Verbindung möglich und die durchschnittlichen Surftempi sind dementsprechend auf 185,8 Kbit/s (Download, 2011: 869,2) beziehungsweise 125,3 Kbit/s (Upload, 2011: 374,5) zusammengesackt. Die Zahlen von Sunrise blieben derweil konstant, wobei der Anbieter in Thalheim nach wie vor den letzten Platz belegt, trotz der Verluste von Orange.
Topwerte in der Agglomeration
Die Spitzenwerte in der Agglomeration stammen wie erwähnt von Swisscom und wurden in Rapperswil und Winterthur erzielt. In der zweitgrössten Stadt des Kantons St. Gallen liegt der grösste Schweizer Telco mit im Schnitt 49,3 Mbit/s (Down) und 23,7 Mbit/s (Up) ganz klar vor der Konkurrenz. Orange bietet derweil eine grössere Download-Rate als Sunrise, dafür gibt es bei Sunrise mehr Upload als bei Orange. Ganz interessant ist dabei, dass wir während den Messungen am Seequai in Rapperswil mit Sunrise schneller Daten hoch- als runterladen konnten (14,4 vs. 10,4 Mbit/s). Bei Orange ist das Verhältnis «normal» und liegt bei 17,2 zu 2,8 Mbit/s.
Sunrise und Orange liefern sich auch in Winterthur, der sechstgrössten Stadt der Schweiz, nur ein Duell um den zweiten und dritten Platz. Während Swisscom-Kunden am Bahnhof Winterthur mit 44,1 beziehungsweise 24,6 Mbit/s surfen, sind es bei Sunrise gemäss unseren Ergebnissen 13,6 beziehungsweise 11,7 Mbit/s und bei Orange 12,0 beziehungsweise 6,7 Mbit/s.
Unser Feldtest führte uns neben Rapperswil und Winterthur wie erwähnt auch wieder nach Zürich, und zwar zuerst ans Bellevue. Und siehe da: Hier haben auf einmal Orange und vor allem Sunrise die Nase vorn. Sunrise erzielte im Herzen der grössten Schweizer Stadt gar seine Spitzenwerte, nämlich 35,5 Mbit/s Down- und 15,5 Mbit/s Upload. Bei Orange wurden derweil 21,0 beziehungsweise 11,4 Mbit/s, bei Swisscom 13,3 beziehungsweise 12,6 Mbit/s gemessen.
Mit 4G/LTE langsamer als mit 3G
Vom Bellevue führte unser Weg via Hauptbahnhof an den Flughafen Zürich. Am Messpunkt in der grossen Bahnhofshalle des HBs zeigte sich schön, dass 4G/LTE nicht nur tolle, neue Maximalwerte ermöglicht, sondern das mobile Netz insgesamt schneller und stabiler macht. Oder anders ausgdrückt: Während bei den letzten Messungen viele Köche den Brei noch gehörig versalzten, waren die Schwankungen aufgrund der vielen Nutzer am HB dieses Mal deutlich geringer. Und die Ergebnisse liegen bei allen Anbietern auch noch deutlich höher als noch vor zwei Jahren. Die Download-Rate ist bei Sunrise mit 17,2 Mbit/s am schnellsten, gefolgt von Swisscom (15,5) und Orange (8,0). Orange bietet dafür mehr Upload (10,4) - ein Phänomen, das wir bereits bei Sunrise in Rapperswil feststellen konnten - liegt aber trotzdem hinter Swisscom (12,0), jedoch vor Sunrise mit 8,6 Mbit/s.
So weit, so gut, dachten wir, als wir am Check-in 3 des Flughafens Zürich eintrafen. Denn: Wir hatten auch hier 4G/LTE-Empfang, und zwar bei allen drei Anbietern. Allerdings war das Signal sehr schwach. Das führte einerseits dazu, dass die Verbindung immer zwischen 3G und 4G – manchmal sogar 2G - hin und her schwankte und somit kein kon-
stantes, normales Surfen möglich war. Andererseits konnten wir feststellen, dass man mit einem schwachen 4G/LTE-Empfang deutlich langsamer surft als mit einem guten 3G- beziehungsweise HSPA+-Empfang. Leider ist die Software, die die Provider mit ihren USB-Modems mitliefern, nicht so intelligent, um dies zu erkennen. Das heisst, man muss die automatische Netzwahl in den Einstellungen ausschalten oder man bleibt im 4G-Netz, auch wenn das 3G-Netz schneller wäre.
Am schnellsten surft man am Flughafen derzeit mit Orange, sowohl was die Download- (22,7 Mbit/s) als auch die Upload-Rate betrifft (1,7 Mbit/s). Bei Swisscom sind es 20,0 beziehungsweise 1,2 Mbit/s, bei Sunrise 15,0 beziehungsweise auch 1,2 Mbit/s. Es liegen also alle drei Anbieter ziemlich nah beieinander, wobei die Messungen übrigens alle im 3G-Netz erfolgten.
Die Schere zwischen Stadt und Land nimmt zu
Die Zahlen aus Rapperswil, Winterthur und Zürich zeigen: Das Wachstum, sowohl was die Download- als auch die Upload-Rate betrifft, ist im Vergleich zur letzten Messung im Jahr 2011 dank 4G/LTE massiv. Besonders schön ersichtlicht ist dies in der Grafik auf Seite 48. Diese zeigt ein weiteres Phänomen, nämlich dass die Schere zwischen Stadt und Land immer grösser wird. Konnten wir 2011 noch mit einer einzigen Skala auskommen, mussten wir aufgrund der grossen Differenzen – von 48,4 bis zu 49’337 Kbit/s beim Download und von 16,8 bis zu 24’633,5 Kbit/s beim Upload – dieses Jahr für eine nach wie vor sinnvolle Darstellung verschiedene Skalen für die verschiedenen Messorte einführen.
Ein weiteres Ergebnis unseres Feldtests ist, dass die Latenzzeiten, also die Laufzeiten eines Datenpakets vom Sender zum Empfänger, ausser auf dem Land erneut gesunken sind. Der Rückgang ist zum Teil massiv. Am schnellsten bewegen sich die Bits und Bytes aktuell bei Orange. Hier beträgt die Latenz in Rapperswil beispielsweise noch 20 Millisekunden. Unter diesen Wert schaffte es sonst niemand.
Swisscom ist und bleibt Spitze
Wiederum haben wir viel gemessen und viel verglichen, doch welcher Anbieter hat denn nun das beste mobile Internet? Am schnellsten surft es sich unterwegs bis auf wenige Ausnahmen eindeutig mit Swisscom – allerdings wie erwähnt nur, wenn man auch Natel Data XL abonniert hat, sonst wird das Tempo deutlich gedrosselt. Dafür gibt es Daten satt.
Dank 4G/LTE macht das mobile Surfen aber auch bei Orange und Sunrise Spass, vor allem, da man hier auch mit dem günstigsten Abonnement volle Leistung erhält. Man sollte jedoch sehr aufmerksam sein, denn dank bis zu theoretisch 150 Mbit/s ist ein monatliches Datenvolumen von beispielsweise 1 GB im Nu weg. Preislich ist Sunrise etwas attraktiver, allerdings arbeitet man bei Orange derzeit anscheinend an neuen Tarifen.
Wer häufig auf dem Land unterwegs ist, kommt trotz allem aber kaum an Swisscom vorbei, weil die Schweizer Nummer eins dort einfach den besseren Empfang bietet und die begrenzente Datenrate hier praktisch keine Rolle spielt.
Drei Provider, drei Modems
Wie üblich haben uns die Telcos für den aktuellen Feldtest ihre neuesten USB-Modems zukommen lassen, natürlich mit 4G/LTE-Unterstützung. Dabei haben wir wie bereits vor zwei Jahren drei verschiedene Geräte desselben Herstellers, nämlich Huawei, erhalten. Aus dem Hause Swisscom erhielten wir den USB-Stick E3276, von Sunrise das Modell E3272. Der einzige Unterschied zwischen den beiden: Der E3276 lässt sich verstellen beziehungsweise hochklappen. Das ist ganz praktisch, weil man so weniger Platz benötigt. Angeführt wird die Horde aber vom USB-Modem E5372 (Bild), das uns von Orange zur Verfügung gestellt wurde und genau genommen eigentlich ein mobiler Hotspot ist, der übrigens auch von Sunrise angeboten wird. Auch Swisscom hat mobile Hotspots im Angebot, setzt dabei aber auf ZTE. Mit mobilen Hotspots kann man das mobile Netz mit anderen Geräten teilen. Das ist zwar schön und gut, aber für das Surfen unterwegs eignet sich der in der Regel kleinere USB-Stick ohne Kabel besser.
(mv)