Google Docs als Office-Ersatz
Quelle: Complecta

Google Docs als Office-Ersatz

Als Stefan Grob die Projektleitung für das Lifestyle-Magazin «Sg9000» übernahm, war für ihn klar: Für die Erstellung der Zeitschrift kommt nur Google Docs in Frage.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/12

     

Die eigene Hochzeit ist wohl eines der einschneidensten Erlebnisse im Leben eines Menschen. Doch dass seine Hochzeit nicht nur sein privates Glück vollkommen machen sollte, sondern auch seinen beruflichen Alltag, damit hat Stefan Grob wahrscheinlich nicht gerechnet. Genau so kam es aber. Denn als er zum ersten Mal mit Google Docs - auf Deutsch auch Google Text & Tabellen genannt - in Berührung kam, wusste er sofort: Dieses Tool würde die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern und Kunden seiner Firma Complecta um einiges vereinfachen. Damals brauchte er Google Docs, um den wichtigsten Tag seines Lebens zu organisieren: «Als meine Frau und ich heiraten wollten, gab es so viel zu organisieren und natürlich wollte jeder mitreden», so Stefan Grob. Wer es selbst schon erlebt hat, weiss wie es ist: Es müssen Termine vereinbart und abgestimmt werden, die Trauzeugen brauchen Adresslisten der geladenen Gäste und die Mutter wiederum will wissen, wer an welchem Tisch sitzt. Zudem gibt es ein Budget, das eingehalten werden muss. Deshalb stellte Grob diese Informationen kurzerhand auf Google Docs und gewährte den wichtigsten Personen Zugriff darauf. Das ist nun fünf Jahre her und Grob arbeitet heute intensiver mit Google Docs denn je. Doch inzwischen braucht er es in erster Linie geschäftlich.

Mit Google Docs ein Magazin erstellt

Seine Firma Complecta erstellt Marketing- und Kommunikationskonzepte sowie Texte und Artikel für Kunden wie Coop und Spick, das Schülermagazin. Grob gründete Complecta im August 2000, damals existierte Google Docs noch nicht und wie die meisten Unternehmen arbeitete auch Grob anfangs noch mit einem einfachen Office-Paket von Microsoft. Doch als die Aufträge zunahmen und die Firma von damals einem Mitarbeiter auf heute fünf wuchs, stiegen auch die Anforderungen an die Server-Infrastruktur: «Wir haben eine sehr einfache Server-Infrastruktur, die keine Zugriffe von extern ermöglicht», so Grob. Schnell merkte er, dass eine Lösung her musste. Denn der Datenverkehr nahm immer mehr zu und die verschickten E-Mails mit Anhang wurden immer grösser. Also begann er, Dokumente, die er mit jemandem Teilen wollte, auf Google Docs zu stellen. Als er dann 2010 die Projektleitung für ein Lifestyle-Magazin für die Stadt St. Gallen übernahm, entschied er sich, für die Erstellung der Zeitschrift komplett auf die Office-Anwendungen von Google umzusteigen. «Für dieses Magazin arbeiten wir mit vielen externen Mitarbeitern zusammen – dazu gehören Autoren, Fotografen, Graphiker sowie ein Art Director», so Grob. Sie alle brauchen Zugriff auf die Texte und Bilder, die für das Magazin zusammen kommen. «Da lag es auf der Hand, für dieses Projekt Google Docs einzusetzen», erklärt Grob. Klar, es hätte andere Möglichkeiten gegeben – beispielsweise, einen Microsoft Exchange Server oder Windows Small Business Server zu nutzen. «Aber diese Alternativen sind sehr teuer. Zudem bräuchte es ein gewisses IT-Know-how, um diese Software-Pakete aufzusetzen», meint Grob. Er habe dieses Wissen nicht und hätte es deshalb von einem Fachmann installieren lassen müssen – was erneute Kosten verursacht hätte. «Das war nicht in meinem Sinn. Ich suchte etwas Praktisches und Günstiges.»

20 Dollar Kosten pro Jahr

Im März dieses Jahres erschien die erste Ausgabe des St. Galler Lifestyle-Magazins «Sg9000» – zusammengestellt und koordiniert mit Google Docs. Die erste Ausgabe sei noch etwas schwierig gewesen. Das lag aber in erster Linie an der Organisation, die noch optimiert werden musste, und weniger an Google Docs selbst. Auf der Plattform können Dokumente für Mitarbeiter entweder zur Ansicht oder zum Bearbeiten freigeschaltet werden. Die Anzahl Leser und Bearbeiter ist auf 200 begrenzt – vorausgesetzt das Dokument ist nicht öffentlich einsehbar. «Man muss von Anfang an klar festlegen, wer worauf Zugriff hat», so Grob. Zudem sei es wichtig, dass der Ablauf und die zeitliche Planung für alle ersichtlich sind. Sonst passiert es beispielsweise, dass ein noch nicht fertig geschriebener Artikel vom Grafiker bereits ins Layout eingefügt wird. Grob machte deshalb eine Schulung für alle Mitarbeiter, bevor es an die Planung des zweiten Magazins ging. Dabei ging es weniger darum, den Leuten Google Docs näher zu bringen: «Die Anwendungen sind sehr intuitiv und einfach gehalten», so Grob. Vielmehr mussten Prozesse definiert und die Zugriffe geregelt werden. Sein Ziel sei es, so Grob, den Mitarbeitern so viel Freiraum wie möglich zu gewähren. Anders gesagt: Das selbständige Arbeiten sowie die nahtlose Zusammenarbeit so zu fördern, dass er selbst kaum noch eingreifen müsse. Und genau das habe ihm Google Docs ermöglicht. Aber nicht nur: Es erspart ihm und seinen Mitarbeitern auch sehr viel Zeit, die sie sonst mit dem E-Mail-Verkehr mit externen Mitarbeitern und Kunden verbringen würden. Das ständige Hin- und Herschicken von riesigen Datenmengen – seien es Texte oder Bilder – wird überflüssig. Auf Google Docs reicht ein Klick, um ein Artikel mit jemand anderem zu teilen oder ihm diesen in einem Link per Mail zu schicken. Zudem können Statusberichte versendet werden und die Daten sind immer und überall abrufbar - egal an welchem Computer man gerade sitzt.
Auch das gesamte Verlags-Management des Magazins, also Inserateplanung, Verwaltung der Inserenten sowie Ertrag und Ausgaben wickelt das Unternehmen über die Google Tabellen ab. Und das Beste: «Ich brauche dafür keine grosse Server-Infrastruktur», freut sich Grob. Denn die Server stehen alle bei Google und werden von Google unterhalten. Keine mühsamen Updates, keine Server-Ausfälle und dafür unendlich viel Speicherplatz – zumindest fast. Neben Google Docs nutzt Complecta auch den Google Kalender, der mit dem Kalender von Windows Outlook zu vergleichen ist. Er hat jedoch einen entscheidenden Vorteil: Neben den Mitarbeitern können bei Bedarf auch Familienmitglieder auf den Kalender zugreifen, eigene Kalender führen und diese wiederum miteinander abgeglichen werden. Das kann heutzutage von Vorteil sein, wenn es beispielsweise darum geht, wer das Kind am Morgen in die Krippe bringt und wer es am Abend wieder abholt. Zudem nutzt Grob Google Blogs als Intranet für seine Firma. Bezahlen muss er für all diese Anwendungen nichts. Einzig den Speicherplatz muss Grob berappen: Derzeit sind das 20 Dollar pro Jahr für 80 Gigabyte Speicherplatz. Man könnte natürlich auch mehr Speicherplatz kaufen: 1 Terabyte kostet 256 Dollar im Jahr. Doch so viel braucht Complecta für die Erstellung des Magazins nicht. Zum Vergleich: Ein Office-Paket von Microsoft kostet rund 800 Franken, dazu kämen noch Infrastrukturkosten von mehreren Tausend Franken.

Wo Google Docs nicht ausreicht

Aber es gibt natürlich auch Abstriche: Die Möglichkeiten der Textbearbeitung sind bei Google Docs auf ein Minimum reduziert. Besonders wenn es um Formatierungen geht, kann Google Docs mit Word und Excel von Microsoft nicht mithalten. So können beispielsweise keine Inhaltsverzeichnisse oder Fussnoten erstellt werden. Zwar können Word-, Excel- oder PDF-Dateien auch mit Google Docs problemlos angeschaut werden, doch will man diese bearbeiten, muss man sie zuerst konvertieren und dabei gehen oft viele Formatierungen verloren. Hier würde sich der Geschäftsführer von Complecta von Google noch einige Verbesserungen wünschen. Und ganz ohne Alternativen geht es dann doch nicht: Überall, wo Google Docs an seine Grenzen stösst, greifen die Mitarbeiter von Com-plecta nämlich auf die offene Büro-Suite Open Office zurück. Sollte auch das nicht ausreichen, hat Grob auf einem Computer in seinem Büro noch immer das Office-Paket von Microsoft. Dies in erster Linie, weil er von Kunden immer mal wieder Dokumente erhalte, die nicht nachvollziehbare Formatierungen enthalten, welche weder umgangen noch angezeigt werden können.
Ein weiterer Nachteil von Google Docs ist, dass bei einem Ausfall des Internets die gesamte Firma nicht mehr arbeiten kann. Darüber, wie sicher seine Daten auf den Servern von Google sind, macht sich Grob dagegen keine Sorgen. Im Gegenteil: «Über die Daten auf meinem eigenen Server mache ich mir mehr Gedanken.» Trotzdem lade er die erstellten Dokumente natürlich regelmässig runter, als Backup sozusagen. Doch bisher habe er es noch nie erlebt, dass Daten verloren gegangen sind oder Google gar einen Ausfall hatte. Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Arbeit mit Google Docs eine grosse Flexibilität voraussetzt. Denn Updates sind nicht selten und es kann vorkommen, dass man sich bei Arbeitsbeginn plötzlich mit einem ganz neuen Layout konfrontiert sieht. Oft müssen die Mitarbeiter dann einfach ausprobieren und die neuen Funktionen auf eigene Faust entdecken. Dasselbe gilt, sollte Google jemals einen Ausfall haben. Man steht letztendlich alleine da, es gibt keine Hotline, die Hilfe anbietet wenn Störungen auftreten. Trotz dieser Abstriche hat Grob den Entscheid, mit Google Docs zu arbeiten, nie bereut und wird dies auch in Zukunft tun. Für jene, die einen solchen Schritt auch in Erwägung ziehen, hat er folgende Tips: «Es braucht mindestens eine Person im Unternehmen, die einem solchen Tool gegenüber aufgeschlossen ist und damit experimentiert und Erfahrungen sammelt, bevor es tatsächlich zum Einsatz kommt.» Zudem müssen die Mitarbeiter darauf sensibilisiert werden. Denn auch wenn es sehr einfach aufgebaut sei, stecke eine ganz andere Philosophie der Zusammenarbeit als bei anderen Office-Produkten dahinter. (dv)


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