Wettrüsten bei den Number-Crunchers
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/20
Die bevorstehende Veröffentlichung der Top500-Liste der Supercomputer bringt wie jedes Jahr das Blut bei den Herstellern in Wallung. So wird dieses Jahr nicht nur ein neuer Spitzenreiter erwartet, der den jahrelang führenden Earth Simulator von NEC entthronen dürfte, sondern auch eine Reihe neuer Architekturen, die eine markante Leistungssteigerung innerhalb der nächsten zwei Jahre erwarten lassen.
Weder IBM noch Intel konnten sich bei der Bekanntgabe der Leistungswerte ihrer stärksten Supercomputer bis zur offiziellen Veröffentlichung der Top500-Liste der Supercomputer, welche für den 9. November geplant ist, zurückhalten. Bis Anfang November durfte sich IBM noch den Spitzenplatz erhoffen, leistete doch BlueGene/L, die kleinste Ausbaustufe von IBMs aktueller Supercomputer-Architektur, 36,01 TeraFlops/s, womit man ganz knapp NECs Earth Simulator (35,86 TeraFlops/s) überholen konnte. Nun hat aber Intel mit dem Columbia-Cluster der Nasa IBM die Suppe versalzen. Dieser soll nämlich bereits mit 16 Knoten eine Rechenleistung von 42,7 TeraFlops/s erreichen. Die Endausbaustufe, bestehend aus 20 Knoten und 10'240 Itanium-2-Prozessoren, soll gar 51,9 TeraFlops/s leisten.
Diese schlechten Nachrichten sorgen mindestens bei NEC keinesfalls für Lethargie. So hat man bereits die nächste stark skalierende Supercomputer-Architektur in der Pipe. Sie baut auf SX-8 getauften Knoten auf, von denen sich bis zu 512 zu einem Supercomputer zusammenstecken lassen. Jeder dieser Knoten kostet rund 11'000 US-Dollar und erreicht eine Rechenleistung von 128 GigaFlops/s. In der maximalen Ausbaustufe entspricht dies einer Rechenleistung von 65 TeraFlops/s.
Auch Cray möchte wieder mitmischen und hat mit dem Cray XT3 den dazu passenden Supercomputer im Portfolio, der auf Opteron-Prozessoren von AMD basiert. Der XT3, der ab 2 Millionen Dollar zu erwerben ist, wurde zusammen mit den Sandia National Laboratories entwickelt und bereits an die ersten Kunden ausgeliefert. Die Architektur, die zwischen 200 und 30'000 Prozessoren aufnehmen kann, soll bis zu 144 TeraFlops/s leisten. Bereits 2007 sollen erste Modelle mit einer Spitzenleistung von bis zu 250 TeraFlops/s ausgeliefert werden.
Angesichts der Tatsache, dass IBM mit ihrer BlueGene-Architektur auf bis zu 360 TeraFlop/s Rechenleistung kommen möchte, kann man für die nächsten Top500-Listen einige neue Spitzenreiter und eine starke Leistungsentwicklung erwarten.
Während China lange Zeit bezüglich Super Computing an der kurzen Leine gehalten wurde, scheint nun Bewegung ins chinesische Super Computing zu kommen. In der Top500-Liste konnte
China bereits auf Rang 4 der Länder mit den meisten Supercomputern aufsteigen. Mit Steve Chen, der in den 80er Jahren für Cray gearbeitet hat, ist einer der brilliantesten Designer von Supercomputern in den chinesischen Markt eingestiegen, der mit seiner eigenen
Firma vor allem der ausländischen Konkurrenz von IBM Aufträge abluchsen dürfte. Auch bezüglich Fertigungstechnologie für Prozessoren scheinen sich die Schleusen zu öffnen: Grace erhält von amerikanischen Partnerfirmen die nötige Technologie zur Produktion von Prozessoren mit einer Strukturbreite von 130 nm. Der 90-Nanometer-Prozess soll bereits 2005 eingeführt werden.