Mit Patenten gegen Open Source

Microsoft will künftig auch für Open-Source-Software Lizenzzahlungen einfordern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/12

     

Auch wenn die Softwarepatente in der europäischen Union noch nicht unter Dach und Fach sind (siehe InfoWeek 11/2004), lassen Ankündigungen von Microsoft und anderer Hersteller vermuten, was der Softwareindustrie bei einer Verabschiedung der Patentrechtsnovelle blüht.
Microsoft kann auf einen Fundus von über 4500 Patenten zurückgreifen, die unter anderem beschreiben, wie Dateien abgespeichert oder Texte auf einem Monitor dargestellt werden. Auch der «Doppelklick» gehört dem Softwareriesen aus Redmond.




Bisher haben andere Softwarehersteller wenig davon gespürt, hat Microsoft doch bis anhin ein eher untergeordnetes Interesse am Geschäft mit Patenten gehabt. Doch seit Dezember 2003 sieht das anders aus: Die Redmonder bieten nun ein Lizenzierungsprogramm für Patente an. Entsprechende Angebote für Windows und andere Quelltexte, Kommunikationsprotokolle oder die XML-Vorlagen von Microsoft Office sollen folgen. Das US-amerikanische «Wall Street Journal» berichtet, dass Microsoft heute mit mehr als 100 Unternehmen und anderen Institutionen in Lizenzverhandlungen steht. Microsoft-Chefanwalt Brad Smith lässt verlauten: «Wir sind dazu bereit, unsere Patente an alle Interessenten zu lizenzieren. Dies umfasst
definitionsgemäss auch Open-Source-Produkte.»





Derartige Aussagen sorgen in der Open-Source-Szene für Unruhe. Denn man hat Angst, dass Microsoft im Stile einer SCO gegen Distributoren oder sogar gegen die Endnutzer von Open Source vorgeht: Geld oder Prozess. Derartige Szenarien würden zwangsläufig das Ende von Open Source darstellen, wird doch für die Software allein kaum Geld verlangt. Ähnlich sieht man das auch bei der Public Patent Foundation, deren Geschäftsführer Daniel Ravicher der Meinung ist, dass Microsoft um diesen Schritt gar nicht herumkommt, sofern sie nicht ein Glaubwürdigkeitsproblem haben will: «Noch hat Microsoft niemanden verklagt, doch wir glauben, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis es so weit ist.» Hinzukommt: Bereits im Jahr 2001 hat man bei Microsoft davon gesprochen, gegen Open-Source-Software wegen Patentverletzungen vorzugehen. Dass man bisher davon abgesehen hat, liegt laut Experten vor allem daran, dass in der EU Softwarepatente noch nicht über eine rechtliche Grundlage wie in den USA oder in Japan verfügen.


Doch Microsoft ist nicht alleine mit einer grossen Patentsammlung, in der teilweise essentielle Techniken in der Informatik beschrieben werden: IBM verdient pro Jahr weit über eine Milliarde Dollar durch Lizenzen, und Network Associates alias McAfee wurde jetzt Urheberrechtsschutz für Anti-Spam-Systeme zugesprochen, die Methoden und Computer-Programme zur Filterung unerwünschter E-Mails, darunter Bayes-Filter, umfassen.


Kommentar

Die jüngsten Trivial-Patente von Microsoft und Network Associates sind «Meister Proper» für die Klarsicht auf die Patentproblematik im Software-Bereich. Die zuständigen Ämter und
Politiker sollten endlich begreifen, dass sie eine so junge Industrie und alteingesessene Wirtschaftszweige wie die Maschinenindustrie nicht mit der gleichen Patent-Elle messen können. Die Softwareindustrie steckt vergleichsweise noch in den Zeiten der Manufakturen und entwickelt sich mit einer mehrfachen Geschwindigkeit. Jede zweite Umsetzung von gesundem
Menschenverstand in digitale Programmabläufe bedeutet heute noch
eine «Erst-Entwicklung». Werden all diese Mini-Schrittchen jetzt mit Patenten «gewürdigt», dürften die einzelnen Applikationen in 10 bis 20 Jahren mit Hunderten von Lizenzen belegt sein und entsprechend teurer werden.



Daniel Meierhans




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