Editorial

Zertifikats-Management ist Sache des Staates

Seit Swisskey die Zertifikatsherausgabe aufgegeben hat, diskutiert man in Bern, ob der Bund bei der Herausgabe und der Verwaltung von Zertifikaten das Zepter übernehmen soll - dazu die Meinung von Chefredaktor René Dubach.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/25

     

Wir dürfen dem Staat keine neuen Aufgaben zuschanzen, wir müssen ihm welche entziehen." Christoph Blochers Rundumschläge sind bekannt, und ich stehe ihnen so skeptisch gegenüber wie viele andere Schweizer auch.



Dies erst recht, wenn man Blochers Demagogie auf die angepeilte staatliche Kontrolle von digitalen Zertifikaten überträgt, wie Sie Ende Juni im Nationalrat debattiert wurde.




Seit Swisskey die Zertifikatsherausgabe aufgegeben hat, diskutiert man in Bern, ob der Bund bei der Herausgabe und der Verwaltung von Zertifikaten das Zepter übernehmen soll - in meinen Augen der einzig richtige Weg, wenn das Zertifikats-Chaos verhindert werden soll.



Dass das Handling der Zertifikate in der Schweiz einer Regelung bedarf, steht für mich ausser Frage. Die Wirtschaft allerdings halte ich für ausserstande, diese Funktion wahrzunehmen - zu unterschiedlich sind die Meinungen und die angestrebten Ziele.



In der Schweizer Konkordanz-Demokratie haben solche Vorhaben aber einen schweren Stand, wie auch unlängst die Debatte im Nationalrat gezeigt hat. SP-Nationalrat Paul Günter initialisierte die Diskussion mit der dringlichen Interpellation "Verschwindet mit Swisskey unsere E-Zukunft?" und plädierte für eine komplette staatliche Kontrolle: "Eine starke Führung in diesem Sektor durch unseren Staat ist ein Muss".



Was als ernsthafte Auseinandersetzung begann, wurde von FDP-Nationalrat Georges Theiler dann schnell ins Lächerliche gezogen. "Ich frage mich, ob das Verschwinden von Swisskey derart dringlich ist, dass wir deshalb das ganze Tagesprogramm um eine halbe Stunde hinausschieben müssen", worauf er nachdoppelte: "Ich kann mir vorstellen, dass das Büro 'Swisskey' mit 'Whiskey' verwechselt hat. Die Frage 'Verschwindet mit Whiskey die europäische Zukunft?' wäre natürlich etwas dringlicher gewesen."



Die Diskussion unter den Parlamentariern ist symptomatisch für die Uneinigkeit bei dieser Thematik. Zwar belegen Studien, dass gerade die Unsicherheit beim E-Commerce einen Durchbruch auf der ganzen Linie verhindert. Dass viele Probleme mit einer zentralen Zertifikatsverwaltung eliminiert werden könnten, scheint aber auch bei jenen Politikern nicht bekannt zu sein, die es eigentlich wissen müssten.



Ein Beispiel wäre FDP-Frau Maya Lalive d'Epinay, seit kurzem auch Präsidentin des grössten Schweizer Informatikerverbandes, des SwissICT. Sie erklärte doch an besagter Nationalratssitzung, sie habe Swisskey "bisher nicht benötigt" und denke, "den meisten KMU" gehe es "genau gleich". Zudem wolle sie nicht, "dass der Staat ein defizitäres Geschäft übernimmt".



Liebe Frau Lalive d'Epinay, muss denn eine Zertifikatsstelle Gewinn abwerfen? Sorgt denn etwa das Handelsregisteramt oder das Passwesen für volle Kassen? Ich denke nicht, dass dies das Ziel einer landesweiten Zertifizierstelle sein muss. Viel mehr muss damit Sicherheit und Vertrauen geschaffen werden, damit der E-Commerce endlich ins Rollen kommt.



Wenn Blocher meint, "was Private ebenso gut und besser leisten als der Staat, sollen Private übernehmen", hat er in mancher Hinsicht recht. Sicherlich aber nicht bei digitalen Zertifikaten. Denn hier hat sich die Privatwirtschaft bis jetzt als unfähig erwiesen, und es gibt keinen Anhaltspunkt, dass das künftig anders sein soll.

(rd)


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