Editorial

Globalisierung findet nicht statt

Die Globalisierung findet für den Konsumenten nicht statt. Dies ist ein Fakt, der auch in anderen Bereichen des Verbraucherlebens spielt, vom Verbot des Parallelimports von Medikamenten bis zu Perversitäten wie der Patentierung von Parfümverpackungen zwecks Behinderung von Billig-Parfümerien.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/09

     

Good News, nein: better oder sogar best News aus Cupertino - zumindest für den Musikliebhaber. Apple bringt erstens eine generalüberholte, schlankere Serie von mobilen Playern des iPod-Geblüts samt neuer Docking-Station und besserer Synchronisation und steigt zweitens ins Musikbusiness ein. Kein Wunder: Der Firmenchef hat ja mit Pixar bereits ein halbes Bein in der Entertainment-Industrie, und die Marke Apple musste der gleichnamigen Beatles-Plattenfirma für teures Geld abgekauft werden.



Worum geht es? Apple stellt den ersten Online-Musikservice vor, der dem Servicegedanken auch wirklich gerecht wird. Wie der Website zu entnehmen ist, stehen im iTunes Music Store - so die Bezeichnung des neuesten Streichs von Steve Jobs - 200'000 Titel aus allen musikalischen Sparten zum Download bereit. Dabei herrscht absolute Gleichheit: Jeder Song kostet 99 Cent, kann nach Titel, Interpret, Komponist, Album und Sparte gesucht und gefunden und vor dem Kauf in einem halbminütigen Ausschnitt vorgehört werden. Heruntergeladen wird über die neue Version 4 des Apple-Musikplayers iTunes; sie hat die nötigen E-Commerce-Funktionen gleich eingebaut. Interessanterweise setzt Apple nicht auf das MP3-Format, sondern auf AAC, das trotz besserer Tonqualität kleinere Files ermöglicht. Ebenfalls attraktiv: Dank Verträgen mit mehreren Musiklabels ist das Angebot von Anfang an riesig - es handelt sich nicht einfach um die zwangsweise soso-lala-Online-Präsenz eines einzelnen Konzerns, auf der ein paar Songs der gerade aktuellen Künstler zu haben sind, sondern um ein umfasssendes Musikangebot für den gewieften Audiophilen.




Soweit die guten News; jetzt das Unangenehme. Ganz zuunterst auf www.apple.com/music/store erlischt die Freude des Lesers aus unseren Längengraden jäh: "The iTunes Music Store is only available in the U.S." Typisch: Wieder ein Angebot, von dem man in Europa vorläufig nichts hat. Laut Rolf Lehmann von Apple Schweiz wären zwar alle Beteiligten interessiert, den E-Musikladen auch hier einzuführen: "Der Kunde will es, wir wollen es - aber die Situation mit unterschiedlichen Rechtsverhältnissen in den europäischen Ländern macht es schwierig. Irgendwann wird es wohl soweit sein, aber ein Zeitrahmen lässt sich nicht angeben."



Schuld an der Misere ist also nicht Apple, sondern die Politik: Von einem im Sinne der USA vereinigten Europa sind wir, auch ohne die Nichtmitgliedschaft der Schweiz zu rechnen, angesichts der Differenzen zwischen den Blair-Aznars und den Chirac-Schröders heute weiter entfernt als noch vor ein paar Monaten. Die Folge: Kein einheitlicher Umgang mit Urheberrechten, nach wie vor landesweise Gesetzesvorschriften.



Kurz: Die Globalisierung findet für den Konsumenten nicht statt. Dies ist ein Fakt, der auch in anderen Bereichen des Verbraucherlebens spielt, vom Verbot des Parallelimports von Medikamenten bis zu Perversitäten wie der Patentierung von Parfümverpackungen zwecks Behinderung von Billig-Parfümerien.



Meine Forderung ist klar: Zwar gleicht ein Kampf gegen die Globalisierung demjenigen gegen Windmühlen - Massnahmen wie Schutzzölle und überrigide Sozialsysteme machen im Zeitalter der universellen Kommunikation keinen Sinn mehr. Wenn wir aber schon als Arbeitnehmer die negativen Folgen der Globalisierung in Kauf nehmen müssen, wollen wir als Konsumenten gefälligst auch etwas davon haben. Deshalb weg mit Gebietsschutz, Exklusivvertretungen, Importverboten und Kartellhaftigkeit - und zwar schleunigst und auf der ganzen Linie!

(ubi)


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