Editorial

Hat das Smartphone eine Zukunft?

Mit den Smartphones ist es so eine Sache: Als reines Handy sind sie zu gross, und in gewohnter PDA-Manier lässt sich damit nicht arbeiten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/29

     

Sony Ericsson, trotz Anteilsrückgang von 6,5 auf 5,5 Prozent im zweiten Quartal des Jahres Möchtegern-Mobilfunkmarktführer, sucht per "Application Proclamation", wie der auf der Hersteller-Website proklamierte Wettbewerb sich nennt, krampfhaft nach Entwicklern, die den bevorstehenden Release des Smartphone-Modells P800 mit eben der Killer-Applikation versüssen, die den Verkauf der kleinen Dinger in die gewünschten Höhen katapultiert. Es ist den Damen und Herren vom Sony-Ericsson-Management offenbar aufgegangen, dass eine integrierte Digicam mit einer Auflösung der untersten Klasse noch kein Weihnachtsgeschäft macht.


Weder Fisch noch Vogel

Mit den Smartphones ist es so eine Sache. Bis vor kurzem gab es eigentlich fast keine davon - ausser dem Communicator von Nokia, der auch in der dritten Generation zwar einen netten Farbbildschirm und eine echte Tastatur bietet, aber nach wie vor ziemlich schwer in der Hand liegt, und dem etwas handlicheren Ericsson-Modell mit der grossen Klappe.



Die Gemeinsamkeit beider Urahnen: Sie stammen aus der Küche von Handy-Herstellern und sind folgerichtig vor allem etwas klobig geratene Mobiltelefone, die zusätzlich mit einer mehr oder weniger attraktiven und seit der Einführung des Symbian-Betriebssystems auch mehr oder weniger ausbaufähigen Softwarepalette ausgestattet sind. Die Grundfunktionen eines Organizers samt Synchronisation mit dem PC erledigen die Dinger jedenfalls leidlich - aber eben: Als reines Handy sind sie zu gross, und in gewohnter PDA-Manier lässt sich damit nicht arbeiten.




Ganz anders die Geräte der zweiten Generation, allen voran der Treo von Handspring. Hier wurde ein bewährtes PDA-Design leicht verschlankt und mit einem Mobilfunkteil samt GPRS ergänzt: Der Treo bietet alles, was ein PalmOS-basiertes digitales Helferlein zu geben hat, und telefonieren kann man damit erst noch.



Aber auch diese Gerätekategorie, die ansonsten zum Beispiel die auf Pocket PC basierenden und in Deutschland derzeit heftig beworbenen Modelle SX45 von Siemens und XDA von O2 umfasst, krankt am Unhandlichkeitssyndrom - ich konnte jedenfalls die Begeisterung eines Kollegen, der mir frisch verliebt seinen Treo präsentierte, nicht teilen: Das Gerät wiegt hundertdreiundfünfzig Gramm und liegt in der Hosentasche definitiv zu massig auf. Noch extremer ist es bei den O2- und Siemens-Modellen mit ihren 200 beziehungsweise gar 300 Gramm.



So etwas nimmt man einfach nicht überallhin mit, sprich: Auch der Zweitgenerationen-Smartphone-User wird in jedem Fall zusätzlich ein pures Handy anschaffen, vorzugsweise in der federleichten 80-Gramm-Variante.



Und nun kommt also die dritte Generation, verkörpert durch das Sony Ericsson P800. Um bei der Gewichtsklassierung zu bleiben: Mit 158 Gramm lässt sich der Neuling samt eingebauter Digicam der noch knapp erträglichen Treo-Dimension zuordnen, liegt aber einiges besser in der Hand. Vom Ursprung her klar als Mobiletelefon zu erkennen, beschränkt sich das Teil jedoch auf eine Bildschirmauflösung von 208x320 Pixel, und das ist schlicht und einfach viel weniger als diejenige eines Pocket PC oder eines der neueren Palm-basierten Geräte wie zum Beispiel des Clié NR70V. Mit anderen Worten: Auch die kommenden Smartphones sind weder Fisch noch Vogel - als Handy zu schwer und zu klobig, als PDA nicht ganz hundert.




Die Lösung: Selbst kombinieren

Auch wenn Industriegurus derzeit das Smartphone in die Stratosphäre hypen, den baldigen Tod des klassischen PDA in Aussicht stellen und sogar Apple gerüchteweise an einem iPhone werkelt - ich glaube nicht an das Konzept. Denn die selbstkomponierte Kombination aus einem leichten, kleinen Handy mit Infrarot- oder Bluetooth-Schnittstelle und einem voll ausgestatteten PDA, egal ob PalmOS- oder Pocket-PC-basiert, ermöglicht einerseits die optimale Trennung zwischen Pflicht und Vergnügen (am Abend nimmt man bloss das Telefon in den Ausgang mit; der lästige Terminkalender bleibt zu Hause) und andererseits ganz klar mehr Software-Power (grössere Auswahl, höhere Prozessorleistung). Ausserdem lässt mir nur ein funktional getrennter Gerätepark die Möglichkeit, meinem Ruf als Gadget Junkie voll zu entsprechen, indem ich mir halbjährlich das neueste Handy und zwischendurch immer wieder mal einen anderen PDA anschaffe...



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