Vermittler für die IP-Telefonie

Mit einem SIP-Provider und einer virtuellen Telefonzentrale können KMU erheblich an Gesprächskosten sparen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/20

     

Das IP-basierte Telefonieren löst zunehmend die konventionelle analoge Telefonie ab. Auf den Backbone-Netzen der meisten Telcos heisst es schon lange «Voice over IP», und auch viele grössere und mittlere Unternehmen haben die gute alte Telefonzentrale durch IP-basierte Zentralen und passende Software abgelöst.


VoIP ist nicht gleich VoIP

Der Oberbegriff «VoIP im Unternehmen» umfasst mindestens zwei verschiedene Szenarien abbilden, die sich jedoch auch kombinieren lassen:



- Die bisherige firmeninterne Analogtelefonie wird durch VoIP-Technik ersetzt. Als Telefonzentrale für die Verwaltung der internen Teilnehmer (Private Branch Exchange, PBX) kommt eine VoIP-PBX zum Einsatz; für den Transport der Sprachdaten zwischen IP-Telefon oder Softphone und Zentrale ist das LAN zuständig, das zu diesem Zweck mit passenden Switches und Quality-of-Service-Massnahmen aufgerüstet werden muss. Die Verbindung zum weltweiten Telefonnetz übernimmt ein VoIP-Gateway. Auf der Telco-Seite werden konven-
tionelle analoge oder ISDN-Anschlüsse genutzt, die bestehenden Telefonnummern können somit ohne jede Änderung weiter verwendet werden.




- Ganz ohne herkömmliche Telefongesellschaft – falls nicht die dazu zwingend nötige Breitband-Internetanbindung von Swisscom & Co. stammt – kommt die rein internetbasierte Telefonie aus: Sämtliche Gespräche von oder nach ausserhalb des Firmennetzes laufen nicht über das Telefonnetz, sondern übers Internet. Damit trotzdem mit allen gewünschten externen Teilnehmern kommuniziert werden kann, sorgt ein Provider für die Vermittlung zwischen dem IP-basierten «VoIP-Netz» und den öffentlichen Fest- und Mobilnetzen. Dabei kommt das Session Initiation Protocol SIP zum Zug – man spricht bei den Anbietern in unserer Marktübersicht nicht nur von «VoIP-Providern», sondern auch von «SIP-Providern».


Telefonie via SIP-Provider

Für die einzelnen Teilnehmer unterscheiden sich die beiden Varianten nicht wesentlich. Auch wenn statt einer traditionellen Telco ein SIP-Provider im Hintergrund steht, telefoniert man mit einem IP-Telefon oder direkt mit PC, Softphone und Headset. Das IP-Telefon muss allerdings das SIP-Protokoll verstehen.


Sind, wie im Geschäftsumfeld üblich, mehrere interne Teilnehmer zu bedienen, sorgt entweder eine software- oder hardwarebasierte VoIP-Telefonzentrale in der Firma selbst oder eine durch den Provider bereitgestellte «virtuelle PBX» für die Gesprächsvermittlung zum korrekten Endgerät sowie für Zusatzfunktionen wie Voice Mail, Hintergrundmusik und automatische Weiterleitung.




Auch mit einem SIP-Provider braucht man nicht auf die bekannten bestehenden Telefonnummern zu verzichten. Praktisch alle Anbieter ermöglichen die Übernahme der bisherigen Nummern – man spricht von «Portierung» und unterscheidet dabei zwei Varianten:



- Bei einer Vollportierung wird der bisherige Telefonanbieter vollständig durch den SIP-Provider ersetzt. Eingehende und ausgehende Gespräche laufen ausschliesslich und immer über den SIP-Provider.



- Bei einer Teilportierung bleibt die bisherige Telco für eingehende Anrufe unter der bestehenden Nummer sowie als Fallback-Option für ausgehende Gespräche zuständig. Im Normalfall gehen ausgehende Telefonate aber über den SIP-Provider und werden mit der teilportierten Nummer «signiert», so dass beim Gesprächspartner die korrekte Nummer angezeigt wird.
Die meisten SIP-Provider verrechnen für portierte Nummern eine Monatsgebühr, die zu den Gesprächskosten und der Grundgebühr hinzukommt und im Durchschnitt bei anderthalb Franken liegt.


Hauptargument Kosten

Die SIP-Provider preisen ihre Dienste vor allem mit einem Argument an: SIP-vermittelte Gespräche übers Internet sind viel billiger als Telefonieren mit Swisscom oder Sunrise. Ein Blick auf die Tariflisten der Anbieter zeigt, dass dieser Anspruch zumeist eingelöst wird.



- Telefonate zu Abonnenten des gleichen Providers sind bei fast allen Anbietern völlig kostenlos. Das gleiche gilt für Gespräche innerhalb des Freecall-Netzes: Die in der Übersicht aufgeführten Anbieter Guest-VoIP, Phonestar und Sipcall sowie einige weitere Provider aus der Schweiz, Deutschland und Österreich verrechnen für Gespräche innerhalb des Verbunds keine Kosten.




- Gespräche auf Schweizer Netze sind beim SIP-Provider meist massiv günstiger als bei Swisscom und Sunrise. Swisscom verrechnet auf dem Festnetz pro Minute nach wie vor acht Rappen im Hoch- und vier Rappen im Niedertarif, Sunrise liegt mit 6 Rappen im Hochtarif etwas günstiger und ermöglicht in den allerdings wenig geschäftsrelevanten Abend- und Wochenendstunden Gratisanrufe. Bei den SIP-Providern liegt der Hochtarif zwischen 2 und 5 Rappen.
In absoluten Beträgen noch markanter fällt der Unterschied bei Anrufen auf Mobiltelefone aus: Während beim Swisscom-Festnetzanschluss selbst bei einem Telefonat auf ein Swisscom-Handy 37 Rappen pro Minute anfallen, liegt der höchste SIP-Minutentarif bei 33 Rappen, und die meisten Anbieter verrechnen zwischen 25 und 29 Rappen.



- International liegen die Verhältnisse ähnlich. Besonders Swisscom ist auch hier teuer: Ein Anruf nach Deutschland kostet auf dem Festnetz 12 Rappen pro Minute, bei den SIP-Anbietern sind es höchstens 5 Rappen. Exakt dasselbe gilt für die USA.


Wer häufig Destinationen auf anderen Kontinenten anruft, sollte vor der Wahl eines SIP-Providers sämtliche Tariflisten sehr genau studieren. Ein Anruf nach China schlägt bei Netstream mit 3,5, bei diversen Anbietern mit 17,7 und beim Swiss-Plus-Abo von Insphone mit 48,7 Rappen pro Minute zu Buche (Vergleich Swisscom: 65 Rappen).
Der letztgenannte Provider schert in dieser Hinsicht übrigens aus: Sämtliche anderen Anbieter haben zwar teils mehrere Abonnemente mit unterschiedlichen Komfortoptionen im Programm, verrechnen aber für alle Varianten die gleichen Gesprächstarife. Insphone bietet mit den «Swiss»- und «International»-Paketen unterschiedliche Tarife für internationale Verbindungen.


Zusatzgebühren nicht vergessen

Mit dem Minutenpreis sind jedoch noch nicht die ganzen Gesprächskosten abgedeckt. Fast alle Anbieter verrechnen nämlich im Gegensatz zu Swisscom für jedes zustandegekommene Gespräch eine Gebühr für den Verbindungsaufbau, die für nationale Verbindungen zwischen 3 und 7,9 Rappen liegt und bei Anrufen ins Ausland bis zur Hälfte eines Minutenpreises beträgt. Unter den traditionellen Telcos verlangt nur Sunrise einen vergleichbaren Zusatzobolus.



Die vor allem bei den Privatkundenangeboten der traditionellen Telcos gängigen Gratisminuten findet man bei SIP-Providern selten. Einzig Phonestar verzichtet nicht bloss auf eine monatliche Grundgebühr, sondern lässt den Abonnenten 100 Minuten pro Monat gratis ins Schweizer Festnetz telefonieren. Bei Netstream fungiert die Grundgebühr als Gesprächsguthaben, der Anbieter offeriert mehrere Preispläne mit unterschiedlichen Guthaben und Pauschalrabatten auf die Gesprächskosten. Swissipcom kennt gegen Aufpreis sogar eine Flat­rate: Für zusätzlich 50 Franken telefoniert man einen Monat lang unbeschränkt in die Schweiz, die internationale Flatrate kostet 110 Franken. Flatrates für Anrufe aufs Schweizer Festnetz, aufs US-Festnetz und auf Festnetzanschlüsse in den Nachbarländern kennt auch Ticinocom.


KMU-Szenarien

Die Minutentarife geben nur ein ungefähres Bild von den tatsächlichen Gesamtkosten, die beim Telefonieren über einen SIP-Provider anfallen – von qualitativen Unterschieden ganz zu schweigen. Wir haben deshalb zwei Nutzungsszenarien für kleinere Unternehmen ausgearbeitet, die neben den reinen Gesprächskosten auch die Gebühren für den Verbindungsaufbau sowie die monatlichen Abonnementskosten einschliessen. Nicht berücksichtigt sind die einmalige Einrichtungsgebühr sowie Flatrates oder allfällige Volumenrabatte und Kombi-Angebote mit Mobil- und traditioneller Festnetztelefonie – dies gilt auch für die Vergleichsangaben zu den Swisscom- und Sunrise-Tarifen.


- Als «Wenigtelefonierer CH» bezeichnen wir ein kleines Unternehmen, das relativ selten das Telefon bemüht und fast ausschliesslich aufs Schweizer Fest- und Mobilnetz anruft. Der Gesamtpreis pro Monat wurde für insgesamt 250 Gespräche zum Hochtarif mit 1000 Minuten aufs Schweizer Festnetz und 300 Minuten auf Swisscom-Handys berechnet.




- Der «Vieltelefonierer International» ruft regelmässig in die Schweiz und nach Westeuropa an. In der Rechnung enthalten sind 3000 Minuten aufs Schweizer Festnetz, 600 Minuten auf das Festnetz der europäischen Nachbarländer (zur Berechnung haben wir die Tarife nach Deutschland berücksichtigt und 900 Minuten auf Swisscom-Handys. Insgesamt fallen dabei pro Monat 900 Gespräche an.
Die Tarifangaben haben wir per Umfrage direkt von den Anbietern eingeholt. Bei fehlender Anwort haben wir statt dessen die Tarifangaben auf der Website des Providers konsultiert.




Schweizer SIP-PRovider für KMU

(ubi)


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