Unternehmen setzen bei der Datenanalyse nicht nur auf deskriptive Analysen, die neue Erkenntnisse mithilfe von Dashboards und Business Intelligence-Berichten ermöglichen. Zunehmend kommen auch prädiktive Analysen zur Anwendung, die automatisiert Muster in historischen Daten des Unternehmens und in externen Quellen erkennen und entsprechende Prognosen erstellen. Doch trotz weitreichenden technischen Möglichkeiten und steigender Investitionen in Datentechnologien tun sich viele Unternehmen schwer mit dem Thema Daten. So hatten laut Forrester Research 41 Prozent der Unternehmen im Jahr 2020 Schwierigkeiten, fundierte Geschäftsentscheidungen aus ihren Daten abzuleiten.
Lässt sich die Zukunft überhaupt vorhersagen?
Was ist also aus den Hoffnungen geworden, die man in «Machine Learning» gesetzt hatte? Viele Unternehmen spüren nun die Konsequenzen verfehlter Vorhersagen, die den Ausbruch der Coronapandemie nicht haben kommen sehen.
Das wirft die Frage auf: Konnte man von einem mathematischen Modell wirklich erwarten, dass es den Zeitpunkt und das Ausmass einer Pandemie wie COVID-19 genau vorhersagt? Wahrscheinlich nicht. Allerdings hatten die Prognoseansätze, die branchen- und funktionsübergreifend vom Supply Chain-Management über den Vertrieb bis hin zum Finanzwesen eingesetzt wurden, die Gefahr eines solchen Ereignisses überhaupt nicht berücksichtigt. Das lag vor allem daran, dass es eine Pandemie dieses Ausmasses in jüngerer Vergangenheit – also in der Zeitspanne, die für eine Prognose herangezogen wird – nicht gegeben hatte.
Auch andere wichtige Ereignisse wie geopolitische Gefahren oder extreme Wetterereignisse werden sich mit solchen Prognoseansätzen wohl nicht vorhersagen lassen. Denn Prognosen auf der Grundlage historischer Daten treffen nur so lange zu, wie das Wirtschafts- und Wettbewerbsumfeld sich nicht verändert bzw. so bleibt, wie es in den zugrundeliegenden Daten abgebildet ist. Da dies aber in der Regel nicht der Fall ist, lässt sich die Zukunft letztendlich nicht vorhersagen. Wenn die Zukunft also nicht vorhergesagt werden kann, sind Prognosen dann überhaupt sinnvoll?
Prognosen: mehr als die Extrapolation der VergangenheitTatsächlich muss der Prognoseansatz von Grund auf neu gedacht werden – und auch die IT-Systeme der meisten Unternehmen sind entsprechend umzurüsten. Ausserdem müssen Prognosen, die auf der Analyse historischer Daten basieren, durch eine sorgfältige Identifizierung und Bewertung möglicher Risiken ergänzt werden. Unter diesen Voraussetzungen sind Prognosen keine blosse Extrapolation der Vergangenheit durch Fachleute oder Algorithmen mehr, sondern werden zu Stresstests, die die unterschiedlichsten Szenarien berücksichtigen. Aus IT-Sicht sind Tools gefragt, mit denen auch technisch nichtversierte Mitarbeitende verschiedene Szenarien definieren und computergesteuerte Maschinensimulationen durchführen können.
Ausserdem sind sogenannte Dark Data zu berücksichtigen. Darunter fallen sämtliche von einem Unternehmen gesammelten, verarbeiteten und gespeicherten Informationen, die aber nicht analysiert oder für die Entscheidungsfindung verwendet wurden. Dabei wird oft das sehr wertvolle geschäftsspezifische Fachwissen von Expertinnen und Experten vergessen, das z.B. aus Gesprächen mit Kunden, Lieferanten, Partnern und Beratern gewonnen wurde. Unternehmen, die dieses Wissen anzapfen können und mit den richtigen Annahmen operieren, werden Erkenntnisse gewinnen, die über die Extrapolation von historischen Daten hinausgehen.
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