Verträge – Unternehmen produzieren sie zu Hunderten und Tausenden. Trotz Standardisierung müssen sie häufig von Hand geprüft werden. Wird das richtige Dokument benutzt? Sind alle relevanten Klauseln vorhanden? Handelt es sich um die richtigen Varianten dieser Klauseln? Dabei sind häufig nur wenige Passagen wirklich relevant. Auch ist diese Tätigkeit genauso mühsam wie repetitiv, muss aber trotzdem von hochqualifizierten (teuren) Mitarbeitern verrichtet werden. Oder vielleicht doch nicht?
Diese Fragen stellten sich die Gründer von
Legartis. Das Start-up hat eine Machine-Learning-Lösung entwickelt, die Verträge automatisiert prüft und relevante Schlüsselinformationen strukturiert zugänglich macht.
"Wir sparen unseren Kunden bis zu 85 Prozent ihrer Zeit", verspricht Michael Fetzer, CTO bei Legartis. Der Erfolg scheint dem Jungunternehmen Recht zu geben: In nur drei Jahren wuchs Legartis von drei auf 30 Mitarbeiter, konnte Preise ergattern, Finanzierungsrunden abschliessen und, nicht zuletzt, Pilotkunden wie SAP, die Mobiliar und Rehau gewinnen. Dies sogar, ohne einen Namen zu haben: "Schon vor Gründung und Namensfindung hatten wir einen Prototyp. Das machte Eindruck", so Fetzer.
Probleme zerlegen
Die Vertragsprüfung folgt dabei dem Ansatz, grosse Probleme in kleine zu zerlegen. Deshalb muss die KI für jeden Vertragstyp wie Geheimhaltungs- oder Lizenz- und Wartungsverträge einzeln trainiert werden. Die Verträge selbst werden wiederum in einzelne Klauseln und Schlüsselinformationen zerlegt. Um alle nötigen Klauseln abzudecken, arbeitet
Legartis mit einer grossen Kanzlei zusammen und nimmt gleichzeitig die individuellen Bedürfnisse des Kunden auf. Sind alle möglichen Klauseln in der Datenbank, wird die KI anhand von Kundenverträgen trainiert. Die Ergebnisse werden geprüft und sobald eine mit dem Kunden definierte Genauigkeit erreicht ist, wird auf vollautomatische Vertragsprüfung umgestellt.
Der Kunde kann anschliessend neue Vertrags-PDFs in die Legartis-Cloud hochladen. Binnen weniger Sekunden ist klar, ob alle für die Gültigkeit nötigen Klauseln vorhanden sind. Für bestimmte Klauseln werden ausserdem wichtige Vertragsdaten extrahiert. Zum Beispiel Vertrags- und Konventionalstrafen oder auch wann ein Vertrag gekündigt werden kann oder sich selbständig erneuert.
Allein das zuletzt genannte Feature würde wohl schon für Interesse sorgen, bedenkt man, dass selbst heute nur zwischen 30 und 45 Prozent aller Unternehmen überhaupt eine Vertragsmanagementlösung im Einsatz haben, wie Statista 2018 schrieb. Allein die Fähigkeit, diverse Schlüsselinfos zu sammeln und strukturiert zur Verfügung zu stellen, ist bereits ein Verkaufsargument. Dabei ist das ja nur ein Nebenprodukt der eigentlichen Funktionalität – nämlich die Rechtsabteilung signifikant zu entlasten.
Vertragsdaten automatisch strukturieren
Legartis ist so nicht nur vor, sondern auch nach der Vertragsunterzeichnung nützlich. Die Lösung erlaubt es, die unzähligen, unstrukturiert abgelegten Verträge zu digitalisieren und mit Schlüsselinformationen zu versehen. "Wir sind aber keine reine Vertragsmanagementlösung", betont Fetzer. "Wo vorhanden, integrieren wir nach Kundenwünschen".
Die Lösung kann heute Verträge in Deutsch und Englisch analysieren. Weitere Sprachen sollen folgen. Zurzeit liegt der Fokus hauptsächlich auf der DACH-Region und der Weiterentwicklung der Software. "Dank des guten Kundendialogs konnten wir bereits zahlreiche Verbesserungen umsetzen", so Fetzer. Fehlt etwa eine Klausel, schlägt das System selbständig einen Standardtext vor.
Zuletzt ist Fetzer besonders stolz darauf, dass seine Lösung ein klassisches Anwaltsproblem löst: "Man sagt doch vier Anwälte, sechs Meinungen. Das gibt es bei uns nicht. Wir eliminieren die Unschärfe in der Sprache".