Keine Zeit für Geschenke
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/18
Seit sich Microsoft und SAP auf die Kleinen und den Mittelstand stürzen, ist im an sich behäbigen Business-Software-Markt der Teufel los. Mit Pauschalangeboten zu Dumpingpreisen oder gar Gratissoftware versuchen die Hersteller, die Kundschaft auf ihre Plattformen zu locken (siehe Seite 46). Was auf den ersten Blick den Eindruck eines Kundenparadieses macht, entpuppt sich aber mit der Zeit häufig als Abzocke, bei der sich der anfänglich offerierte, billige Pauschalpreis im Laufe des Projekts erheblich verteuert. So pflegen gewisse Anbieter die Vergünstigungen ganz einfach in Form von «Change Requests», die für den Anwender vielfach logisch nicht nachvollziehbar sind, durch die Hintertür wieder hereinzuholen.
Unter Druck kommen durch die Aktionsflut vor allem die kleinen, lokalen Anbieter, die keine prallgefüllten Kriegskassen haben, um sich in strategische Märkte einzukaufen. Genau die Anbieter also, die gemäss der ERP-Zufriedenheitsstudie (siehe Seite 34) von ihren Anwendern im Schnitt am besten bewertet werden. Statt hinterher über unvorhergesehene Preissteigerungen oder schlechten Service zu jammern, wäre es demnach gescheiter, für die zentralen ERP-Applikationen von Anfang an einen realistischen Preis zu zahlen.
Denn billig ist häufig nicht das Beste fürs Geschäft: Der Genforscher Greg Venter schlug vor einigen Jahren, während er sich mit dem Human-Genom-Projekt ein erbittertes Rennen um die Erst-Sequenzierung des menschlichen Erbgutes lieferte, ein Gratis-Angebot für einen IBM-Cluster aus. Der
Supercomputer wurde für die aufwendige Berechnung der Sequenz aus den Experiment-Bruchstücken benötigt. Statt dessen kaufte Venter für teures Geld einen Alpha-Cluster.
Seine Begründung: «Ich habe keine Zeit für Geschenke!» – und er kam schneller ans Ziel
Daniel Meierhans, Chefredaktor
dmeierhans@compress.ch