Online-Werbung für alle

Zu viele und zu gewichtige Werbebanner vergraulen die Kundschaft. Eine durchdachte Strategie und korrektes Targeting sorgen hingegen für Profit.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/38

     

Sie macht nicht mehr als ein drittel Prozent aus: Während 1999 der gesamte Werbeaufwand in der Schweiz bei viereinhalb Milliarden Franken lag, brachte Online-Werbung im gleichen Zeitraum gerade mal fünfzehn Millionen ein. "Die Schweiz ist ein Print-lastiges Land", stellt Sven Wenger fest. Er ist geschäftsführender Direktor von Banner.ch, einer von etwa zehn Schweizer Werbeagenturen, die sich auf Online-Werbung spezialisiert haben.




Dennoch stehen die Aussichten gut: Bis 2008 soll Online-Werbung mit dem TV-Segment gleichziehen, das derzeit immerhin 600 Millionen einbringt. Bereits für das laufende Jahr wird ein Online-Umsatz von 40 Millionen prognostiziert, laut Wenger etwas zu optimistisch - er rechnet mit 25 bis 30 Millionen.


Wo lohnt sich Online-Werbung?

Der Umsatz ist klein, und das Angebot an Online-Werbeplätzen übersteigt die Nachfrage um ein Vielfaches. Die Auslastung beträgt auf manchen Sites weniger als ein Drittel. Es liegt auf der Hand, dass unter diesen Voraussetzungen nur eine kleine Zahl von bestbesuchten Adressen im Internet Online-Werbung wirklich profitabel vermarkten können - jedenfalls dann, wenn sie den klassischen Weg über Agenturen gehen. Die zehn grössten Sites teilen sich derzeit rund 90 Prozent des Schweizer Online-Werbekuchens.



Neben grossen Portalen wie Bluewin und Yellowworld, den meistbesuchten Search Engines wie Search.ch sowie den Websites grosser Printmedien und TV-Kanäle können jedoch durchaus auch kleinere, auf bestimmte Themen spezialisierte Sites mit Online-Werbung Geld machen. Dazu gehören lokale und regionale Portale ebenso wie branchenspezifische Sites oder Angebote, die sich an bestimmte Interessengruppen richten - von der Big-Brother-Fangemeinde über die Snowboarder-Community bis zu Liebhabern verschiedener Hobbies. Wer auf solchen Sites surft, gehört automatisch zu einer klar fokussierten Zielgruppe und spricht auf die passende Werbung besser an als der Besucher einer Site für das breite Publikum. Der Streuverlust ist für den Werbetreibenden geringer. Wohlgemerkt: Aus Agentursicht sollten auch "kleine" Sites einige zehntausend Besucher pro Monat haben; darunter besteht kein Interesse zur Vermittlung von Werbung.




Wenig bis gar keinen Sinn macht Online-Werbung auf Firmensites. Wer auf seinen Webseiten vor allem seine eigene Firma vorstellt, wird kaum Interessenten finden, die darauf Werbung plazieren und dafür bezahlen wollen. Mit einem gegenseitigen Link-Austausch ist beiden Seiten hier mehr gedient; eine weitere Alternative sind kostenlose Bannertausch-Programme wie Swissbanner.ch.




Selbstvermarktung oder Agentur?

Online-Werbung umfasst sowohl geschäftliche als auch technische Aspekte: Die auf einer Site verfügbaren Werbeflächen müssen an die Werbekunden vermittelt werden, und für die Einblendung von Bannern und anderen Online-Werbemitteln braucht es Ad-Management-Software. Beides kann der Site-Betreiber, im Jargon auch Publisher genannt, entweder in eigener Regie erledigen oder einer Agentur überlassen. Online-Agenturen bieten ihre Dienstleistungen im allgemeinen in drei Servicemodellen an:




Vermittlung: Die Agentur tritt ausschliesslich als Broker zwischen dem Publisher und den Werbekunden auf. Technische Infrastruktur und Betrieb des Ad-Servers übernimmt der Publisher.





Traffic Management: Die Agentur übernimmt die gesamte technische und administrative Bewirtschaftung der Werbeflächen inklusive dem Betrieb der für die Disposition und Auslieferung der Werbemittel benötigten Hardware und Software.




Komplette Vermarktung: Neben dem Verkauf der Werbeflächen, der technischen Infrastruktur und der Fakturierung ist je nach individuellem Vertrag auch das gesamte Marketing oder ein Teil davon Aufgabe der Agentur.



Publisher mit einer genügend attraktiven Site profitieren stark von den Dienstleistungen einer Agentur, zumal diese nicht mit direkten Kosten verbunden sind: Die Agentur bezieht schlicht und einfach eine Kommission auf den sogenannten Netto-Netto-Umsatz; der Rest der Einkünfte geht an den Publisher, der neben der umsatzabhängigen Kommission - auch wenn diese einen erklecklichen Teil der Einnahmen gleich wieder verschluckt - keine weiteren Kosten hat.



Weniger Glück haben Publisher, deren Angebot nicht die geforderten Besucherfrequenzen bringt und die somit für die Agenturen nicht interessant sind. Hier hilft nur Eigeninitiative: Kunden selbst akquirieren und einen eigenen Ad-Server betreiben. Das ist zwar möglich, geht aber nicht ohne Aufwand und Kosten, und für derart im Selfmade-Verfahren vermarkteten Werbeplatz lassen sich nicht die sonst üblichen Tarife verlangen.


Wie wird abgerechnet?

In Print-Medien gelten für Inserate fixe Seitenpreise. Die Kosten für Online-Werbung richten sich im allgemeinen danach, wie oft ein bestimmtes Werbemittel angezeigt wurde (Anzahl "Ad Impressions") - ungeachtet dessen, wie oft ein Surfer tatsächlich auf das Banner geklickt hat (Anzahl "Clickthroughs"). Das Mass aller Dinge sind die sogenannten CPM ("Cost per Mille"), der Preis für die tausendfache Einblendung des Werbemittels. Er liegt für die Einstiegsseiten der erfolgreichsten Schweizer Sites zwischen 60 und 100 Franken. Die meisten Publisher verlangen von ihren Werbekunden eine Mindestabnahme von 10'000 Kontakten pro Banner.



Auf zielgruppenspezifischen Seiten liegt der CPM-Wert etwas höher; ebenso können vertikal ausgerichtete Sites mit nachweisbar auf bestimmte Interessen fokussierten Besuchern mehr verlangen. Betreiber kleinerer Sites mit Inhalt von allgemeinen Interesse dagegen müssen mit deutlich geringerem Ertrag rechnen.





Gezielt werben: Targeting

Der Werbekunde will, dass seine Werbung möglichst grosse Wirkung erzielt. Sie sollte demnach nicht einfach irgendwo plaziert werden, sondern gezielt dort, wo der passende Interessent surft. Ein erstes Kriterium dafür ist bereits die Auswahl der Sites, auf denen eine Kampagne stattfindet: Ein Banner, das Damenbinden anpreist, ist auf einer Whisky-orientierten Site fehl am Platz. Demgegenüber ist ein Banner, das auf die neuesten Scannermodelle hinweist, auf der Seite einer Search-Engine mit Suchresultaten zur Abfrage "scanner" punktgenau dort, wo es hingehört.



Die optimale Zuordnung von Bannern zu Werbeflächen nennt man Targeting. Neben einem sorgfältig ausgearbeiteten Mediaplan, der die Verteilung der Kampagne auf geeignete Sites festlegt, liegt das Targeting grösstenteils in der Verantwortung der Ad-Server-Software. Ihre Grundfunktion ist einfach: Der HTML-Code der Webseite, auf der ein Banner erscheinen soll, enthält einen Aufruf an den Ad-Server. Dieser schickt das passende Banner in Form eines Bildes, eines Flash-Movie oder einer anderen Rich-Media-Datei an den Browser, der es daraufhin zur Anzeige bringt.




Welches Banner der Ad-Server liefert, wird durch verschiedene Faktoren bestimmt: Die Häufigkeit, mit der ein Banner im Verhältnis zu anderen Bannern erscheinen soll (Gewichtung) und die Verteilung der gebuchten Gesamtzahl der Banner-Aufrufe auf die Dauer der Kampagne sind zwei wichtige Aspekte für eine gerechte Aufteilung des Werbeplatzes auf verschiedene Kunden und stellen Grundfunktionen jedes Ad-Servers dar. Anspruchsvollere Ad-Server bieten darüber hinaus verschiedene Targeting-Möglichkeiten, die bei der Einbuchung eines Banners festgelegt werden können:




Content-orientiertes Targeting: Auf bestimmten Seiten einer Website sollen bestimmte Banner erscheinen - zum Beispiel sportorientierte Werbung bei den Sportnachrichten und Filmwerbung auf der Kinoseite.




Zeitorientiertes Targeting: Ein Banner wird nur zu bestimmten Tageszeiten angezeigt. Jüngstes Schweizer Beispiel ist die Big-Brother-Site, auf der spät nachts ein Banner eines Sexclubs an der selben Stelle erscheint, wo tagsüber Pokémon beworben werden.




Geografisches Targeting: Aus der IP-Adresse des Surfers lässt sich seine Herkunft mehr oder weniger gut ermitteln und so das regional passende Banner plazieren - für den US-Kunden eines mit Link zur US-Website, für Surfer aus Europa ein anderes.




Keyword Targeting: Die Anfrage an den Ad-Server enthält Schlüsselwörter, auf deren Basis das passende Banner geliefert wird. Diese Art des Targeting kommt insbesondere bei Suchmaschinen zum Einsatz: Auf der Seite mit den Suchergebnissen kann ein Banner eingeblendet werden, das zu den Suchkriterien passt.




User Profile Targeting: Aufgrund von Informationen aus dem Benutzerprofil des Surfers wie Alter, Geschlecht und Interessenlage wird das passende Banner ausgesucht. Die Informationen hat entweder der Surfer selbst auf einem Anmeldeformular eingegeben, oder sie wurden durch Analysefunktionen, wie sie fortgeschrittene E-Commerce-Anwendungen bieten, aus seinem Surfverhalten automatisch ermittelt.



Content-orientiertes, zeitorientiertes und geografisches Targeting sind technisch leicht zu implementieren und demnach auch im Funktionsumfang der einfacheren Ad-Server-Lösungen enthalten. Keyword Targeting ist technisch nicht komplexer, findet sich aber nur bei den fortgeschrittenen Paketen, die vom Preis her nur für Agenturen und grössere Publisher in Frage kommen. User Profile Targeting erfordert eine engere Einbindung in die Site und ist nicht ohne Entwicklungsaufwand zu realisieren.


Was tun mit den Kunden?

Die Wirkung der Online-Werbung wird meist anhand der Clickthrough Rate gemessen, also daran, wie oft ein Banner im Verhältnis zu seiner Anzeigehäufigkeit tatsächlich angeklickt wurde. Für den Werbekunden ist jedoch interessanter, was der Surfer nach dem Klick auf das Banner tut: Bleibt er auf der Ziel-Site, bestellt er etwas, oder klickt er sich gleich wieder weg? Nur mit solchen Angaben lassen sich die tatsächlichen Werbekosten ermitteln, die pro Lead anfallen.



Mit den einfachen Ad-Server-Lösungen lässt sich das Surfverhalten nicht verfolgen. Nur High-end-Pakete bieten entsprechende Click-Tracking-Funktionen. Eine simple Form von Tracking lässt sich jedoch ohne grossen Aufwand durchführen:





• Eine Online-Werbekampagne setzt sich aus zwei bis drei Teilen zusammen. Das kreative Element ist das Banner. Der Klick darauf führt den Surfer auf die nächste Ebene: die Jump Page, die zum Beispiel ein Bestell- oder Umfrageformular enthalten kann. Der optionale dritte, abschliessende Schritt ist die Thank-you Page, auf die der Surfer gelangt, nachdem er die auf der Jump Page angeregte Aktivität erledigt hat.




• Jeder Ad-Server liefert die Anzahl Clickthroughs pro Banner. Sie entspricht der Anzahl Aufrufe der Jump Page, die auch der Statistik des Webservers zu entnehmen ist, auf dem die Site liegt. Voraussetzung: Für jedes Banner wird eine separate Jump Page eingerichtet.




• Ein Vergleich zwischen den Aufrufen der Jump Page und denen der Thank-you Page gibt Auskunft darüber, welcher Prozentsatz der Surfer in der gewünschten Weise auf der Site verblieben ist, zum Beispiel das Formular ausgefüllt hat.


Gestaltung und Ergonomie

Nicht nur der werbetreibende Kunde, sondern auch der Publisher sollte darauf achten: Damit der Surfer die Online-Werbung nicht vornehmlich als ärgerliche Belästigung empfindet, müssen bei der Gestaltung verschiedene Punkte beachtet werden. Sonst halten die Werbeflächen bald einmal die Surfer vom Besuch der Site ab, statt für zusätzliche Einkünfte zu sorgen.




• Lange Ladezeiten vermeiden: Nach wie vor ist die Bandbreite bei den meisten Internet-Anschlüssen beschränkt, vor allem im Privatbereich. Ein Banner sollte eine maximale Grösse von 10 bis 16 Kilobyte nicht überschreiten.





• Zuviele Banner verderben die Seite: Auf keinen Fall darf die Werbung den eigentlichen Inhalt übertönen. Eine allgemeingültige Regel gibt es nicht: Auf einer Unterhaltung-Site werden mehrere Banner problemlos geduldet; auf einer Seite mit seriöser Information können zwei Banner schon zuviel sein.




• Usability-Studien zeigen, dass der Surfer am linken und am oberen Rand einer Webseite Navigationselemente erwartet. Die Plazierung von Bannern an diesen Stellen ist nicht opportun. Gern gesehen und oft anzutreffen sind Banner am unteren Rand des Browserfensters; dort lassen sie sich sogar in einem eigenen Frame plazieren, so dass sich nicht weggescrollt werden können. Ebenfalls möglich: sogenannte Button-Batterien am rechten Rand.




• Werbung inmitten der inhaltstragenden Hauptfläche ist äusserst sparsam und dezent einzusetzen, am besten gar nicht.




• Rich-Media-Banner ermöglichen die Einbindung von Klängen. Unaufgefordert ertönende Musik, Sprache und Geräusche werden vom Surfer jedoch selten als angenehm empfunden - Einsatz nur in sehr seltenen Spezialfällen.




• Auch das interessanteste Banner wird irgendwann langweilig. Auf der gleichen Site sollte das gleiche Banner nicht mehr als zwei bis drei Wochen erscheinen; eine gesamte, auf mehrere Sites überlappend verteilte Kampagne dauert meist etwa einen Monat.



Die Erstellung der Banner überlässt man am besten einer Werbeagentur (für statische und klassische animierte Banner) oder einem Web-Designer (für komplexere Werbemittel wie Rich-Media- und HTML-Banner, Nanosites, Interstitials und so weiter).



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER