BizTalk bei Also ABC: Esperanto für Geschäftspartner unterschiedlicher Sprache
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/08
Ausschlaggebend war das Bedürfnis unserer Lieferanten, die Geschäfte vermehrt elektronisch abzuwickeln", merkt Geschäftsleiter Marc Schnyder zur Geschichte des BizTalk-Projekts beim Emmener Distributor und Logistikdienstleister Also ABC Trading an. Traditionell lief der Datenaustausch über EDIFACT-Meldungen ab, wozu Also ABC den GIES-Service von General Electric als externen Provider nutzte.
Das Problem von EDI: Trotz vermeintlichem Standard sind die Details der auszutauschenden Mitteilungen von Partner zu Partner unterschiedlich. "Jeder Hersteller sieht es leicht anders und hat andere Anforderungen an Also als Geschäftspartner." Die Problematik vieler unterschiedlicher Systeme macht es schwierig, den gesamten Workflow vom Bestellungseingang bis zur Auslieferung samt Rückmeldungen an Kunden und Lieferanten vollständig zu automatisieren - vor allem auch, weil nicht für jeden Business-Partner eine separate Schnittstelle von Hand programmiert werden soll.
Das neue Konzept für den umfassenden E-Business-Verkehr wurde unter anderem durch das bestehende ERP-System von Also ABC bestimmt. Es handelt sich um OneWorld von J.D. Edwards (Schnyder: "Wir gehören zu denen, die nicht SAP fahren."). Auf Lieferanten- und Kundenseite dagegen sind die unterschiedlichsten Systeme im Einsatz: Das System muss Lieferantenbestellungen in den Formaten UN/EDIFACT, SAP-IDOC, JDE-Zfiles sowie XML verarbeiten können; auf Kundenseite kommen als zusätzliche Knacknuss die Also-eigenen Bestellsysteme VIS und IVIS hinzu.
Da das ERP-System allein diese Formatvielfalt nicht bewältigen kann, suchte das IT-Team von Also ABC nach einer optimalen Integrationslösung und fand sie im BizTalk Server von Microsoft.
Vor dem Entscheid für BizTalk, der im September 2000 fiel, wurden laut IT-Leiter Daniel Steiner zunächst insgesamt sechs Integrationsprodukte evaluiert; in die engere Auswahl kamen drei. "Die meisten Produkte kommen aber aus der Unix/EDIFACT-Welt und wurden irgendwie um XML-Funktionalität erweitert. BizTalk ist das einzige Produkt, das mit einer bequemen Schnittstelle zur Definition der Beziehungen zwischen Quell- und Zielsystem daherkommt und mit seinen Out-of-the-Box-Fähigkeiten umständliche Handarbeit unnötig macht."
Ebenfalls ausschlaggebend: Das Microsoft-Produkt BizTalk passt bestens in die bestehende, Windows-basierte Compaq-Serverfarm, wie Steiner feststellt: "Eine Integrationslösung auf Unix-Basis hätte nur schon vom internen Know-how her schlecht in unsere Landschaft gepasst." Dazu kommt, dass Also ABC mit Microsoft und Compaq bereits enge partnerschaftliche Beziehungen pflegte. Der Geschäftsleitung fiel es nicht schwer, dem Vorschlag der IT-Abteilung zu folgen und sich für BizTalk zu entscheiden.
Nach dem Grundsatzentscheid ging es in Emmen rassig weiter. Der Kickoff für das Projekt "Ablösung altes EDI-System" erfolgte am 4. Oktober. Bereits am 17. November war die damals verfügbare BizTalk-Betaversion installiert und lief ohne nennenswerte Probleme.
Parallel zum BizTalk-Betatest eröffnete sich Also ABC eine höchst interessante neue Geschäftsperspektive: Swisscom Mobile schrieb die gesamte Natel-Logistik zur Übernahme durch einen externen Partner aus. Nach dem Zuschlag Anfang Dezember richtete Also die Prioritäten für die BizTalk-Implementation neu aus und fokussierte das Projekt ganz auf den Swisscom-Auftrag.
"Log2001", wie sich das BizTalk-Projekt Also-intern nennt, ging mit einer ersten Schnittstelle kurz nach der Installation des definitiven BizTalk-Produktrelease am 29. Januar 2001 mit einer ersten Schnittstelle online. Am wichtigsten war zunächst die Verarbeitung von SAP-Input - bei Swisscom Mobile stehen mehrere Systeme im Einsatz; das Zentrum bildet jedoch ein SAP-basiertes ERP.
Also ABC ist gegenwärtig daran, die weiteren bisherigen Konverter, die vor allem im EDI-Bereich nach wie vor in Betrieb stehen, durch BizTalk zu ersetzen und so die IT-Infrastruktur wesentlich zu konsolidieren und zu vereinfachen: Die zentrale Management-Konsole von BizTalk erlaubt gegenüber den bisherigen disparaten Verwaltungsprogrammen eine viel straffere Administration der Schnittstellen.
Den finanziellen Aufwand für das bisher realisierte Projekt beziffert der Also-Chef Schnyder auf "maximal eine halbe Million Franken", darin inbegriffen die Kosten für Hardware, Software und externe Personalressourcen.
Projektleiter Urs Weber fasst den Implementationsaufwand wie folgt zusammen: "Zwar mussten wir alle Definitionen im Detail festlegen, eigentlich zu programmieren gab es dabei aber nichts. Die Zuordnungen zwischen den Feldern der beteiligten Datenstrukturen lassen sich im BizTalk Mapper bequem per Drag&Drop definieren."
Je nach den beteiligten Partnersystemen können die Datenstrukturen auf einfache Weise importiert werden, was die manuelle Neuerfassung überflüssig macht. Auch im Fall Swisscom hat dies funktioniert: SAP kann die Definitionen als XML-Schema exportieren, ein Format, das BizTalk direkt unterstützt. Daneben bietet der Microsoft-Integrationsserver Support für EDIFACT, und auch ein Konverter für das J.D.-Edwards-ERP ist verfügbar. Besser konnten die Voraussetzungen für Also ABC kaum sein.
Für die BizTalk-Implementation genügte ein schlankes Projektteam. Den Grossteil der Mapping-Arbeiten erledigte ein speziell zu diesem Zweck engagierter Compaq-Mitarbeiter. Für die Projektleitung und Koordination zeichnet Urs Weber verantwortlich. Als drittes Teammitglied ist ein Also-Mitarbeiter vor allem damit beschäftigt, in Zusammenarbeit mit den Kunden die Schnittstellen zu definieren.
Also ABC nutzt nur einen Teil der Möglichkeiten von BizTalk: Im IT-Modell des Unternehmens übernimmt der Microsoft-Server ausschliesslich die Funktion eines Multiformat-Konverters. IT-Leiter Steiner dazu: "Man könnte auch noch Business-Logik einbauen, zum Beispiel, um direkt aus BizTalk heraus eine Rückmeldung bei fehlender Verfügbarkeit eines Artikels zu generieren. Dies entspricht jedoch nicht unserer Strategie: Solche Funktionen übernimmt prinzipiell das ERP-System."
Auf die Frage nach Hindernissen bei Einführung und Betrieb des BizTalk-basierten Swisscom-Projekts antwortet Urs Weber lapidar: "Es gibt eigentlich keine Probleme; schon die Betaversion lief stabil und erstaunlich gut." Das System läuft mit einer Verfügbarkeit von 99,5 Prozent derzeit auf einem einzigen, mit einem RAID-5-Array und einem Gigabyte RAM ausgestatteten Compaq-Server, der beim aktuellen Durchschnitt von 2500 bis 4000 Meldungen pro Tag nur wenig ausgelastet ist.
Auch ein drastischer Anstieg im Verarbeitungsvolumen, wie er an Spitzentagen anfällt - beispielsweise in der Vorweihnachtszeit - durch neue Kunden der Logistik-Komplettdienstleistung oder durch Transaktionen der ausländischen Also-Niederlassung, die ebenfalls zentral in Emmen abgewickelt werden, könnte die Systemarchitektur nicht aus den Angeln heben. "Es wäre möglich, dank der Clusterfähigkeit von BizTalk bis zu acht Server in einem Verbund zu betreiben."
Als einzige, aber unbedeutende Schwachstelle führt Weber an, dass "der BizTalk-Server nicht auf Dateien zugreifen konnte, die auf einem unserer Novell-Fileserver lagen". Die Lösung? Also ABC hat, ganz im Sinn einer einheitlichen Infrastruktur, die Novell-Server inzwischen durch Windows-basierte Systeme ersetzt.
In Kürze kommt die neue BizTalk-Version 2002 auf den Markt, die für das IT-Team von Also vor allem zwei Vorteile bringt: Ein verbessertes User-Interface sorgt für mehr Übersicht - hier war die erste Version offensichtlich doch nicht optimal: "Neu lassen sich verschiedene Teilbereiche einer Datenstruktur, ähnlich wie in Excel, auf mehrere Arbeitsblätter verteilen und getrennt verwalten. In komplexen Szenarien sieht der Bildschirm dann nicht mehr aus wie ein wirres Spinnennetz." Als zweites grosses Plus erwähnt Weber, dass Version 2002 mehr EDI-Funktionen von sich aus unterstützt; "bisher mussten wir da noch einiges selber definieren."
Die Migration sollte, wie der Projektleiter prognostiziert, rasch und ohne Schwierigkeiten über die Bühne gehen: "Als erstes wird das Update auf einem neuen Server installiert, dann migrieren wir die bestehenden Prozesse. Das bringt wenig Aufwand mit sich - im wesentlichen handelt es sich um ein 'Speichern unter...' auf einen anderen Server". Nach der erfolgreichen Übernahme plant Weber, die bisherige Maschine mit dem neuen Server zu clustern und damit die Verfügbarkeit nochmals zu erhöhen. Zusammen mit den abgelösten bisherigen EDI-Konvertern verlieren dadurch auch die MQSeries-Server an Bedeutung, die bis anhin zur Zwischenspeicherung eintreffender Messages beim Ausfall des Integrationsservers benutzt wurden. Weber rechnet damit, dass die Migration gegen Mitte 2002 durchgeführt werden kann.