VMware 4.0: Der PC-Simulant

VMware Workstation 4.0 bietet Support für die neuesten Betriebssysteme und beherrscht jetzt Drag & Drop zwischen Host und Gast.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/09

     

Beliebig viele Betriebssysteme auf einem einzigen Rechner emulieren zu können, ist der Traum vieler Entwickler und experimentierfreudiger Power-User. Erst vor wenigen Jahren hat Vmware mit seiner gleichnamigen Produktereihe diesen Traum wahr gemacht. Nun ist die Desktop-Version des PC-Emulators, VMware Workstation, bereits in der vierten Version erschienen.


Clevere Maskerade

Im Grunde nimmt sich Vmware das gleiche Prinzip zu Hilfe, wie es von der Java-Umgebung verwendet wird: Ähnlich wie die Java Virtual Machine ihren Applets, gaukelt VMware seinen Gast-Betriebssystemen eine komplette Rechnerumgebung in Form eines virtuellen PC vor. Ein direkter Zugriff auf die Hardware des Host-PC ist nicht möglich. Statt dessen emuliert VMware in einer Sandbox alle notwendigen Hardware-Komponenten wie beispielsweise Prozessor, Festplatte, Grafikkarte und Tastatur, für die eigene Betriebssystem-Treiber zur Verfügung gestellt werden.



Die Installation einer solchen Virtual Machine gestaltet sich denkbar einfach: Per Wizard wählt man den Typ des zu installierenden Gast-Betriebssystems, dessen benötigte Speicherkapazität und das zu verwendende Networking-Verfahren. Daraufhin erstellt VMware einen "leeren" virtuellen PC, der für die eigentliche Betriebssysteminstallation nur noch gebootet werden muss.




Die virtuelle Harddisk, auf der das Gast-Betriebssystem und dessen Anwendungen installiert werden, wird in einer einzigen Datei abgelegt, der sogenannten Virtual Disk. Zwecks Sicherung unterschiedlicher Installationsstände lassen sich von dieser beliebige Kopien anfertigen. Da alle Guest-Betriebssysteme von VMware dieselbe virtuelle Umgebung mit identischem Treibermodell zur Verfügung gestellt bekommen, lassen sich Virtual-Disk-Dateien - genügend Speicher vorausgesetzt - auch auf jedem anderen PC einsetzen, auf dem VMware installiert ist.



Jede Virtual Machine bekommt zudem automatisch eine eigene IP-Adresse zugewiesen. VMware fungiert dann als Network Address Translator (NAT) zwischen dem Host- und den gestarteten Gast-Betriebssystemen. So lassen sich auf einem einzigen PC ganze Netzwerkumgebungen und Client/Server-Systeme simulieren.




Breiter OS-Support

VMware gibt es auch in der Version 4.0 wahlweise in einer Variante für Windows oder Linux als Host-Betriebssystem. Während die Windows-Version zwingend auf ein auf NT-Technologie basierendes Windows-System (NT 4.0 oder Windows 2000, XP, Server 2003) angewiesen ist, kommt die Linux-Ausgabe mit den gängigen Distributionen von Suse, Red Hat und Mandrake klar. Die Liste der unterstützten Guest-Betriebssysteme ist bei beiden Produkten identisch: Neben dem guten alten MS-DOS, Windows 3.1, den verschiedenen Windows-9x-Varianten, NT 3.51, 4.0 und Windows 2000 werden auch alle namhaften Linux-Distributionen, FreeBSD sowie NetWare 5 und 6 unterstützt. Bei der Version 4.0 neu hinzugekommen ist der Support für alle Varianten des Windows Server 2003, Red Hat Linux 8.0, Suse Linux in den Ausführungen 8.0 und 8.1 sowie Mandrake Linux 9.0. Im Gegensatz zum Konkurrenzprodukt VirtualPC fehlt aber auch bei der neuesten Version die Unterstützung von OS/2.





Snapshot-Funktion

VMware hat seinem neuesten Emulator eine Snapshot-Funktion spendiert. Damit kann zu einem beliebigen Zeitpunkt der aktuelle Zustand einer Virtual Machine gesichert werden. Dieser Zustand lässt sich später wiederherstellen - zum Beispiel beim Eintreten von Instabilitäten nach einer heiklen Installation.



Leider kann pro Guest-Betriebssystem nur ein einziger Snapshot angelegt werden. Und da es sich bei diesem bloss um eine Kopie der aktuellen Virtual Disk handelt, stellt diese Neuerung eigentlich keinen echten Fortschritt dar. Man kann sich, wie bei früheren Versionen, genauso gut manuelle Kopien anlegen, womit sich auch gleichzeitig die Begrenzung auf einen einzigen Snapshot umgehen lässt.




Viel interessanter sind da schon die Neuerungen in der Kategorie "klein, aber fein". Dazu zählt etwa, dass sich Dateien neu per Drag&Drop zwischen den Desktops des Host- und Guest-Betriebssystems austauschen lassen. Neu gibt es zudem eine Shared-Folder-Funktion, die den Austausch von Daten zwischen Host und den verschiedenen Guest-Betriebssystemen zusätzlich erleichtert.




OS-Zapping

Sehr nützlich ist auch das neue sogenannte Tabbed Interface, das das Zappen zwischen den Guest-Betriebssystemen per Registerlaschen erlaubt. Praktisch sind diese Register vor allem im Vollbildmodus, weil damit der lästige Umweg über die VMware-Konsole entfällt.



Verbessert wurden auch die Video- und Sound-Treiber. Tatsächlich konnten wir nach dem Upgrade von Vmware 3.1 auf 4.0 eine spürbare Steigerung der Antwortzeiten bei der Bildschirmausgabe unserer migrierten Windows-XP- und Windows-2000-Virtual-Machines feststellen. Auch die Audioausgabe ist dank neuen Treibern merklich besser geworden. Zudem wird Entwicklern nun auch innerhalb der Emulation Debugging-Unterstützung auf Programm- und Kernel-Ebene geboten.





Performance und Einsatzgebiete

Natürlich erreichen Virtual Machines nicht die Performance eines echten PC. Auf Rechnern ab 1 GHz Speed und 512 MB RAM werden allerdings bereits erstaunlich gute und für die Bedienung angenehme Geschwindigkeiten geboten, die für die angepeilten Einsatzgebiete vollkommen ausreichen. Gedacht ist Vmware denn auch insbesondere für Entwickler, Administratoren und Supporter, die verschiedene Testumgebungen aufsetzen und griffbereit haben müssen. Praktisch ist das Tool auch für alle, die oft neue Software (Beta-Releases, Shareware etc.), austesten wollen, ohne dabei die Stabilität des primären Betriebssystems aufs Spiel setzen zu müssen. Auch wer auf alte Software-Programme angewiesen ist, die nur unter MS-DOS oder Windows 9x laufen, aber dennoch nicht auf ein modernes Betriebssystem verzichten will, findet mit VMware eine geeignete Lösung. Bedingt lässt sich das Programm sogar für die Serverkonsolidierung nutzen, allerdings bietet VMware hierzu die leistungsfähigere GSX-Version, die insbesondere mit besserer Hardwareunterstützung für Server aufwartet.





Fazit

Die neueste Version von Vmware hinterlässt einmal mehr einen hervorragenden Eindruck. Das Produkt arbeitet stabil und lässt sich vorbildlich einfach bedienen. Einziger Wermutstropfen ist der hohe Preis. Zwar können bei umfangreichen Testumgebungen die 539 Franken dank den gesparten Kosten schnell wieder eingespielt werden.



Für alle, die VMware aber zum Experimentieren mit anderen Betriebssystemen oder zum Austesten von Software nutzen wollen, dürfte das Programm immer noch deutlich zu teuer sein.




Allerdings könnten die Preise schon bald ins Rutschen kommen, denn mit Microsoft, die vor einigen Wochen den VirtualPC-Hersteller Connectix übernommen hat, steht sehr bald eine starke Konkurrenz ins Haus. Und zur Freude der Käufer belebt Konkurrenz bekanntlich das Geschäft.



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