Director MX: Enttäuschung an der Authoring-Front

Die MX-Version von Macromedias Authoring-Software Director bringt (zu) wenig Neues.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/05

     

Bislang haben die Buchstaben M und X, die seit geraumer Zeit hinter praktisch jedem neuen Macromedia-Produkt stehen, ausnahmslos für Begeisterung gesorgt. Bei Director, dem Profi-Authoring-Tool zur Herstellung von CD-ROMs, DVDs, Kiosken und Shockwave-Webinhalten, fällt diese Begeisterung jedoch deutlich verhaltener aus. Denn anders als beispielsweise bei Flash MX sind die Neuerungen und Verbesserung bei Director MX spärlich gesät - ja gar enttäuschend.




Die wesentlichen Verbesserungen oder Veränderungen gegenüber der Version 8.0, die vor rund 3 Jahren erschienen ist, sind den auch schnell aufgezählt: Zum ersten wurde im Rahmen der MX-Standardisierungs- und Kollaborations-Idee die Oberfläche an die übrigen MX-Produkte angepasst. Zudem wurde die Integration von Flash verbessert, und Apples Mac OS X wird unterstützt.


Für Flash-Arbeiter

Wie schon bei den bekannten MX-Produkten mag die Anpassung der Benutzeroberfläche zu gefallen. Nach kurzer Angewöhnung findet man sich im MX-Look zurecht und merkt schnell, dass gewisse Arbeitsabläufe lockerer von der Hand gehen als noch mit Director 8.x. Beispielsweise wurde das Control-Fenster, mit dem die Projekte gesteuert werden, neu unten in das Stage-Fenster integriert. Das Ganze wirkt aufgeräumter, vor allem die verschiedenen Inspektoren-Fenster. Nichtsdestotrotz ist man bei grösseren Projekten nach wie vor froh um jeden Zoll mehr Monitorfläche.



Entwickler, die Director in Kombination mit Flash nutzen, dürften um die enge Integration von Flash dankbar sein. So wird neu beim Doppelklick auf ein SWF-Objekt im Cast-Fenster oder auf der Bühne direkt das assoziierte FLA-File in Flash MX geöffnet, damit das Objekt bearbeitet werden kann. Nach dem Abschluss der Änderungen werden diese in den importierten Flash-Film gleich wieder übernommen. So muss ein SWF-Film nicht wie bis anhin nach jeder Änderung neu importiert werden.




Neu ist auch der Support von QuickTime 6 und somit auch von MPEG-4-Videos. Kaum ausgebaut wurden hingegen die 3D-Features, die in der Version 8.5 als Shockwave-3D Einzug hielten. Ebenfalls wird Fireworks nicht mehr im Director-Bundle mitgeliefert, bei Director 8.x war dies noch anders. Dafür gibt es neu eine Personal Edition des Flash Communication Server MX.



Ebenfalls neu sind Accessibility-Features - Funktionen für behindertengerechte Lösungen - wie beispielsweise eine Text-to-Speech-Funktion.




Lingo: Alles beim alten

Eine ebenfalls erwähnenswerte Neuerung betrifft das Debugging-Fenster, das sich bei der Programmierung mit Lingo (Macromedias dedizierter Director-Sprache) als äusserst hilfreich erweist. Während sich das Debugging-Fenster früher separat öffnete, wechselt das Script-Fenster bei Director MX nun automatisch in den Debug-Modus, mit neuen Zusatzinformationen beispielsweise über Variablenwerte. Ebenfalls verbessert wurde das Message-Fenster, das neu in ein Eingabe- und ein Ausgabefeld unterteilt ist.
Während jedoch mit Director 8.5 allein über 300 neue Lingo-3D-Befehle hinzukamen, findet man bei Director MX lediglich einige neue Befehle für die QuickTime-Steuerung sowie für die Accessibility-Features. Auch die Code-Library mit vorgefertigten Lingo-Scripts wurde kaum erweitert. Jedoch: Wer Director wirklich ausschöpfen will, muss seine Lingo-Scripts ohnehin selbst schreiben.



Das Script-Fenster bietet neu Zeilennumerierung sowie die Möglichkeit, die Scripts optional automatisch einzufärben und zu formatieren.





Neid ist angebracht

Angesichts dieser spärlichen Neuerung blickt der Lingo-Programmierer zu Recht neidvoll auf das Flash-MX-Paket. Dort werden vor allem dem Neuling Programmierhilfen geboten, die man in Director MX schmerzlich vermisst.



Schade ist auch, dass zahlreiche wohlbekannte Bugs aus Director 8.x nach wie vor vorhanden sind. So sind auf Windows-Seite meist mehrere Klicks auf das Farb-Icon nötig, um die Vorder- bzw. Hintergrundfarbe zu ändern. Probleme bestehen auch weiterhin bei MIAWs (Movie in a Window) im Zusammenhang mit Sound. Zudem flackert ein QuickTime-Video immer noch, wenn es mit einem beweglichen Sprite in Berührung kommt.




Auch enttäuschend: Der Projektor (die Run-Time-Datei, die bei der Veröffentlichung eines Projekts erstellt wird) ist bei Director MX grösser als noch bei Director 8.5. Eine logische Erklärung gibt es dafür nicht. Wenigstens die Shockwave-Dateien sind gleich gross.




So nicht, Macromedia!

Summa summarum: Director MX ist entgegen den Erwartungen enttäuschend. Die neuen Funktionen sprechen entweder nur Entwickler von speziellen Anwendungen an (Accessibility-Features), oder aber dienen der Bequemlichkeit (Flash-MX-Integration). Aufregend, wie beispielsweise die 3D-Integration in Director 8.5, sind sie aber nicht.
Es muss festgehalten werden, dass Director nach wie vor das State-of-the-Art-Tool sowie der De-facto-Standard ist, um Multimedia-Produktionen auf CD-ROM und DVD zu erstellen. Mit Director bzw. Lingo sind nach wie vor Dinge möglich, die mit Flash und ActionScript nicht drin liegen. Jedoch wächst mit jeder neuen Flash-Version auch die Konkurrenz zu Director, man denke nur an die (zugegebenermassen noch vergleichsweise bescheidenen) Video-Integrationsmöglichkeiten von Flash MX. Vor allem im Online-Bereich kämpft Shockwave mit einer Verbreitung des Players von gut 60 Prozent gegen die Überlegenheit des Flash-Players mit einer Penetration von 98 Prozent.




Ein Update von Director 8.5 auf Director MX ist somit alles andere als zwingend, ausser man arbeitet wirklich viel mit Flash MX oder hat speziell auf Features für behindertengerechte Anwendungen und Lösungen gewartet. Ansonsten ist man mit der letzten Director-Version nach wie vor gut bedient und kann sich die 750 Franken für das Update sparen.



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