Warenwirtschaftssysteme - kein Privileg der Grossen

In der Schweiz wurde das Potential moderner IT-Systeme bisher vor allem von kleinen und mittleren Detaillisten kaum ausgenutzt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/15

     

Alle wissen es: Die Margen sind minim und werden im Preiskampf der nächsten Jahre noch weiter schwinden. Der gesamte filialisierte Einzelhandel der Schweiz – kurz einfach «Retail» genannt – steht durch den anstehenden Einstieg von Aldi und Konsorten in den Schweizer Markt unter enormen Druck.
Um diesem Druck zu begegnen, haben an erster Stelle die Schweizer Grossverteiler Migros und Coop in den vergangenen zehn Jahren Milliarden in ihre logistischen Prozesse investiert. Als Schlüssel zu einer erfolgreichen Logistik wurde dabei zuerst in die IT investiert. Im Zentrum stand die Umstellung der bisher selbstentwickelten IT-Systeme und insbesondere der Warenwirtschaftsyssteme auf SAP.
Mittlerweile sind diese «Riesen»-Projekte weitgehend abgeschlossen, und die Grossverteiler verfügen über eine durchgängige und in vielen Bereichen automatisierte Prozesslandschaft sowie über eine darauf angepasste, durchgängige Systemlandschaft. Migros und Coop sind damit für den Preiskampf der nächsten Jahre bestens gewappnet und können sich wieder verstärkt auf den Markt und die Schnittstelle zum Kunden konzentrieren.


IT ist im Handel Kernkompetenz

Der Handel lebt mit einer geringen Wertschöpfungstiefe. Dadurch ist der Handel zu optimalen Prozessen geradezu verdammt. Diesen Umstand haben Branchenvorbilder wie etwa IKEA schon vor Jahrzehnten aufgegriffen, indem sie ihre Prozesse konsequent standardisiert und verschlankt haben. Eine solche Standardisierung und Verschlankung hat jedoch ihre Grenzen, da sie letztendlich immer mit vergleichsweise schlanken Sortimenten einhergeht. Um «Business Excellence» zu erreichen, ist der Handel auf IT-Systeme angewiesen. Nur durch IT lassen sich breite Sortimente, mehrfache Sortimentswechsel im Jahr oder unterschiedliches Kaufverhalten am POS überhaupt noch handhaben. IT ist daher zwingend Kernkompetenz im Handel.


Potentiale an allen Ecken und Enden

Das Verhältnis zwischen Handel und Informatik ist jedoch zwiespältig. Händler lieben ihre Ware und sind in aller Regel keine Prozess- und Informatikexperten. In der Folge hat gerade der Handel in der Schweiz in den vergangenen Jahren zu wenig in Informatik und durchgängige Prozesse investiert. Dabei sind die Potentiale von modernen Warenwirtschaftssystemen so weitreichend, dass schon eine reine Aufzählung im Rahmen dieses Artikels nicht möglich ist. Daher seien hier nur einige Beispiele genannt: Mit Hilfe von IT und insbesondere durch Standards wie EDI lassen sich die Transaktionskosten entlang der Logistikkette und gegenüber den zahlreichen Lieferanten deutlich senken. Artikelgenaue Abverkaufszahlen über Scanner-Kassen liefern nicht nur die Basis für eine kunden- und bedarfsgerechte Nachschubsteuerung, sondern erlauben es auch, die Sortimente mittelfristig besser auf die Kundenbedürfnisse abzustimmen und eine am Kaufverhalten orientierte Preis- und Aktionssteuerung umzusetzen. Durchgängige Warenwirtschaftsprozesse erlauben es, mehr Daten zu sammeln und die eigenen Kosten genauer zu kalkulieren. So wird aus dem Preiswettkampf kein Blindflug, sondern eine Kalkulation mit spitzem Bleistift.


Innovationsdruck durch Standards

Der Handel steht jedoch nicht nur allein durch den Markt unter Druck. Die Branche selbst organisiert sich, um besser und professioneller zu werden. Im Kern steht dabei die Beschaffungskette – oder auf Neudeutsch «Supply Chain». Hier spielen Schnittstellenstandards zur Übermittlung von Bestell- und Rechnungsdaten durch EDI und die globale Austauschbarkeit von Artikeldaten auf Basis von EAN eine zentrale Rolle. Die Grossverteiler zwingen ihre Lieferanten zu diesen Standards. Happige Konventionalstrafen für fehlende EDI-Anbindung sind heute u.a. in Deutschland bereits gang und gäbe. EDI und EAN bedeuten für die Lieferanten Kosten, aber gleichzeitig zahlreiche Potentiale. In der Folge zwingen nun die Lieferanten wiederum ihre kleineren Kunden zu EDI und EAN. In der Folge entsteht ein Innovationsdruck, der im Sinne eines Kreislaufes schnell die gesamte Branche beherrschen wird.


Kein Privileg der Grossen

Nun sind viele Entscheidungsträger im Handel geneigt, mit den Achseln zu zucken und darauf zu verweisen, dass moderne IT- und Logistikprozesse ein Privileg der Grossverteiler sind. Beispiele, wie die Einführung von Navision beim Berner Warenhaus Loeb, zeigen jedoch, dass mit vergleichsweise geringen Kosten und einem überschaubaren Risiko integrierte Warenwirtschaftssysteme auch für die KMU im Handel möglich sind. Um es klar zu sagen: Ein integriertes Warenwirtschaftssystem ist kein Privileg nur für Grosse, sondern ist für alle Retailer machbar. Man muss es nur wollen, bereit sein, bei den knappen Margen an der richtigen Stelle zu investieren, und sich professionell auf das Projekt vorbereiten.
Wichtiger Partner für den Erfolg sind branchenerfahrene Systemanbieter. Gerade im Handel gibt es eine ganze Auswahl von Anbietern, die sich als Branchenspezialisten verstehen und Lösungen mit einer genau auf die Bedürfnisse des Handels angepassten Funktionalität bieten. Ein Vergleich der verschiedenen Anbieter am Markt macht deutlich, dass es für die verschiedenen Bereiche des Retail die entsprechenden Lösungen gibt.


Generalisten und Spezialisten

Neben SAP existieren etwa Fashion-Spezialisten wie die Horgener BUS Software, Food-Spezialisten wie Aldata oder Maxess oder auch Generalisten wie Bison, Retek oder Navision. Die Liste ist dabei nur exemplarisch und kann beliebig fortgesetzt werden. Für Handelsunternehmen lohnt es sich, sich mit dem Markt vertraut zu machen und Kosten und Nutzen gründlich abzuwägen. Eine gezielte Investition in eine IT-gestützte Warenwirtschaft ist in jedem Fall ein Beitrag zur Zukunftssicherung.





Die wichtigsten Retail-Systeme im Überblick


Tagung: Warenwirtschaftssysteme auf dem Prüfstand

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Hinzu kommt noch das Risiko, zuviel in das falsche System zu investieren. Um hier Abhilfe zu schaffen, veranstaltet die Zürcher i2s research zusammen mit Info Week.ch regelmässig Tagungen unter dem Motto «IT auf dem Prüfstand». In geraffter Form und unter fachkundiger Moderation werden IT-Systeme von ihren Anbietern vorgestellt und können so einfach und strukturiert verglichen werden. Im Rahmen der diesjährigen Messe Retail Swiss findet am 12.9.2005 erstmals eine Tagung mit Focus Retail unter dem Titel «Warenwirtschaftssysteme im Retail: Durchgängige Prozesse vom Lieferanten zum Point of Sale realisieren – IT-Systeme auf dem Prüfstand» statt. Die Tagungsgebühr ist ausgesprochen attraktiv und entspricht quasi einem Aktionspreis!
Weitere Informationen und die Möglichkeit, sich online anzumelden, finden Sie unter www.changebox.info/retailswiss.


Der Autor

Eric scherer ist Geschäftsführer der Zürcher Beratungs- und Marktforschungfirma i2s Consulting. (scherer@i2s-consulting.com)




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