Datenrausch über den Äther

Bevor mit UMTS mobil und global kommuniziert wird, sorgen HSCSD, GPRS und EDGE beim Mobilfunk für Speed.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/34

     

Die Einführung von UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) wird hochgespielt, als stünde eine ähnliche Revolution bevor wie damals von den Rauchzeichen der Indianer zum ersten Telegrafendraht im Wilden Westen.



Bevor sich der weltweit gültige Mobilfunkstandard aber durchsetzt, wollen uns die Technologielieferanten Datenübertragungsverfahren schmackhaft machen, die auf dem bestehenden GSM-Netz aufbauen: HSCSD (High Speed Circuit Switched Data) ist hierzulande bereits verfügbar. Der Launch von GPRS (General Packet Radio Service) soll gegen Ende dieses Jahres erfolgen. Mit der Einführung von EDGE (Enhanced Data for GSM Evolution) warten die Betreiber, bis klar ist, wer den Zuschlag für eine der vier Schweizer UMTS-Lizenzen erhält.


HSCSD: Nicht nur fürs Business

Bis anhin verschiebt man die Daten über das GSM-Netz mit 9,6 kbps - also etwa einem Fünftel der Geschwindigkeit, die ein V.90-Modem bietet. Mit HSCSD können schon heute bis zu vier GSM-Kanäle miteinander gebündelt werden. Da sich zudem der Durchsatz mittels verbesserter Fehlerkorrektur pro Kanal auf 14,4 kbps anheben lässt, resultiert eine Kapazität von maximal 57,6 kbps - also im Bereich von ISDN. HSCSD benötigt aber viel Netzkapazität, da der Benutzer während der Verbindung maximal vier Kanäle für sich belegt.



In der Schweiz hantieren die Swisscom und Orange mit HSCSD, während Diax auf diesen Innovationsschritt verzichtet hat. Das HSCSD-Produkt Natel OfficeLink von Swisscom richtet sich explizit an Firmen, die ihren Mitarbeitern einen schnelleren mobilen Zugriff auf LAN und Internet ermöglichen wollen, wie Sepp Huber, Pressesprecher der Swisscom, ausführt.




Die HSCSD-Lösung namens Fasta Data, von Orange steht seit Mitte August bereit. Grundsätzlich können alle Orange-Kunden von der schnellen Übertragung profitieren, wobei für die Verbindung die normalen Gesprächstarife verrechnet werden.



Mit dem Nokia Card Phone 2.0 ist erst ein HSCSD-fähiges Endgerät auf dem Markt erhältlich. Da es sich um ein Handy im PC-Card-Format handelt, kann es nicht im Stand-alone-Betrieb genutzt werden. HSCSD-Handys sollen aber demnächst folgen. Sowohl Ericsson als auch Nokia haben bereits Mobiltelefone angekündigt.




GPRS: Noch mehr Schub

Eine weitere Geschwindigkeitssteigerung verspricht GPRS. Die Einführung wird hierzulande gegen Ende Jahr stattfinden. Bei GPRS werden die Daten in einzelne Häppchen unterteilt und über den Äther geschickt. Da der Datentransfer weniger zeitkritisch ist als die Sprachkommunikation, macht dies auch Sinn. Die Endgeräte sind immer erreichbar, eine Verbindung wird aber nur etabliert, wenn effektiv Daten übertragen werden. Das GPRS-Verfahren geht schonender mit den zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten um als HSCSD - insbesondere können mehrere User gleichzeitig denselben Kanal nutzen. Theoretisch könnte mittels GPRS so ein Datendurchsatz von 171 kbps erzielt werden - also weit mehr als mit kanalgebündeltem ISDN.



Gemäss Theres Wenger, Pressesprecherin von Orange, geht man allerdings davon aus, dass GPRS bei der Einführung nur unwesentlich schneller sein wird als HSCSD.




Orange hat im Juni erfolgreiche Tests mit GPRS durchgeführt und will die Technologie bis Ende Jahr einführen - sofern die entsprechenden Endgeräte verfügbar sind.



Auch Diax ist bereit für GPRS und hat ihre Lösung an der Orbit vorgestellt. Und schliesslich plant auch die Swisscom gemäss Pressesprecher Sepp Huber, GPRS bis Ende Jahr aufzuschalten.



Von Motorola wird auf Ende Jahr ein erstes GPRS-Handset erwartet. Geräte von Ericsson werden vermutlich im zweiten Quartal 2001 in grosser Stückzahl erhältlich sein.




EDGE: Das höchste der Gefühle

Der wahre Geschwindigkeitsrausch bei der Datenübertragung über das GSM-Netz soll mit EDGE möglich werden. Das wesentliche Element bei diesem Innovationsschritt ist ein neues, leistungsfähigeres Modulationsverfahren. Damit können theoretisch bis zu dreimal mehr Daten übertragen werden als mit GPRS. Das entsprechende Verfahren wird dann mit EGPRS (Enhanced General Packet Radio Service) bezeichnet.



Für EDGE müssen die Netzbetreiber einiges in den Ausbau der bestehenden Infrastruktur investieren. Auf Benutzerseite bedeutet EDGE zudem abermals eine neue Generation von Endgeräten: Die hohen Datendurchsätze erlauben die Übertragung von Multimedia-Inhalten. Um die Endgeräte für solche Inhalte fit zu machen, braucht es leistungsfähigere Prozessoren; diese wiederum brauchen mehr Strom.




EDGE ist quasi der letzte Übergangsschritt auf dem Weg hin zu UMTS. Für die Netzbetreiber hat EDGE den Vorteil, dass keine neuen Konzessionen benötigt werden. Wenn man bedenkt, wie viel allein für UMTS-Lizenzen bislang bezahlt wurde, lohnt sich die EDGE-Investition allemal. Bei der Swisscom ist die Einführung von EDGE vorläufig nicht geplant. Und auch bei Diax und Orange macht man die Einführung davon abhängig, wie die Versteigerung der UMTS-Lizenzen verläuft.




UMTS: Die Zukunft beginnt

Derzeit sorgen die Versteigerungen von UMTS-Lizenzen, die Frequenzen der dritten Generation des Mobilfunks, immer wieder für Schlagzeilen. Im stationären Betrieb sollen Durchsätze bis zu 2 Mbps erzielt werden können (UMTS Time Division Duplex). Wenn der Benutzer auf Achse ist, reduziert sich die Kapazität auf 384 kbps (UMTS Frequency Division Duplex). Die Auktion der vier Schweizer Lizenzen wird am 13. November erfolgen. Zehn Teilnehmer wurden zur Versteigerung zugelassen.



Bis schliesslich die ersten UMTS-Netze in Betrieb gehen, dürfte es aber noch einige Zeit dauern. Die Bestimmungen zu den Schweizer UMTS-Konzessionen beinhalten eine Klausel, die die Betreiber dazu verpflichtet, bis 2004 eine Netzabdeckung von 50 Prozent der Bevölkerung zu garantieren. Die Swisscom rechnet, dass der Aufbau eines UMTS-Netzes in den grossen Ballungszentren nochmals über 1 Milliarde Franken kosten wird.




Schon bei den GSM-Antennen kam es immer wieder zu Beschwerden aus der Bevölkerung. Obwohl in den Bestimmungen zu den UMTS-Konzessionen dazu angehalten wird, dass die Antennenstandorte koordiniert werden, sind Einsprachen vorprogrammiert.



Mittelfristig ist deshalb klar GPRS das attraktivste Verfahren für die mobile Datenübertragung. Sofern die Netzbetreiber genügend Kapazitäten zur Verfügung stellen können, ist es HSCSD klar vorzuziehen. Die Einführung von EDGE steht und fällt hingegen mit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Wenn einer der drei bestehenden Mobilnetzbetreiber keine Konzession ersteigern kann, wird er unweigerlich auf EDGE ausweichen.



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