Quelloffenes CRM mit Potential

OpenCRX könnte zu einer ernsthaften Alternative zu kommerziellen CRM-Lösungen heranwachsen. Noch ist allerdings der Leistungsumfang eingeschränkt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/21

     

Der Schweizer CRM-Markt (Customer Relationship Management) ist nach wie vor stark fragmentiert. Obwohl auch neue grosse Hersteller wie etwa seit kurzem Microsoft aktiv sind, gibt es hierzulande immer noch keinen klaren Marktführer, was auch Spielraum für Innovationen offen lässt.
Ein Unternehmen, das derzeit über die Landesgrenzen hinaus für Schlagzeilen sorgt, ist die im Zürcher Technopark ansässige Crixp. Das im Mai 2003 gegründete Unternehmen hat ein Kundenbeziehungs-Managementsystem auf Open-Source-Basis entwickelt. Bei OpenCRX handelt es sich um eine kommerzielle CRM-Lösung, die kostenlos ist und lizenzfrei betrieben werden kann. Das Tool wurde erstmals im August dieses Jahres vorgestellt und liegt seit wenigen Tagen in der Version 1.2 vor. OpenCRX wurde mit der Model-Driven-Architecture-Methode (MDA) entwickelt. Der Vorteil von MDA soll einerseits bei geringer Komplexität und gleichzeitig hoher Qualität und andererseits bei tiefen Betriebskosten liegen.


Problemloser Installationsmarathon

Die komponentenorientierte Lösung arbeitet plattformunabhängig und lässt sich in bestehende Systeme wie etwa ERP-Lösungen integrieren.
Um OpenCRX betreiben zu können, wird ein J2EE-kompatibler Applikationsserver sowie ein Datenbankserver benötigt. Dabei wird eine grosse Anzahl verschiedener Lösungen unterstützt. Bei den J2EE-kompatiblen Applikationsservern kommen JBoss, BEA Weblogic sowie IBMs Websphere in Frage. Bei den Datenbankservern kann man zwischen kommerziellen Lösungen wie IBM DB2, Oracle und MS SQL oder den Open-Source-Pendants MaxDB (früher SAP DB), Firebird oder PostgreSQL wählen. Dadurch, dass das System auch kommerzielle Datenbankserver unterstützt, könnte eine Brücke zwischen Open Source und kommerzieller Software geschlagen werden.







Der Einsatz unter MySQL 4.x ist nicht möglich, da MySQL gewisse Kernfunktionen der SQL99-Spezifikation nicht unterstützt. Die SQL99-Spezifikationen werden von der Open-Source-MDA-Plattform OpenMDX, auf der OpenCRX aufbaut, verwendet.
Das InfoWeek-Test-Setup bestand aus MySQL MaxDB und JBoss auf Windows XP. Die Installation von MaxDB, JBoss wie auch die Integration von OpenCRX in JBoss wird von den Installationsanleitungen auf der OpenCRX-Homepage vorbildlich erklärt und ist auch für weniger erfahrene Administratoren recht problemlos machbar. Allerdings verkommt die Inbetriebnahme auf Grund der vielen Voraussetzungen und des manuellen Einrichtens der Datenbank sowie des Hin- und Herkopierens von Konfigurations- und Programmdateien zu einem ziemlichen Installationsmarathon. Hier könnten einige Hilfsscripts oder ein fixfertiges Installationspaket die Einstiegshürde deutlich tiefer legen. Bemerkenswert ist der hohe RAM-Bedarf von mindestens 512 MB: Ist nicht genügend RAM installiert oder vergisst man, der Virtual Machine genügend Arbeitsspeicher zuzuteilen, lässt sich OpenCRX nicht starten.


Leistungsumfang noch eingeschränkt

Der Leistungsumfang der Standardlösung ist im Vergleich zu kommerziellen Systemen noch ziemlich stark eingeschränkt. So konzentriert sich das Tool hauptsächlich auf das Verkaufsmanagement. In diesem Bereich deckt es aber alle relevanten Phasen ab. Dazu zählen unter anderem das Termin- und Aufgabenmanagement, die Kontaktpflege, die durch entsprechende Besprechungs- und Telefonatskontrollen unterstützt wird, das Offertwesen, die Auftragserfassung sowie die Potential- und Umsatzplanung. Ausserdem wird die Integration des Innen- und Aussendienstes, der Verwaltung und des Marketings transparent verwaltet. Das Marketing wird unter anderem durch die Möglichkeit des Direktmarketings unterstützt. Neben dem Dokumentenmanagement stehen darüber hinaus vielfältige Statistiken und Auswertungen zur Verfügung. Eine umfassende History ermöglicht es schliesslich, alle Aktivitäten in OpenCRX nachzuvollziehen.
Zu den wichtigsten Funktionen, die wir in der Standardausführung noch vermissen, zählen unter anderem die Integration mit den wichtigsten Office-Produkten, Kalenderfunktionen oder die Möglichkeit der automatischen E-Mail-Benachrichtigung. Diese und weitere Funktionen sollen aber in Zukunft noch dazukommen. Eine detaillierte Roadmap findet man unter www.opencrx.org/project.htm#roadmap.


Bedienung gewöhnungsbedürftig

Eines der wohl wichtigsten Kriterien für den erfolgreichen Einsatz einer CRM-Lösung ist die Benutzerfreundlichkeit. Nicht selten scheitern CRM-Projekte daran, dass sie von den Anwendern aufgrund zu komplizierter Abläufe falsch eingesetzt werden oder deren Potential nur zu einem Bruchteil genutzt wird.
Obwohl Crixp seine Lösung als einfach und intuitiv zu bedienen bewirbt, attestieren wir dem Handling Gewöhnungsbedürftigkeit. Die Lösung ist webbasiert, was den Vorteil mit sich bringt, dass Aussenstellen oder mobile Aussendienstmitarbeiter jederzeit auf die Kundeninformationsdaten zugreifen können. Unterstützt werden alle gängigen Standardbrowser wie etwa Internet Explorer, Opera, Mozilla oder Firefox.
Der Bedienkomfort hingegen lässt zu wünschen übrig, da man ausschliesslich über ein Web-Front-end arbeitet. Ein Client existiert noch nicht. Diesem Manko wollen die Entwickler aber schon bald entgegenwirken. In der zweiten Hälfte 2005 soll ein GUI (Graphical User Interface) erhältlich werden, das auf dem .Net-Framework basiert und auch Outlook-Integration mit sich bringt. Dadurch dürfte auch die Bedienung für die meisten Anwender durch die gewohnte Umgebung angenehmer werden. Crixp hat bereits eine Vorschau des kommenden GUI vorgegezeigt (siehe Screenshot rechts).


Flexibel und kostengünstig

Ein wesentlicher Unterschied zu vielen kommerziellen Lösungen stellt die Integrationsfähigkeit dar. Die Source sowie alle Schnittstellen sind offen und dokumentiert. Somit lässt sich OpenCRX jederzeit den veränderten Bedürfnissen anpassen. Anpassungen und Erweiterungen sind für MDA-gewohnte Entwickler umso einfacher, als die Applikation auf dem Open-Source-MDA-Framework OpenMDX beruht.
Weitere Vorteile ergeben sich aus der Skalierbarkeit. Das Tool kann laut Hersteller sowohl betreffend Plattform als auch betreffend der Anzahl Benutzer beliebig skaliert werden. So soll es sich sowohl für kleinere und mittlere als auch für global tätige Unternehmen eignen.
Der unmittelbare Hauptvorteil liegt jedoch bei den Kosten. Kommerzielle Open-Source-Lösungen kosten auch Geld – niemand bietet Support, Schulung und Weiterentwicklung umsonst an. Es liegt auf der Hand, dass die Frage nach dem direkten Return on Investment (ROI) bei Open-Source-Anwendern eher zweitrangig ist. Die Total Cost of Ownership (TCO) hingegen dürften günstiger als bei den kommerziellen Pendants sein.


Zukunftspotential

Obwohl das Open-Source-CRM-Tool noch jung ist, wurde es bereits tüchtig weiterentwickelt. Und schon mit der Version 1.2 beweisen die Entwickler, dass sie wissen, woran noch gearbeitet werden muss. So sind beispielsweise gegenüber der Vorgängerversion diverse Features hinzugekommen, die für den professionellen Einsatz wichtig sind. Dazu zählen etwa die neuen Security-Access-Control-Funktionen. Neu ist es möglich, Benutzer zu definieren und ihnen Rollen zuzuordnen; auch Teamzuordnungen sind möglich. Ausserdem wurde die Usability erhöht. Ein Benutzer sieht jetzt auf den ersten Blick, welche offenen Aktivitäten, Leads oder Bestellungen ihm zugeordnet sind. Schliesslich sind jetzt auch Importe und Exporte von .VCS- (iCalender und vCalender) und .VFC-Files (vCard) möglich. Neben Deutsch und Englisch wird neu auch die spanische und die chinesische Sprache unterstützt; weitere Sprachen sind in Bearbeitung.
Obwohl OpenCRX noch nicht hundertprozentig ausgereift ist, hat die Lösung hingegen durchaus Potential. Und mit der stetigen Weiterentwicklung (nicht zuletzt durch die Unterstützung der Open-Source-Gemeinde) könnte das Produkt langsam aber sicher zu einer echten Alternative zu kommerziellen Lösungen heranreifen.




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