Recht im Internet: Legal Disclaimer
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/19
Wer kennt sie nicht, die immer häufiger auf Webseiten anzutreffenden "rechtlichen Hinweise" - zu Neudeutsch "Legal Disclaimer" -, die den Internetbenutzern mitzuteilen versuchen, was diese auf einer Webseite tun dürfen beziehungsweise lassen sollen. In der juristischen Fachwelt bestehen unterschiedliche Auffassungen über Sinn und Unsinn solcher rechtlichen Hinweise. Die einen vertreten die Meinung, ein Legal Disclaimer nütze sowieso nichts, da er vom Surfer nicht zur Kenntnis genommen werde und meist auch nicht korrekt ins Webangebot eingebunden werde. Andere wiederum finden, dass die betreffenden Hinweise ein durchaus taugliches Instrument seien, um dem Site-Besucher Informationen über den Umfang der erlaubten Benutzung und über die Haftung des Anbieters zur Kenntnis zu bringen.
Ob eine Haftung des Anbieters wegbedungen oder zumindest eingeschränkt werden kann, hängt entscheidend davon ab, ob zwischen ihm und dem Benutzer ein Vertrag zustande kommt. Dabei kommt es aber weniger auf die Existenz von rechtlichen Hinweisen an als vielmehr auf die Absicht des Anbieters. Stellt der Anbieter Informationen quasi um ihrer selbst willen der Allgemeinheit zur Verfügung, so muss eher von einer Gefälligkeit seitens des Anbieters ausgegangen werden. Verfolgt der Anbieter mit seinem Informationsangebot aber konkrete wirtschaftliche Ziele - beispielsweise den Verkauf von Waren, die Generierung von Datenverkehr oder die Bindung von Kunden -, so kann mit gutem Grund angenommen werden, er möchte sich mit Hilfe dieser Webseite vertraglich binden. Die rechtlichen Hinweise können auch als eine Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) angesehen werden. Diese Nutzungsbedingungen sind in allgemein gültiger Form auf der Webseite hinterlegt. Für die Einbindung von AGB in Online-Angeboten gilt die Voraussetzung, dass deren Kenntnisnahme für den Site-Besucher zumutbar sein muss - eine Voraussetzung, die sich ohne weiteres auch auf die rechtlichen Hinweise übertragen lässt. Ist also der Legal Disclaimer auf der Startseite gut ersichtlich und führt ein aussagekräftiger Link direkt zum entsprechenden Dokument, kann gemäss gängiger Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass er integrierter Teil der vertraglichen Beziehung zwischen Anbieter und Konsument wird.
Vor welchen Widrigkeiten des Internet sollen die rechtlichen Hinweise den Anbieter des Informationsangebots denn schützen? Eine Quelle für rechtliche Probleme ist sicher die weltweite Abrufbarkeit von Inhalten, die im Web publiziert werden. Je nach Wahl des Domainnamens oder der Ausgestaltung des Inhalts richtet sich ein Internetauftritt an einen bestimmten Benutzerkreis. Ein unüberlegt aufgeschalteter Internetauftritt kann deshalb in bezug auf irgendein bestimmtes Land Markenrechte verletzen, gegen Wettbewerbsrecht verstossen oder auch strafrechtlich relevant sein (z.B. Vertriebsverbote von Alkoholwaren). Die ständige Verfügbarkeit von Online-Informationen stellt auch besondere Anforderungen an die Aktualität des Informationsangebots. Der Ausdruck "Es gibt nichts Älteres als eine Zeitung von gestern" trifft auf das Internet nur bedingt zu. Zu jedem Zeitpunkt des Zugriffs wird die in diesem Augenblick aktuelle Version des Inhalts heruntergeladen. Das Bereitstellen von falschen Informationen kann generell haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen. Gerade bei zeitkritischen Informationen wie Börsenkursen, aber auch in Gebieten, in welchen datenschutzrechtlich heikle Informationen zur Verfügung gestellt werden, wie beispielsweise im elektronischen Gesundheitswesen.
Schliesslich wird auch die herausragendste Errungenschaft des Internet, nämlich mittels Hyperlinks andere auf dem Internet vorhandene Informationsangebote mit dem eigenen verknüpfen zu können, von vielen meist völlig unbedarft genutzt. So sind Framing, Inline- und Deep-Linking an der Tagesordnung. Seiten mit strafrechtlich relevanten Inhalten, Persönlichkeitsverletzungen und sonstigen illegalen Inhalten werden unüberlegt verknüpft. Bei strafrechtlich relevanten Inhalten kann sich der verlinkende Anbieter sogar der Gehilfenschaft schuldig machen. Ist bei Framing oder Inline-Linking die Verknüpfung nicht mehr zu erkennen, so kann dies gemäss neueren Gerichtsurteilen gegen das Urheber- oder Wettbewerbsrecht verstossen.