Neue E-Business-Strategie rund um Novells eDirectory

Novell versteht sich nicht mehr nur als Produktunternehmen, sondern als Lösungsanbieter – in Zukunft soll mit Produkten und Services rund um das eDirectory Geld verdient werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/17

     

Das "e" hat bei Novell ja schon vor einiger Zeit ebenso wie das "i" Einzug gehalten. Produkte wie das eDirectory, der eGuide oder iChain stehen dafür ebenso wie die Net Services und eine Vision von einem Netzwerk, in dem die Grenzen zwischen internen und externen Systemen mehr und mehr verschwinden. Die Strategie von Novell kreist um dieses One Net, um Net Services als Infrastrukturdienste für dieses Netz und nun eben auch um Net Business Solutions, die diese Produkte und Infrastrukturdienste nutzen, um dem Kunden umfassende Lösungen für das E-Business bieten zu können. Allerdings gibt es bei allen diesen Lösungen auch einen gemeinsamen Kern: das eDirectory. Letztlich kreisen alle Themen um den hauseigenen Verzeichnisdienst, der die Basis für die Authentifizierung von Benutzern darstellt.




Die Strategie ist also einfach: Novell liefert die sichere, robuste Infrastruktur für das E-Business mit dem eDirectory als zentralen Kern. Wer allerdings einen Blick auf die Website wirft und sich dort die Informationen zum Redistribution Kit näher betrachtet, merkt auch, womit Novell sein Geld verdienen möchte. Die Geldquelle soll in Zukunft nicht das eDirectory sein - es sollen die Produkte und Lösungen rund um den Verzeichnisdienst sein. Selbst ein Produkt wie ZENworks for Desktops wird in bestimmten Konstellationen bis Ende April dieses Jahres kostenlos an Kunden abgegeben. Hier geht es Novell offensichtlich darum, zunächst einmal die Marktanteile zu schaffen und dann im nächsten Schritt ergänzende Leistungen zu verkaufen - Beratungsleistungen der Cambridge Technology Partners, Zusatzprodukte wie iChain oder die ZENworks-Produkte, Lösungen wie das Employee Provisioning for PeopleSoft. Die Fokussierung von Novell ist deutlich, Risiken aber gibt es.


Die Risiken der Strategie

Das erste Risiko dieser Strategie ist, dass Umsätze im Kerngeschäft von Novell schneller wegbrechen als neue Umsätze im Lösungsgeschäft hinzukommen. Allerdings darf man dabei nicht übersehen, dass nur 11 von 269 Millionen Dollar des Umsatzes aus dem ersten Quartal dieses Jahres aus dem Bereich der Net Directory Services stammen. Verglichen mit dem Umsatz, der mit NetWare, BorderManager, ZENworks und anderen Produkten, die als Net Management Services zusammengefasst sind, erzielt wird, ist das wenig. Insofern kann sich Novell dieses Risiko leisten, denn eDirectory selbst ist nicht der eigentliche Umsatzträger. Die Chance, im Lösungsgeschäft schnell höhere Umsätze zu erzielen, ist da, auch wenn sich das wegen der Bilanzierungsrichtlinien des US-GAAP unter Umständen nicht sofort in den Quartalsabschlüssen zeigen wird.



Das zweite Risiko liegt darin, dass Novell mit seinen Lösungen nur erfolgreich sein wird und den nötigen Leverage erzielen kann, wenn es gelingt, einen ausreichend hohen und vor allem wieder wachsenden Marktanteil bei den Infrastrukturdiensten und hier zuvorderst dem eDirectory zu erzielen. Denn nur dann ist die Basis für ein darum plaziertes Geschäft gegeben. Novells Image hat sich in den letzten Monaten zweifelsohne gebessert. Das Unternehmen wird aber immer noch als ein Anbieter mit zweifelhafter Zukunft gesehen. Allerdings sprechen die Zahlen hier eine andere Sprache. Das Unternehmen verfügt über eine sehr hohe Liquidität und bewegt sich zumindest nahe dem Break-Even, auch wenn noch einige Kosten für die Umstrukturierung anfallen werden. Und Novell hat über Jahre bewiesen, dass man leistungsfähige Produkte liefern und sich in den letzten Monaten auch wieder technologisch an die Spitze setzen konnte.




Die dritte Herausforderung besteht darin, dass es Novell gelingen muss, in dem Lösungsgeschäft an die Projekte zu gelangen. Hier ist mit Cambridge Technology Partners eine Basis geschaffen, die auch Glaubwürdigkeit für die Umsetzung grösserer Projekte garantiert. Auf der anderen Seite darf man nicht übersehen, dass sich Novell damit zunächst im Wettbewerb mit den anderen grossen Beratungshäusern wie PWC oder Accenture befindet - und die grossen Lösungsprojekte, an die Novell rankommen möchte, werden zum überwiegenden Teil über solche Berater abgewickelt. Auf der anderen Seite gelingt es aber auch IBM, diesen Spagat zwischen den eigenen IBM Global Services und anderen Beratungs- und Lösungsunternehmen zu meistern. Und Novells technologisches Angebot ist gut genug, um für jeden Berater eine interessante Alternative zu sein.



Ein weiteres Risiko ist, dass durch die Verbindung von Novell und Cambridge Technology Partners das bisherige Beratungsgeschäft leiden könnte, weil Kunden an der Unabhängigkeit der Beratung zweifeln. Der Umsatz, den Cambridge Technology Partners liefert, ist aber mit unter 70 Millionen Dollar vergleichsweise gering - und das sollte Novell auffangen können.
Schliesslich erzeugen die Novell Net Business Solutions derzeit noch ein wenig das Bild eines Bauchladens.




Die Net Business Solutions

Nachdem Novell vor einigen Monaten mit dem Employee Provisioning die erste Lösung auf den Markt gebracht hat, hat das Unternehmen mittlerweile schon sechs verschiedene Produktpakete im Portfolio. Diese Lösungen stehen im Konzept von Novell über den Produkten und bilden die Basis der Net Business Strategie, die man auch als E-Business-Strategie bezeichnen könnte.




• Mit dem Active Information Portal gibt es ein Angebot für Portallösungen. Dabei werden das eDirectory, die Novell Portal Services und der sogenannte Jitzu Code zu einem gemeinsamen Lösungsangebot, mit dem sichere Portale mit einer umfassenden Integration von Unternehmenslösungen aufgebaut werden können.





• Das Business Process Management for Governments setzt auf DirXML und eDirectory auf. Diese Lösung ist auf die Optimierung von Prozessen im Behördenbereich ausgerichtet. Ziel ist es, Informationen für solche Prozesse zu zentralisieren, um darauf dann im nächsten Schritt neue Dienste für die interne Nutzung oder die Bürger aufsetzen zu können.




• Auch das Identity Provisioning for PeopleSoft basiert auf DirXML und eDirectory. Zusätzlich wird auch Novell iChain eingesetzt. Zielsetzung ist hier die Integration von Informationen aus verschiedenen Datenquellen über das eDirectory und von dort aus wiederum mit den Informationen, die in PeopleSofts Human-Resource-Lösung verwaltet werden. Damit wird ein umfassendes Sicherheitsmanagement für das Unternehmen umgesetzt.




• Die als Rapid Technology Rationalization bezeichnete Lösung basiert auf ZENworks und soll Unternehmen helfen, ihre Technologien - von Servern bis zu PDAs - optimal zu verwalten. Letztlich geht es dabei nur um eine effiziente Implementierung der ZENworks-Produktfamilie.




• Das Secure Partner Portal setzt auf BEAs WebLogic, Novell iChain, Novell Portal Services und eDirectory auf. Damit wird die Basis für eine schnelle Implementierung von B2B-Portalen mit dem Fokus auf den sicheren und effizienten Informationsaustausch und Anwendungszugriff für Partner angeboten.




• Schliesslich gibt es noch die Finditin Community Portals, die ein Portal für lokale Unternehmen und Behörden darstellen, um ihre Dienste anzubieten. Technische Basis ist hier wieder der eDirectory-Verzeichnisdienst in Verbindung mit den Beratungs- und Implementierungsleistungen der Cambridge Technology Partners.



Die Mischung von technisch orientierten Lösungen wie der Rapid Technology Rationalization mit Branchenlösungen wie dem Business Process Management for Governments und Spezialthemen wie dem Identity Provisioning for PeopleSoft zeigt noch ein diffuses Bild. Hier wird deutlich, dass Novell noch keine abgeschlossene Strategie hat und derzeit wohl vor allem Best Practices aus laufenden und neuen Projekten von Cambridge Technology Partners als Lösungen anbietet. Hier darf man gespannt sein, ob es Novell gelingt, dieses Bild noch klarer zu fassen.


Unter dem Strich

Dennoch muss man Novell zugestehen, heute eine wesentlich klarere, marktgerechtere und zukunftsorientiertere Strategie zu verfolgen. Die Ausrichtung auf Lösungen ist eindeutig, da Novell ein Geschäft rund um sein eDirectory entwickelt hat. Die Idee von Novell, sehr viel rund um das Verzeichnis zu plazieren, ist ja nicht neu. Man verlässt sich nun aber nicht mehr auf andere, um die Idee eines Full Service Directory als zentrales Element von IT-Infrastrukturen Realität werden zu lassen, sondern schafft selbst die Lösungen. Die Strategie von Novell ist hier nun deutlich - nicht mehr nur Technologie, sondern auch Lösungen zu liefern und diese zu implementieren.




Die Chancen für Novell sind heute zweifelsohne besser als noch vor ein oder zwei Jahren - und damit ist das Unternehmen auch wieder eine valide Option in Entscheidungen für die IT-Strategie.



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