Vertragsgestaltung für Internetprojekte

Grössere Internetprojekte sind immer interdisziplinär und daher meist nur durch den gebündelten Einsatz der Kernkompetenzen mehrerer Partner zu realisieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/11

     

Grössere Internetprojekte sind immer interdisziplinär und daher meist nur durch den gebündelten Einsatz der Kernkompetenzen mehrerer Partner zu realisieren.



Als Alternative zum Einkauf fehlender Kompetenzen und Ressourcen auf dem Markt setzen sich immer mehr Joint Ventures durch, bei denen das wirtschaftliche Risiko auf mehrere Vertragspartner verteilt wird. Eine vorausschauende vertragliche Regelung einer solchen Zusammenarbeit kann später viel Ärger ersparen.


Kräfte mit Joint Ventures bündeln

Beim integrierten Joint Venture gründen die beteiligten Unternehmen ein neues Unternehmen, welches das Projekt realisiert und dabei von den beteiligten Partnern vertraglich festgelegte Leistungen bezieht. Demgegenüber handelt es sich beim vertraglichen Joint Venture um eine reine projektbezogene Zusammenarbeit. Durch die Bündelung von Kernkompetenzen mehrerer Partner (z.B. Programmierung, Design, Logistik) lassen sich Projekte realisieren, die sich ein einzelner Partner nicht leisten könnte, wenn er die übrigen erforderlichen Elemente auf dem Markt einkaufen müsste.



Kernstück eines jeden Zusammenarbeitsvertrages ist die präzise Umschreibung des Zwecks der Zusammenarbeit, der einzubringenden Kernkompetenzen sowie der sachlichen und finanziellen Leistungen, welche jeder einzelne Partner zu erbringen hat. In diesem Zusammenhang sind auch angemessene Regeln über die Sach- und Rechtsgewährleistung der verantwortlichen Entwicklungspartner sowie über die Folgen des Verzugs gegenüber dem Zeitplan festzulegen.




Oft scheitern Joint Ventures daran, dass die Parteien der Projektorganisation nicht genügend Beachtung schenken. Jedes einzelne Teilprojekt will geplant, umgesetzt und getestet werden, bevor es in das Gesamtprojekt integriert wird. Zur Umsetzung der Projektorganisation ist es sinnvoll, einen gemeinsamen Projektsteuerungsausschuss zu bilden, der nicht nur über Pflichten, sondern auch über die zur Umsetzung des Projektes erforderlichen Kompetenzen verfügt.




Elementar: Standardisierung und Dokumentatierung

Im Hinblick auf das langfristige Gedeihen des Joint Venture ist es von Bedeutung, dass die von den einzelnen Partnern gelieferten Elemente auf verbreiteten Standards basieren. Sämtliche Entwicklungsschritte und der Source-Code der programmierten Applikationen sind zu dokumentieren und dem Joint Venture zur Verfügung zu stellen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass beim Ausscheiden eines Partners - oder einzelner Know-how-Träger desselben - das Weiterbestehen des Joint Venture gefährdet wird.



Joint Ventures nutzen meistens geistiges Eigentum einzelner Vertragspartner (z.B. Marke, Software), oder aber sie generieren selber geistiges Eigentum. Im Falle der Nutzung bestehenden geistigen Eigentums einzelner Vertragspartner sind die Modalitäten in einem Lizenzvertrag zu regeln. Sofern das Joint Venture neues geistiges Eigentum schafft, ist festzulegen, unter welchen Bedingungen die einzelnen Vertragspartner dieses ebenfalls nutzen dürfen. Entscheidend ist auch eine sachgerechte Regelung betreffend Nutzer- und Kundendaten. Dabei ist festzulegen, wer die Verantwortung für die gesetzeskonforme Bearbeitung von Personendaten trägt und wer welche Daten zu welchem Zweck bearbeiten darf.




Sobald das Joint Venture gewinnbringend arbeitet, fallen entsprechende Steuern an. Durch geeignete Ausgestaltung des Joint Venture lässt sich die Steuerbelastung zwar nicht beseitigen, aber auf ein Minimum begrenzen. Für eine wirkungsvolle Steuerplanung ist es dann, wenn die ersten Gewinne angefallen sind, meistens zu spät. Es lohnt sich, steuerrechtliche Aspekte bereits bei der Planung des Joint Venture mit zu berücksichtigen.




Die Konkurrenzfrage

Ein angemessenes Konkurrenzverbot soll sicherstellen, dass die einzelnen Partner ihre Energie im Tätigkeitsbereich des Joint Venture auf dieses konzentrieren und das Joint Venture nicht durch eigene Aktivitäten konkurrenzieren - natürlich unter Beachtung der Schranken des Kartellrechts. So kann bereits die Gründung des Joint Venture unter bestimmten Voraussetzungen melde- und bewilligungspflichtig sein. Zu beachten ist ferner das Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden. Besonders kritisch ist dies im Falle von horizontalen Abreden - etwa bei Internetmarktplätzen -, sofern solche nicht allen Marktteilnehmern zu nicht diskriminierenden Konditionen zur Verfügung stehen.



Beim Abschluss eines Joint-Venture-Vertrages denken die Partner selten daran, dass keine Zusammenarbeit ewig dauert. Die Auflösung von Joint Ventures kann zu einer unerfreulichen Angelegenheit werden, weshalb angemessene Exit-Szenarien vorzusehen sind. Wenn man sich nicht darüber einigen kann, wer im Falle einer Auflösung eines Joint Venture dessen Tätigkeit fortsetzen darf, kann die Durchführung eines Auktionsverfahrens unter den Vertragspartnern sinnvoll sein. Auf diese Weise erhält derjenige Vertragspartner den Zuschlag, der dem Joint Venture den grössten wirtschaftlichen Wert beimisst, während die anderen Vertragspartner die bestmögliche Entschädigung erhalten.




Festzulegen sind schliesslich auch angemessene Regeln für die Konfliktbewältigung. Weil staatliche Gerichte kaum Erfahrungen mit grösseren Internet-Joint-Ventures haben, kann es sich empfehlen, für allfällige Auseinandersetzungen einen Mediator vorzusehen, der zumindest teilweise mit der Technik des betroffenen Gebietes vertraut ist. Dadurch ist die Chance auf eine einvernehmliche Lösung wesentlich höher als bei staatlichen Gerichten.



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