Wieder rosigere Zukunftsaussichten für den IT-Markt in der Schweiz

Eine Umfrage von InfoWeek ergab: Die schlechten Zeiten sind vorbei. Die IT-Branche erwartet noch in diesem Jahr einen Aufschwung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/06

     

Über die wirtschaftlichen Aussichten der IT-Landschaft Schweiz wurde in den letzten Monaten viel gemunkelt. Speziell nach dem tristen September sahen die Zukunftsaussichten unter anderem auch in der Schweiz nicht gerade rosig aus. InfoWeek wollte es genau wissen und hat Anfang Februar eine Umfrage bei zahlreichen namhaften IT-Unternehmen gestartet.


Es darf gehofft werden

Die IT-Fachleute sind erwartungsvoll, wenn es um die Frage nach den wirtschaftlichen Aussichten in ihrem Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr geht. Das Ergebnis der Umfrage von InfoWeek stimmt zuversichtlich. Von den 17 befragten Firmen sind 71 Prozent überzeugt, dass das Jahr 2002 ein erfolgreiches Jahr wird. Bei Sun Microsystems glaubt man, dass es langsam wieder aufwärts gehen wird. "Ein deutlicher Aufschwung ist ab ungefähr Mitte Jahr in Sicht", so Albert Hauslin, Mitglied der Geschäftsleitung. 23 Prozent der Umfrageteilnehmer tendieren auf eine gleichbleibende wirtschaftliche Lage, und nur gerade ein Befragter befürchtet eine Verschlechterung. Doch wie schafft die Schweizer IT-Landschaft den Aufschwung? Die Schweiz ist von der europäischen Situation abhängig, ist der deutliche Tenor bei rund der Hälfte der Befragten. 23 Prozent glauben daran, dass es die Schweiz aus eigener Kraft schafft. Nur je eine Stimme macht den Aufschwung von den USA abhängig. "Der Aufschwung beginnt im Kopf", sagt der Geschäftsinhaber von Nextage, Remo Schilliger, und zitiert damit den Slogan der letzten Rezession. Auch Albert Hauslin ist überzeugt: "Eigene Initiative und eigene Innovative sind grundlegende Voraussetzungen."





Grösste Chancen für die Sicherheit

Security hat nach Ansicht der befragten Führungskräfte aus dem Bereich IT das grösste wirtschaftliche Wachstumspotential. Auf einer Skala von 1 (miserabel) bis 10 (hervorragend) erreichte der Bereich Sicherheit mit 8,5 Punkten den ersten Rang, was nicht weiter erstaunt. Security und die damit verbundenen Massnahmen dürften im Jahr 2002 eines der wichtigsten Themen weltweit sein.



An zweiter Stelle stehen die Chancen im Bereich Intranet mit 7,2 Punkten. Auch hier sind sich die Branchenkenner einig, dass die Erfolge dieser Architektur tendenziell steigen werden.




Der Stellenwert von Services steht bei den Befragten mit 7,12 Punkten auf dem dritten Platz. Sie gehen davon aus, dass dieses Segment noch in diesem Jahr stärkere Bedeutung erlangen wird. Auch wird viel Vertrauen in den Bereich Consulting gelegt, der an vierter Stelle liegt. Mit 6,5 Punkten halten sich auch Storage und Mobile Internet im vorderen Bereich. Damit steht fest, dass der Mobile-Hype sich auf dem Rückzug befindet. Auf Rang sieben steht der Bereich Integration konventioneller IT und Internet mit 6,4 Punkten. Auch für das Content Management sieht laut den Fachleuten die Zukunft nicht allzu rosig aus. Mit 6,24 Punkten liegt es allerdings noch in der oberen Hälfte der Wertung und somit auf Platz acht. Rang neun teilen sich ERP und CRM gefolgt von LAN.



Das Schlusslicht auf Platz zwölf und dreizehn bilden Web Publishing und der PC/Server-Markt. Ihnen räumen die Experten aber durchaus nennenswerte Chancen für die Zukunft ein.




Hindernisse

Unterschiedliche Einschätzungen vertreten die befragten Unternehmensführer auch im Hinblick auf die grössten Hindernisse für eine blühende Schweizer IT-Landschaft. 71 Prozent sind ganz klar der Meinung, dass es am schlechten allgemeinen Wirtschaftsklima liegt, dass die Branche zur Zeit stagniert. Ganz einig ist man sich aber nicht. Es könnten auch andere Ursachen sein. Je rund 35 Prozent der Befragten sehen die Ursache in der fehlenden Sicherheit, dem Börsenumfeld und der damit verbunden Kapitalverknappung oder der zu schnellen Entwicklung der Technologien. 29,4 Prozent der Befragten wiederum geben die Schuld der mangelnden Akzeptanz des E-Commerce und 24 Prozent sehen den Grund in ungenügendem Vertrauen in die Technologien.





Turnaround für B2B

E-Commerce befindet sich in der Schweiz immer noch in der Wachstumsphase, die sich allerdings verlangsamt hat. Ungefähr ein Drittel der Schweizer Unternehmen betreibt Handel im Bereich elektronisches B2C. Die überhöhten Erfolgsprognosen der Wirtschaft sind einer realistischen Sichtweise gewichen. Viele der elektronischen Marktplätze im Business-to-Business-Bereich mussten ihren Betrieb bereits einstellen oder mittels strategischer Partnerschaften bzw. Fusionen einen Weg aus der derzeit schlechten Lage suchen. Marktforscher prognostizieren, dass in den kommenden drei Jahren weniger als ein Viertel der amerikanischen Internet-Marktplätze überleben werden. Trotzdem wird B2B und B2C in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Laut einer Studie von Forrester Research wird der Handel über Internet-Marktplattformen in den USA bis 2004 mit 1,4 Billionen Dollar 53 Prozent des gesamten Handelsvolumens ausmachen.



Bis heute jedoch konnte weder B2B- noch B2C-E-Commerce in der Schweiz grössere Erfolge verzeichnen. InfoWeek hat die Führungskräfte der IT-Branche gefragt, wie sich die Business-Modelle verändern müssen, damit ein Turnaround herbeigeführt werden kann.




Die Frage sei falsch gestellt, kontert Herbert Schwerzmann, Geschäftsleiter der Firma BCD Sintrag: "Die Erwartungen in die Entwicklungen von E-Commerce waren einfach zu hoch." Auch Arlette Staub, CEO bei Logacont, kennt keine Lösung: "Hätte ich eine Antwort auf diese Frage, wäre ich bereits Multimillionärin!"



Der Regional Manager von Symantec, Marcel Beil, glaubt an eine Veränderung, sobald die Nutzer/Anwenderfreundlichkeit im Vordergrund stehe. Vor allem aber müsse man vermehrt auf Sicherheit setzen und den Kundennutzen im Fokus behalten, gibt Remo Schilliger zu bedenken. "Die Anbieter müssen mehr Preistransparenz schaffen und Kostenreduktionen an die Kunden weitergeben. Zudem sollte bei B2C mehr Wert auf Kundenloyalität gelegt werden", so Michael Zwahlen, CEO von Accelo. Bei B2B sei eine Konzentration auf weniger Kunden wichtig, dafür sei eine stärkere Einbindung in die Prozesse des Kunden bedeutend. Es wäre sicher sinnvoll, mehr Investitionen in Pre- und Aftersales zu machen, rät er den Anbietern.



Im Rahmen einer Forschungsarbeit am Institut für Wirtschaftsinformatik in Bern kam man zum Ergebnis, dass die Bedeutung elektronischer Marktplätze insbesondere im Bereich der Business-to-Business-Aktivitäten weiter wachsen werde. Es würden allerdings in Zukunft nur sehr wenige zentrale Marktplätze im Sinne von Transaktionsplattformen existieren, auf denen Spezialisten ihre Leistungen in entgeltlicher Form anbieten werden.



Bis dahin seien allerdings noch zahlreiche Hindernisse zu überwinden. Vor allem sei eine effiziente Koordination der Marktplatzaktivitäten innerhalb des jeweiligen Unternehmens durchzuführen und entsprechend gesammeltes Wissen zum Beispiel mittels eines Wissensmanagements zu erfassen. Informationen und gesammelte Erfahrungen können zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil führen.




Frischer Wind durch UMTS?

Eine Studie der Wirtschaftszeitung "Cash" und der Unternehmensberatung Arthur Andersen von letztem Herbst, bei der 1000 Personen zwischen 14 und 75 Jahren teilnahmen, belegt, dass drei Viertel der Schweizer Bevölkerung beim Thema UMTS im dunkeln tappt. Von den restlichen Personen, die zum Teil interessiert sind, ein solches Netz zu nutzen, sind wiederum nur 63,2 Prozent bereit, einen Aufpreis auf ihr Telekom-Abo zu bezahlen.



Solange also die UMTS-Anbieter nicht mit interessanten Anwendungen aufwarten können, wird UMTS die Konsumenten kalt lassen, kamen die Marktforscher von IHA/GFM zum Schluss.




Das UMTS-Pilotnetz von Swisscom Mobile umfasst derzeit acht Basisstationen in Bern und dient der technischen Erprobung der neuen Technologie. Weitere Basisstationen sind in Planung und werden ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Netzwerklieferanten Ericsson aufgebaut. Swisscom Mobile ist zuversichtlich, Ende 2002 in der Lage zu sein, die in der Konzession vorgeschriebene Abdeckung von 20 Prozent auf Basis einer "Standalone-Infrastruktur" zu erfüllen. Wenn bis dahin entsprechende Endgeräte auf dem Markt verfügbar sind, könne UMTS auch genutzt werden.



Doch wird der UMTS-Start der IT-Landschaft zu mehr Schwung verhelfen? Hier sind die Fachleute skeptisch. Mehr als die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass der UMTS-Start nichts ausrichten wird. Michael Zwahlen vergleicht den UMTS-Start mit den Einführung von Browsern und GSM-Systemen. "Hier hat die erste Phase bis zur relevanten Markteinführung jeweils drei bis fünf Jahre gedauert." Er rechnet mit den ersten geschäftsorientierten Anwendungen kaum vor Ende 2003. "In vielen Bereichen gilt es noch Lösungen und Standards zu entwickeln, bevor ein breiter Einsatz denkbar ist."



Der Geschäftsführer von BW Digitronik, Peter Weidmann, glaubt an die Durchsetzung von UMTS im Consumer-Bereich. "Der Standard wird sich für Informationen, Games, Fun und Kommunikation etablieren, wird aber auf den traditionellen IT-Bereich keinen Einfluss haben", so Weidmann. Grundsätzlich gilt, solange keine funktionellen Applikationen auf dem Markt sind, wird UMTS nur zögernd zu mehr Aufschwung verhelfen. Dazu kommt das Preis/Leistungsverhältnis, das stimmen muss, die Akzeptanz der User und die Geräte, die vorhanden sein müssen. "Vorausgesetzt, die IT kann mit Mobile Computing mithalten, ist ein Aufschwung durchaus denkbar", ist Marcel Beil überzeugt.



Die Experten-Umfrage von InfoWeek wurde an der Internet Expo durchgeführt, um die Stimmung innerhalb der IT-Landschaft Schweiz aufzeigen zu können. Sie kann, so das Fazit von InfoWeek, durchaus als positiv bezeichnet werden. Die Meinungen der IT-Fachleute unterscheiden sich wenig. Meist nur wenn es um den genauen Zeitpunkt des Aufschwungs geht. Hier frohlocken einige, dass mit dem Sommer der Aufwärtstrend kommt, andere glauben, dass die besseren Zeiten bis zum vierten Quartal auf sich warten lassen werden.



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