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ADSL: Schwere Vorwürfe gegen Bluewin-Pricing

Bluewins neues ADSL-Pricing stösst der Konkurrenz sehr sauer auf.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/09

     

Bluewin hat per 1. März die ADSL-Preise für die Privatkunden-Angebote Broadway ADSL 256 sowie 512 auf 49 beziehungsweise 79 Franken pro Monat gesenkt. Dies haben wir bereits in der letzten Ausgabe von InfoWeek berichtet. Die Preissenkung von rund 20 Prozent wirft jedoch innerhalb der Branche hohe Wellen, denn der grösste Schweizer ISP gehört mit seiner aggressiven Strategie nun zu den günstigsten Anbietern auf dem Markt.




Bereits nach der Ankündigung war von verschiedenster Seite zu hören, dass sich der Breitbandzugang mit diesen Preisen unmöglich kostendeckend betreiben lässt, da beispielsweise für einen 256/64-Kbps-Anschluss Swisscom Wholesale monatlich 39 Franken abgeliefert werden müssen.
InfoWeek wollte nun von Bluewin-Mitbewerbern wissen, wie sie die Auswirkungen des aggressiven Pricings beurteilen, und ob die neuen Preise auch Auswirkungen auf die eigenen Angebote haben werden. Die Reaktionen der übrigen ADSL-Anbieter sind dabei teils äusserst heftig ausgefallen.

Hauptsache viele Kunden

"Nie und nimmer!", beantwortet Markus Binz, Firmeninhaber des Providers Solnet, die Frage, ob denn Bluewin mit diesen Preisen überhaupt kostendeckend arbeiten könne. Dies ist insofern verwunderlich, als dass doch Solnet selbst die Bluewin-Preise - wie einige andere Anbieter auch (siehe Tabelle) - unterbietet. Binz fügt jedoch die gewaltigen Nebenkosten an, die bei Bluewin am Laufen sind, beispielsweise für Werbekampagnen, Aktionen wie die geschenkten Aufschaltgebühren oder auch den "Wasserkopf" bei Bluewin - sprich der ansehnlich grosse Verwaltungsaufwand. Auch Alexis Caceda, Sales Engineer bei Netstream, glaubt, dass Bluewin mit diesen Preisen nur kostendeckend operieren könnte, wenn die Einkaufspreise bei Swisscom Wholesale tiefer wären. Und hier liegt wahrscheinlich der Hund begraben, denn tatsächlich sind die Bluewin-ADSL-Einkaufspreise bei Swisscom-Wholesale günstiger. Swisscom bietet nämlich den Wholesale-Abnehmern mit über 20'000 Kunden einen Rabatt von 20 Prozent an. Jedoch erreicht dieses Volumen neben Bluewin kein anderer Provider - nicht einmal annährend.



So ist auch anzunehmen, dass kein Provider nach der Bluewin-Offensive Preissenkungen plant. Zumindest waren entsprechende Pläne bis Redaktionsschluss nicht bekannt. Zum einen dürfte dies damit zusammenhängen, dass Preissenkungen gar nicht mehr drin liegen. Dies ist aber nicht der einzige Grund. Urs Käppeli, CEO Profitel, wird deutlich: "Wir machen diesen unsinnigen Preiskampf nicht mit - wir wollen Geld verdienen und nicht den Fehler der Telekom-Industrie wiederholen. Die Branche hat anscheinend nichts gelernt aus den Debakeln im Voice-Bereich. Der Preiskampf ist tödlich für jeden, der mitmacht." Erbost hängt Käppeli an: "Qualität, Sicherheit und Langfristigkeit sind uns wichtiger, als 20'000 Kunden, die keine Erträge erwirtschaften."




ADSL ist als Kerngeschäft tot

Doch Bluewins Preissenkung könnte für einige ISPs weitreichende Folgen haben. Diverse Anbieter berichten bereits davon, dass die ADSL-Bestellungen seit Anfang März, also seit Bekanntgabe der neuen Preise, praktisch gegen Null gesunken sind, während zuvor 20 bis 25 Neukunden am Tag dazukamen. Deshalb glaubt Cybernet-CEO René Waser, "dass Bluewins neueste Offensive andere, vor allem kleinere Anbieter, Kopf und Kragen kosten wird." Bei Cybernet selbst macht man sich keine allzu grossen Sorgen, weil dieser Anbieter in erster Linie KMU anpeilt. Wenn Bluewin aber wie angekündigt im zweiten Halbjahr mit Angeboten kommt, die eine fixe IP-Adresse beinhalten, dann wird das Umfeld auch für die KMU-Provider frostiger.



Auch andere Anbieter sind sich der Folgen der tiefen Bluewin-Preise bewusst. So glaubt beispielsweise Giuseppe Giordarno, Geschäftsführer des Basler ISPs MagNet, dass diese Massnahme dazu führen wird, dass kaum mehr neue Provider ins ADSL-Geschäft einsteigen werden. Zudem: "Kleine Provider, welche nicht mit anderen Dienstleistungen zusätzlich Geld verdienen, werden in einen Liquiditätsengpass getrieben." Noch düsterer sieht Profitel-CEO Käppeli die Konsequenzen: "Mit der Bluewin-Offensive ist ADSL für keinen Anbieter mehr interessant, da bei solchen Preisen keine wirklich lukrativen Erträge mehr zu erwirtschaften sind. ADSL als Kerngeschäft ist tot."




Swisscoms schützende Hand

Noch schwerer wiegen die Vorwürfe, wenn es um die Rolle der Swisscom als Wholesale-Anbieter auf der einen und als Bluewins Mutterfirma auf der anderen Seite geht. Nicht wenige ISPs fühlen sich von der Swisscom gegenüber Bluewin ungerecht behandelt. So stösst beispielsweise die Tatsache sauer auf, dass die Swisscom Bluewin subventioniert, allein weil durch ADSL-Kunden aufgrund der Pre-Selection-Bedingung der Swisscom Telefonkunden erhalten bleiben. Zudem wollen die Konkurrenten wissen, weshalb Bluewin auf der Fixnetzrechnung der Swisscom ADSL-Werbung machen darf, anderen Anbietern diese Möglicheit aber verwehrt bleibt. Aus diesen und anderen Gründen planen offenbar konkurrenzierende ISP wie Cybernet, Green.ch und Sunrise, bei der Swisscom vorzusprechen, um endlich gleich behandelt zu werden wie der blaue Provider-Riese.



Denkbar ist auch, dass die Swisscom die Wholesale-Preise in absehbarer Zeit senken könnte und Bluewin einen Informationssprung besitzt. Dieser schwere Vorwurf wird unterschwellig von einigen ISPs angetönt.




Nichtsdestotrotz bezweifeln die meisten ADSL-Anbieter, dass die Wholesale-Preise in nächster Zeit sinken werden. Mit einer Preissenkung wird frühestens im zweiten Halbjahr - wenn überhaupt - gerechnet. Offenbar war zudem bei der Swisscom auch eine Art ADSL-Light-Angebot in Planung - als Konkurrenz-Angebot zu Cablecoms Hispeed Economic. Aufgrund der schwierigen Situation bei Cablecom und dem derzeitigen Ausbaustopp wurde das Projekt, ADSL mit tieferen Bandbreiten zu Niedrigstpreisen anzubieten, derzeit wieder zur Seite gelegt. Bei Tiscali wird überdies vermutet, dass die Setup-Gebühren über kurz oder lang entfallen werden.



Wie dem auch sei, Bluewins aggressives Pricing wird einige Konkurrenten ins Schwitzen bringen. Auf der anderen Seite ist der Preis zwar vor allem für Privatkunden das ausschlaggebende Argument, trotzdem zählen auch Faktoren wie fachkundige Unterstützung, Verfügbarkeit oder massgeschneiderte Lösungen. In diesen Bereichen können sich kleinere ISPs durchaus von Bluewin abheben. Giuseppe Giordano von MagNet bringt es wohl richtig auf den Punkt: "Auch der ADSL-Markt bietet Nischen."



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