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Start-up Adresta: Der Lebenslauf für Luxusgüter
Quelle: Adresta

Start-up Adresta: Der Lebenslauf für Luxusgüter

Adresta schreibt die Geschichte von Luxusuhren mit – von der Produktion bis zu den Details rund um Service und Reparaturen oder den Weiterverkauf. Wie genau das funktioniert, erklärt Mitgründer und CEO Mathew Chittazhathu.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2020/12

     

Adresta mit Sitz in Zürich ist als Teil des Corporate-Incubator-Programms beim Versicherer Helvetia entstanden. Ziel von Adresta ist es, für mehr Sicherheit und Transparenz im Uhrenmarkt zu sorgen. Dafür werden digitale Zertifikate erstellt und sicher auf einer Web-Applikation gespeichert. Das Start-up schreibt quasi die Geschichte von Uhren mit: Von der Produktion beim Hersteller, über den ersten Verkauf im Fachhandel, bis zu den Details von Service und Reparaturen oder den Weiterverkauf an einen neuen Besitzer. Damit bekommt eine Uhr einen jederzeit überprüfbaren Lebenslauf.

«Die Uhrenindustrie leidet, denn Covid-19 sorgt für massive Umsatzeinbrüche durch ausbleibende Laufkundschaft und Touristen, während die Branche punkto Digitalisierung noch immer in Kinderschuhen steckt», erklärt Mathew Chittazhathu, einer der drei Gründer und CEO des Start-ups. «Und wenn ich mir online Uhren ansehe, tauchen schnell zwei zentrale Fragen auf: Ist diese Uhr echt? Ist dieser Anbieter vertrauenswürdig und der rechtmässige Besitzer?»


Mit einem fälschungssicheren digitalen Zertifikat will Adresta die Probleme für die Teilnehmer in diesem Ökosystem also lösen. Dazu stellt das Start-up eine digitale Beziehung zwischen Besitzer, Fachhändler und Hersteller her. «Das digitale Zertifikat entsteht bereits bei der Uhrenherstellung und geht mit der physischen Uhr vom Verkäufer zum Käufer über», so Chittazhathu. So hat der Uhrenbesitzer seinen digitalen Beleg immer bei sich und sieht seine Uhren-Historie. Hersteller sollen derweil ihre Kunden im Produktlebenszyklus besser begleiten und datenbasierte Entscheidungen im Marketing und Sales treffen können. Und auch erste Partner konnte Adresta bereits gewinnen, wie etwa Helvetia oder Watch Advisor, einen der grössten Content-Produzenten im Uhrenbereich.

Ein glücklicher Zufall

Das junge Zürcher Start-up mit heute zehn­Mitarbeitern wurde im Dezember 2019 von Mathew Chittazhathu, Leonie Flückiger und Nicolas Borgeaud gegründet. Gestalt angenommen hat das Blockchain-basierte Geschäftsmodell so richtig im Kickbox-Programm von Helvetia, das Produkt selbst wurde an der ETH Zürich entwickelt.
Der Name Adresta entstand durch reinen Zufall. «Eigentlich sollte das Projekt Adrastae heissen – abgeleitet vom gleichnamigen Jupitermond, weil Sonne und Mond die ältesten Zeitmesser sind», verrät Mathew Chittazhathu. «Doch bei der Erstellung des Gruppen-Chats auf Whatsapp habe ich den Namen falsch geschrieben und den Chat Adresta genannt. Das hat uns gut gefallen, sodass wir den Namen so belassen haben.»

Die Grundidee entstand aus der Feststellung der Gründer, dass es auf dem Secondhand-Uhrenmarkt ein grosses Misstrauen gibt, das alle Marktteilnehmer betrifft, vom Käufer bis hin zum Hersteller., erklärt Chittazhathu. Die Frage nach der Echtheit einer Uhr wiederholte sich bei zahlreichen Use Cases, sei es beim Kauf, beim Weiterverkauf, beim Service oder im Versicherungsfall. Wer hat schon nach Jahrzehnten noch alle Belege seiner Uhr griffbereit und wie einfach ist es, diese Angaben zu fälschen? «Die Branche kämpft seit Jahrzehnten gegen Fälschungen, vor allem aus dem asiatischen Bereich, die milliardenhohe Schäden verursachen», so der heutige CEO.


Mit diesem Problem im Hinterkopf starteten die Gründer Gespräche mit Herstellern und Fachhändlern und merkten dabei schnell, dass diese nur wenig Daten über ihre Kunden haben. «Ein Hersteller oder Fachhändler verliert in der Regel den Kontakt zum Kunden nach dem Verkauf, sie kennen den Besitzer ihrer Uhr also nicht wirklich. Da ist uns klar geworden, dass wir mit einem digitalen Zertifikat nicht nur ein Problem, sondern auf einen Schlag mehrere Probleme lösen können», erläutert Chittazhathu. So entstand das Konzept und der erste Prototyp wurde entworfen. Und die Idee hat auf Anhieb zu ersten Adresta-Kunden geführt. «Daraufhin haben wir das Produkt mit ETH Juniors entwickelt, das ist quasi die Studentenberatung der ETH Zürich. Leonie Flückiger hat das Projekt seitens ETH geleitet und mit ihrem Team die technische Lösung erarbeitet, heute ist sie unsere CTO», so Chittazhathu weiter. Im Dezember 2019 entschied sich das Team gemeinsam mit Helvetia, dass Adresta zur eigenständigen Firma werden sollte. Nicolas Borgeaud, Leonie Flückiger und Mathew Chittazhathu gingen also gemeinsam zum Notar und gründeten die Firma.

Digital und ohne Quittungen

Für ein digitales Zertifikat braucht es eine Technologie, die fälschungssicher die Transaktionen protokolliert. «Blockchain hat sich für die Abwicklung von Bank­transaktionen durchgesetzt, darum ist sie prädestiniert für den Schutz von Besitzer und Hersteller, das dient der ganzen Schweizer Traditionsindustrie», so Chittazhathu auf die Frage, warum man sich für Ethereum entschied, um die Geschäftsidee Realität werden zu lassen. «Wir nutzen die public Ethereum Chain, weil sie uns aus drei Gründen überzeugt hat: Erstens sind die Transaktionen für jeden sichtbar. Jeder kann dadurch sicherstellen, dass seine Transaktionen korrekt und frei von Manipulationen ausgeführt wurden. Nicht einmal der Hersteller oder Händler kann die Daten nachträglich manipulieren» so Chittazhathu und ergänzt: «Zweitens überzeugt diese öffentliche Blockchain punkto Kontinuität, denn das Konsortium hinter einer privaten Blockchain könnte irgendwann aufhören zu existieren. Drittens ist diese Art von Blockchain Open Source, weshalb jeder von seiner Seite Software-Integrationen entwickeln und einsetzen kann.»

Punkto Kunden bewegt sich das Jungunternehmen derweil vor allem im B2C-Bereich. «Hier gewinnen wir Uhrenbesitzer mit vielfältigen Bedürfnissen als Kunden», so Chittazhathu. «Ob man nun eine Rolex besitzt oder Omega Scubas sammelt – man möchte seine Lieblings-Uhr sicher und sorglos bei sich tragen.» Digital und ganz ohne Quittungen, dafür aber mit allen Fakten zur Historie und digitalen Prozessen. Dazu gehören auch der Weiterverkauf, der Zollübergang, die Verlustmeldung oder die Vererbung. «Das Angebot von Adresta ist also für Menschen, die ihre echten Uhren lieben und nach digitalem Komfort suchen», beschreibt Chittazhathu die Idee dahinter.
B2B-technisch spricht Adresta Marken an, die ihre Community entlang des Produktlebenszyklus digital unterstützen möchten. Zum Beispiel mit Erinnerungen zum Service, Fakten zur Uhr oder News-Benachrichtigungen für die Community. Heute bietet Adresta seinen B2B-Kunden, also den Herstellern und Fachhändlern, eine Online Product Suite an, mit der diese unfälschbare Zertifikate für ihre Uhren ausstellen können. Zusätzlich haben Marken weitere Module zur Auswahl, wie beispielsweise ein Kommunikations-, Service- und Versicherungsmodul. Damit können Marken personalisiert mit ihren Endkunden kommunizieren, einen Service digital protokollieren oder ihre verkaufte Uhr mit einer Versicherung ausstatten.


«Uhrenbesitzer verwalten schon heute ihre Uhren digital auf unserer Plattform. Dazu gehören sämtliche Dokumente, Fakten und eine Bildergalerie der eigenen Uhren. Zur Grundfunktion gehört natürlich auch die Wunschliste, damit man seine zukünftige Uhr nicht aus den Augen verliert», fährt Chittazhathu fort. «Zudem sind die ersten digitalen Prozesse möglich, wie der Versicherungsabschluss oder die Verlustmeldung.» Und in Kürze will Adresta auch den Austausch mit Gleichgesinnten via App ermöglichen.

«Erstaunlich ist für uns aber auch, wie jeder Hersteller oder Juwelier zusätzliche Einsatzmöglichkeiten entdeckt», so Chittazhathu. «Wobei wir noch weitere im Köcher haben. Das ist auch nötig, damit wir mit kleinen Schritten das Vertrauen im ganzen Markt stärken.»

Guter Start trotz Strich durch die Rechnung

Ein besonderes Erlebnis für das Adresta-Team war es, Jean-Claude Biver persönlich kennenzulernen. «Ein Coaching von einem Mann, der die Schweizer Uhrenbranche einmal gerettet hat – das war unbezahlbar und einzigartig, für jeden von uns», so Mathew Chittazhathu. Ein spezielles Ereignis wäre auch die Basel World gewesen. «Nur wenige Monate nach der Gründung hätten wir im Frühling 2020 an der Basel World teilgenommen. Hätten uns gefreut über unseren Stand, zentral gelegen und umgeben von namhaften Marken.» Hätten. Die Basel World wurde bekanntlich infolge Covid-19 abgesagt. «Es schien im ersten Moment als ein herber Rückschlag: Keine Basel World und generell keine persönlichen Meetings mit Herstellern mehr», erinnert sich Chittazhathu. Ironischerweise ist aber gerade Covid-19 ein starker Wind, der Adrestas Start-up-Segel füllt. Die Hersteller seien sich bewusst, dass sie jetzt umdenken und ihre Prozesse digitalisieren müssen, meint der CEO. «Auch aus Marketing-Perspektive hat die Industrie realisiert, dass sie personalisiert kommunizieren und prozessbegleitend ihre Marken-Geschichten erzählen muss, damit ihre Botschaften von der Zielgruppe aufgenommen werden.» Der Einstieg in den Markt verlief, so Chittazhathu, trotz dieser speziellen Umstände gut. «Wir konnten schnell Fuss fassen im Markt, unsere Idee hat Hersteller und Uhrenbesitzer überzeugt.»


Naheliegend ist derweil, dass sich das Start-up in seiner weiteren Entwicklung nicht auf Uhren beschränken, sondern auch weitere Luxusgüter in Angriff nehmen wird, deren Herkunft, Geschichte und Lebenszyklus mitgeschrieben und sicher gespeichert werden wollen. «Für uns ist die Uhrenindustrie erst der Anfang, doch wir fokussieren uns in den nächsten ein bis zwei Jahren ganz auf diese Industrie», relativiert Mitgründer Chittazhathu aber. «Unser digitales Zertifikat soll sich in den wichtigsten Märkten wie den USA und China etablieren. Später kommen auch andere Industrien in Frage, denn unsere Lösung lässt sich auch für andere vertikale Märkte adaptieren». Es häufen sich denn auch die Anfragen aus anderen Industrien, doch das Team will den Fokus vorerst auf der Uhrenindustrie belassen: «Unser Ziel ist es, ein grosses digitales Ecosystem in der Luxusgüterindustrie aufzubauen», betont Chittazhathu abschliessend. (swe)


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