Microsoft unterstützt Linux

Microsoft beugt sich dem Druck der Kundschaft und kooperiert mit Novell. Das Ziel: Bessere Interoperabilität zwischen Windows und Linux.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/20

     

Microsoft hat eine Koopera-
tionsvereinbarung mit Novell geschlossen. Die einstigen Erzfeinde wollen, vorerst bis 2012, in den Bereichen Technik und geistiges Eigentum zusammenarbeiten. Konkret soll die Interoperabilität zwischen Novells Enterprise-Linux SLES und Windows Server verbessert werden. Dies bedeutet: Virtualisierung des jeweils anderen Systems, einheitliches Management, Active-Directory-Integration sowie Dokumentenaustausch über OpenDocument und OpenXML. Zudem sollen die Kunden beider Unternehmen von den wechselseitigen Patentansprüchen freigestellt werden, wobei der Begriff «Kunden» im Fall von Novell sehr weit gefasst ist: Die gesamte OSS-Community soll von Microsoft nichts mehr zu befürchten haben.
Begleitet wird die Kooperation von erweiterten Support- und Marketingaktivitäten. Microsoft wird Suse Linux Enterprise Server den eigenen Kunden anbieten – allerdings nur, wenn diese explizit nach Linux fragen und sich nicht zu Windows bewegen lassen wollen. Microsoft rechnet offenbar mit einer grossen Anzahl «störrischer» Kunden und will pro Jahr Novell 70’000 SLES-Gutscheine für 240 Millionen Dollar abnehmen. Dazu kommen 108 Millionen Dollar als Vorabzahlung im Rahmen des Patentabkommens. Novell hat sich dagegen verpflichtet, jährlich einen prozentualen Anteil des Umsatzes mit dem Open Enterprise Server und den Open Platform Solutions – mindestens 40 Millionen Dollar – nach Redmond zu überweisen.




Auch in technischer Hinsicht haben sich die beiden Firmen viel vorgenommen: Active Directory soll sowohl Windows als auch Linux-Maschinen aufnehmen können und sich leicht mit Novells eDirectory verbinden lassen. In Punkto Virtualisierung will man nicht nur die Performance und Verwaltung der kompletten Virtualisierung verbessern, sondern auch eine Paravir-
tualisierung beider Systeme auf dem jeweils anderen ermöglichen. Dabei wird nicht wie bei Virtual PC und Co. die gesamte Hardware abstrahiert, sondern nur ein Teil davon. Dies bringt mehr Performance, erfordert aber Anpassungen am Windows-Kernel. Zudem will man die eigenen Management-Werkzeuge auf Basis von Web Services verbinden; Novell wird Zenworks entsprechend anpassen.





Bei Microsoft wie auch bei Novell feiert man die gegenseitige Vereinbarung. Microsoft sei gar für ähnliche Deals mit weiteren Linux-Distributoren offen. An anderen Stellen ist der Enthusiasmus dagegen verhalten: Auch wenn Red Hat die Vereinbarung als Sieg für Open Source proklamiert und davon ausgeht, auch in Zukunft zu dominieren, fürchtet man offenbar doch, dass Novell und Microsoft ihr Patentportfolio nutzen könnten, um der Konkurrenz zu schaden. Red Hat hat deshalb ihr Patentfreistellungsprogramm erweitert. Kritisch wird sowohl bei der Free Software Foundation (FSF) als auch von Open-Source-Aktivist Bruce Perens die Patentvereinbarung gesehen. Während die FSF auf mögliche Unverträglichkeiten mit den Bedingungen der GPL hinweist, interpretiert Perens die Geldzahlungen von Microsoft an Novell so, dass Novell Lizenzzahlungen für Open Source einführt – ein Plan, mit dem SCO erst gerade baden gegangen ist.




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