ADSL erobert die Unternehmen

Günstige permanente Internetzugänge über ADSL können oftmals teure Standleitungen überflüssig machen, haben aber auch ihre Grenzen, insbesondere bei der Zuverlässigkeit.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/38

     

KMU, die ihr Firmennetzwerk permanent mit dem Internet verbinden wollen, bieten sich heute eine breite Palette an verschiedenen Technologien. Aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften besitzt der Verwendungszweck grossen Einfluss auf die jeweils optimale Variante. Grob lassen sich zwei Formen unterscheiden: breitbandige Zugänge wie ADSL sowie "klassische" Mietleitungen. Meist werden beide Varianten als "Mietleitung" oder "Standleitung" bezeichnet, was für eine gewisse Verwirrung sorgt. In diesem Artikel werden deshalb Technologien wie ADSL als Breitbandzugang bezeichnet, während die althergebrachten Technologien für permanente Verbindungen als Miet- oder Standleitung bezeichnet werden.


DSL, aber welches?

Aus Kostengründen waren permanente Internetverbindungen bis vor wenigen Jahren nur für grössere Unternehmen erschwinglich. Zum Einsatz kamen Frame-Relay-Verbindungen wie das amerikanische T-Carrier-System oder dessen europäische Variante E-Carrier. Diese Technologie bedingt eine exklusive Verbindung beispielsweise über Kupferdrähte, dies im Unterschied zu Breitbandzugängen, welche die gleichzeitige Nutzung von Telefon respektive Fernsehen erlauben.



Heute kommen für High-Speed-Verbindungenvermehrt auch HDSL- oder SDSL-Verbindungen zum Zug. HDSL (High Bitrate Digital Subscriber Line) erlaubt Datenraten von maximal 2 Mbit in beide Richtungen. SDSL (Symmetrisches DSL) weist die selben Leistungsmerkmale auf, begnügt sich aber mit einer einzelnen Telefonleitung und ist deshalb die interessantere Variante. Im Vergleich zu Frame-Relay-Verbindungen sind die DSL-Varianten deutlich günstiger, aber in der Bandbreite beschränkt. Doch für die überwiegende Mehrheit der KMU reichen solche DSL-Verbindungen aus - wenn es denn überhaupt ein Breitbandzugang sein muss.




Nach Einschätzung von René Waser, CEO des Schweizer Internet-Providers Cybernet, stagniert das Geschäft mit solchen Standleitungen. Hierfür gibt es mehrere zusammenhängende Ursachen. "Viele Unternehmen haben ihre Server zu einem Provider outgesourct", so Waser. "Dadurch ist die Verfügbarkeit der eigenen Internetanbindung weniger wichtig geworden." Aus diesem Grund kommt für Unternehmen auch eine andere, weitaus günstigere DSL-Technologie in Frage, nämlich ADSL. ADSL - das "A" steht für asynchron - bietet normalerweise einen höheren Datendurchsatz vom Internet zum Benutzer (Downstream) als umgekehrt. Damit eignet sich diese Technologie, um Daten aus dem Internet zu beziehen, aber weniger, um eigene Server zu betreiben, also grosse Datenmengen ans Internet zu übermitteln.



War bislang ADSL vor allem für leistungshungrige Heimbenutzer interessant, so hat die Swisscom mittlerweile auch Angebote vorgestellt, die sich an KMU richten. Dieses Business-ADSL wartet zum einen mit höheren Upstream-Raten von 512 kbit auf, zum anderen mit garantierten Reaktionszeiten im Falle einer Störung. Einzelne Provider führen bereits solche Angebote im Programm. Die höheren Upstream-Raten werden sich aber erst ab Mitte Dezember nutzen lassen, wenn die Swisscom diese leistungsfähigeren Verbindungen aufschaltet.



Ob wirklich eine Standleitung benötigt wird, hängt nicht nur vom Anwendungszweck, sondern auch von den Kosten für die gesamte Internetinfrastruktur eines Unternehmens ab. Für Firmen, die eigene Server betreiben, ist es heute in den meisten Fällen günstiger, diese bei einem Provider unterzubringen, als eine teure Standleitung zu mieten und dazu noch für den gesamten Unterhalt der Serversysteme zu sorgen. Und wenn der Server ohnehin im Rechencenter des Providers steht, reicht für den Internetanschluss des Unternehmens meist auch ein verhältnismässig günstiger ADSL-Zugang ohne garantierte Verfügbarkeit.




Pluspunkte bei Leistung und Verfügbarkeit

Gegenüber den günstigeren Breitbandzugängen weisen Standleitungen aber auch Vorzüge auf, die für gewisse Anwendungsbereiche entscheidend sind. Der offensichtlichste Unterschied liegt in der grösseren Flexibilität, was die Bandbreite anbelangt. Mietleitungen bieten über unterschiedliche Technologien Kapazitäten zwischen 64 kbit und 155 Mbit, während für Breitbandzugänge derzeit das Limit bei 2 Mbit liegt. Oft ist aber nicht die maximale Bandbreite der kritische Punkt, sondern der in der Praxis mögliche Datendurchsatz. So sind bei Breitbandzugängen die angegebenen Werte als theoretisches Maximum zu verstehen. Einen Anspruch auf einen bestimmten Datendurchsatz gibt es dabei nicht, im Unterschied zu Mietleitungen. Hier garantiert der Anbieter für einen Mindestdurchsatz, was beispielsweise für den Server-Betrieb wesentlich ist.



Nebst dem Datendurchsatz spielt in diesem Anwendungsbeispiel die Verfügbarkeit eine ebenso grosse Rolle. Eine Mietleitung stellt eine praktisch direkte Punktverbindung zwischen Benutzer und Provider dar. Dies erlaubt es dem Anbieter, den Status der Leitung über den gesamten Weg zu überwachen und dadurch eine Störung auch zu lokalisieren. Mit Hilfe eines Wartungsvertrages, eines so genannten Service Level Agreement (SLA), kann so - zu entsprechenden Kosten - eine maximale Ausfallzeit definiert werden.




Mit ADSL kann die Verfügbarkeit derzeit nicht garantiert werden. Dies liegt laut Waser vor allem daran, dass der Provider nur Einfluss auf denjenigen Teil der Verbindung hat, die zu seinem eigenen Netzwerk gehört, also ab der Schnittstelle zwischen Telefonzentrale und Providerverbindung. Die so genannte "Letzte Meile" kontrolliert dagegen die Swisscom selbst. Und die bei den neuen ADSL-Business-Angeboten gebotene Reaktionszeit reicht noch nicht aus, um eine ähnlich hohe Verfügbarkeit zu garantieren wie bei einer Mietleitung. "Erst wenn die Swisscom den Servicegrad nochmals erhöht, wird ADSL eine echte Alternative zu einer Standleitung", bilanziert Waser.



Gemäss Sepp Huber, Pressesprecher der Swisscom, ist dies auch nicht unbedingt das Ziel: "Heute besitzen nur wenige KMU eine Standleitung. Mit Business-ADSL können sie jetzt aber ihre Bedürfnisse abdecken."




Arbeiten übers Netz

Permanente Internetverbindungen sind auch ein Weg, um übers Netzwerk auf Anwendungen zuzugreifen. Dies ermöglicht es beispielsweise einem Unternehmen mit weitverzweigten Filialen, bestimmte Client/Server-Applikationen zentral zu betreiben und einen Standort-unabhängigen Zugriff zu ermöglichen. Sinkende Verbindungskosten erhöhen aus Kostengründen die Attraktivität solcher Lösungen. In diesem Bereich sieht Waser nicht unbedingt die Bandbreite als zentralen Aspekt, sondern die Antwortzeiten. "Um einen unterbruchsfreien Betrieb sicherzustellen, sind kurze Antwortzeiten nötig, damit Time-outs vermieden werden", so Waser.



Die Antwortzeiten hängen nicht alleine von der verfügbaren Bandbreite ab, sondern auch von der Anzahl Knotenpunkte, die ein Paket zwischen Client-Desktop und Server durchquert. Je direkter die Verbindung, desto kürzer fallen die Antwortzeiten aus. Hier sind Mietleitungen noch im Vorteil, da sie den derzeit wohl direktesten Weg mit der geringsten Zahl an Knoten darstellen. Im Unterschied dazu kann der Weg der Datenpakete bei ADSL-Verbindungen variieren, was Aussagen über die zu erwartende Reaktionszeit praktisch verunmöglicht. Doch Waser ortet Besserung in diesem Bereich: "Die neuen ADSL-Business-Angebote erhöhen auch die Transparenz über den Datenverkehr, weshalb diese Technologie für solche Client/Server-Anwendungen an Attraktivität gewinnt."




Unternehmen mit verschiedenen Filialen oder Mitarbeitern, die auswärts stationär arbeiten, können mit einem Virtual Private Network den Zugriff auf das Firmen-LAN übers Internet realisieren. Breitbandzugänge sind hier interessant, weil sie zu verhältnismässig tiefen Preisen genügend Bandbreite bieten, um auch grössere Firmendokumente zu übertragen.



Allerdings stellt ein VPN, das über öffentliche Kanäle verläuft, trotz Verschlüsselung immer noch ein gewisses Risiko dar. Gründe dafür liegen etwa in zu schwachen Schlüsseln oder Fehlern in der VPN-Lösung. Diesem Problem will die Swisscom in Zukunft Rechnung tragen, so Huber: "Swisscom Wholesale plant für einen späteren Zeitpunkt eine erste VPN-Lösung für Provider, welche nicht über das Internet verläuft und somit eine viel höhere Sicherheit für die Kunden bietet."



Bei einem solchen Szenario würde sich eine Aussenstelle über ADSL direkt ins Firmennetz einklinken, ohne dabei eine Internetverbindung aufzubauen. Diese liesse sich dann über einen Gateway im Unternehmens-LAN einrichten. Abhängig von der Anzahl Mitarbeiter macht dort dann der Einsatz einer herkömmlichen Standleitung Sinn, um genügend Bandbreite bereitstellen zu können.



In den meisten KMU dürfte sich aber die Situation so darstellen, dass ein internes Netzwerk mit dem Internet verbunden werden soll, um auf extern gelagerte Dienste wie Web oder E-Mail zuzugreifen. Gemessen an der Struktur der KMU in der Schweiz ist dabei in der überwiegenden Mehrheit der Fälle die Rede von maximal zehn Arbeitsplätzen. Und bei diesen Grössenordnungen und extern betriebenen Servern bieten sich heute ADSL als Variante mit dem besten Preis/Leistungsverhältnis an. Eine wachsende Zahl permanenter Internetzugänge in Unternehmen dürfte daher eher den Einsatz von Breitbandverbindungen fördern als denjenigen von Mietleitungen.



Zudem in der Print-Ausgabe: ADSL-Router im Überblick



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